Euro am Sonntag

Solarbranche boomt! Wer wirklich profitiert

24.11.15 12:00 Uhr

Solarbranche boomt! Wer wirklich profitiert | finanzen.net

Sonnenenergie wird konkurrenzfähig und boomt weltweit. Doch der Wettbewerb ist intensiv, der Preisdruck bleibt hoch. Nur wenige Unternehmen profitieren.

von Oliver Ristau, Euro am Sonntag

Einst war Solarworld ein stolzer Marktführer in der Solarbranche. In einer Hinsicht ist das ­Unternehmen auch heute noch spitze: Beim Carbon Disclosure Project, einem renommierten Nachhaltigkeitsranking von Finanzinvestoren, schnitten die Bonner jüngst als weltweit sauberster Solarproduzent ab. Konkurrenten wie die amerikanische First Solar oder Chinas Hanwha rangierten deutlich dahinter. Beim Absatz sind die großen Wettbewerber indes längst enteilt. Der einstige deutsche Solarprimus kämpft stattdessen mit Verlusten. Und die Aktie notiert auf historischem Tief.



Dabei sind die Zeiten für die Branche alles andere als düster. Die Solarenergie boomt wie nie. Im laufenden Jahr werde die Leistung aller weltweit neu installierten Photovoltaik(PV)-Module zur Solarstromerzeugung um zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr auf den neuen Rekordwert von 46 Gigawatt steigen, schätzt die Schweizer Bank UBS. Das entspricht nominell der Größe von 30 Kohle- oder Atomkraftwerken. 2016 könnte der Markt erneut zweistellig ­ zulegen und damit zweieinhalbmal so groß werden wie noch 2010.

Vor allem in China und den USA strahlt die Sonnenkraft. Peking fördert die Technologie massiv - nicht nur um der heimischen Industrie Vorteile am Weltmarkt zu sichern. Es geht um die eigene Umwelt. Chinas Wirtschaftswachstum kann nicht länger auf Kosten der Natur erfolgen. Neue Kohlekraftwerke sind angesichts eklatanter Luftverschmutzungen keine Option mehr. Was chinesische Produzenten wie JA Solar, Jinko, Trina und Shunfeng freut, nützt Ausländern allerdings wenig. Der chinesische Markt bleibt den meisten west­lichen Firmen verschlossen.


Das ist in den USA anders. Unter Präsident Obama eilt die grüne Technologie von Rekord zu Rekord - trotz billigem Öl und Gas. Sie wird eben selbst immer günstiger. In den vergangenen vier Jahren haben sich die Preise für Solarmodule halbiert. "In sonnenreichen Regionen wie Kalifornien und Nevada ist die Photovoltaik im Grunde konkurrenzfähig", sagt Analyst Arash Roshan Zamir von Warburg Research. Die USA gewähren zudem großzügige Steuervorteile von 30 Prozent für die Anschaffung von PV-Anlagen.

Zwar läuft das Programm mit dem Ende der Amtszeit Obamas 2016 aus. "Das könnte 2017 für einen Markteinbruch sorgen", so der Experte. Ausgemacht ist das aber nicht. So ist bereits eine Verlängerung der Steueranreize zu abgespeckten Konditionen in der Diskussion. Zudem steigt die Nachfrage nach günstiger Solarstromtechnik überall, wo die Sonne vom Himmel brennt. Wachstumsmärkte wie Indien, Lateinamerika und Afrika könnten einen Rückgang in den USA ausgleichen.


Mittel- bis langfristig führt kein Weg am Sonnenstrom vorbei. Die Photovoltaik ist eine der reifsten grünen Energietechnologien. In den USA werde ihr Anteil an der Stromerzeugung bis 2030 von derzeit drei auf zwölf Prozent wachsen, prognostiziert UBS. Die Welt braucht die Ökoenergien. Nichts heizt die Atmosphäre so auf wie die Verbrennung fossiler Stoffe. Regenerative Energien werden auf der Klimakonferenz in Paris Anfang Dezember eine prominente Rolle spielen.

Kapazitäten ausgebaut

Diesem erwarteten Trend folgen die Konzerne. "Die Anbieter bauen die Kapazitäten aus, um von der wachsenden Nachfrage zu profitieren", konstatiert Analyst Erkan Aycicek von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Das aber hält den Druck auf die Preise aufrecht. "Seit Jahresbeginn sind die Modulpreise um zehn Prozent gefallen. Wir rechnen damit, dass sie mit ähnlichen Raten weiter sinken werden."

Das sind grundsätzlich eigentlich gute Nachrichten für die Solarmaschinenbauer, denn die Produzenten müssen zur Kostensenkung in neue und ­effizientere Anlagen investieren. Bisher schlägt sich das allerdings nicht in Umsatz und Gewinn nieder. Im Gegenteil: Die Schweizer Meyer Burger meldete Projektverzögerungen und eine Gewinnwarnung. Die deutsche Manz Automation denkt wegen schleppender Geschäfte sogar an einen Abschied aus dem Solaranlagenbau. Das Problem der Spezialisten ist, dass sich ihnen in China mittlerweile ernst zu nehmende Wettbewerber entgegenstellen. Viele Aufträge werden nicht mehr nach Europa vergeben.

Immerhin: Die Auftragslage lässt für 2016 Besseres erwarten. Das könnte dem Solarspezialisten Centrotherm aus Blaubeuren zugute kommen. Die Firma befindet sich im Insolvenzplan, muss für den Abschied aus dem Pleiteverfahren noch einen neuen Investor finden, der zudem bereit ist, Millionen an Altverbindlichkeiten zu bedienen. Auch wenn die Geschäfte wieder besser laufen: Die Aktie bleibt hochspekulativ.

Erheblich solider präsentieren sich die Titel der Wettenberger PVA Tepla, die Hightechanlagen für die Metall-, Halbleiter- und Solarindustrie anbietet. Der Auftragsbestand ist so hoch wie seit Jahren nicht mehr, die Rückkehr in die Gewinnzone 2016 programmiert. Allerdings macht der Solarbereich nur noch vier Prozent des Umsatzes aus.

Das ist bei SMA Solar keineswegs der Fall. Der Elektronikspezialist liefert fast ausschließlich Wechselrichter für die Photovoltaik. Die Geräte wandeln Gleichstrom in netzfähigen Wechselstrom. Wegen ihrer Marktposition und eines erfolgreichen Umstrukturierungsprogramms dürften die Hessen auch langfristig zu den schlagkräftigen Spielern zählen.

Ähnliches gilt für Siliziumspezialist Wacker Chemie. Die Burghausener stellen neben anderen Chemieprodukten hochreines Solarsilizium her - und sie haben sogar Zugang zum chinesischen Markt. Zwar sind die Siliziumpreise rückläufig, dennoch bleiben die Margen des Premiumanbieters deutlich positiv. Mit ihrer Siliziumfabrik in den USA, die gerade gebaut wird - dem bislang größten Investment der Firmengeschichte - dürfte Wacker langfristig zu den Top­lieferanten der Branche zählen.

Die Staaten bleiben einstweilen der attraktivste Markt. "Die Verkaufspreise sind erheblich besser als in Europa", sagt Warburg-Experte Zamir. Phoenix Solar etwa, ein Solarhändler und Kraftwerksspezialist aus Bayern, präsentierte auch deshalb zuletzt gute Zahlen.

Weniger sonnig sind die Aussichten für die Produktion in Europa. Mit Ausnahme Großbritanniens schrumpfen die Märkte. Zudem könnten die Hürden für die chinesische Konkurrenz fallen. Anfang Dezember entscheidet die EU-­Kommission über eine Verlängerung der Antidumpingpolitik. Aktuell gilt ein Mindestmodulpreis von 56 Cent je Watt. Verglichen mit den Preisen an den Außengrenzen der EU ist das viel. "In der Türkei sind Module rund 20 Prozent billiger", sagt Zamir. Sollte die EU die Strafmaßnahmen gegen die Chinesen fallen lassen, wäre das für Hersteller wie Solarworld ein weiterer Rückschlag.

Investor-Info

SMA Solar
Strom für alle

Ohne Wechselrichter zur Einspeisung ins Netz macht keine Solaranlage auf dem Hausdach Sinn. Der Weltmarktführer ist international gut aufgestellt. Dank kräftiger Einsparungen hat die Firma ihre Kosten deutlich gesenkt und im dritten Quartal wieder einen Konzerngewinn erwirtschaftet. 2016 könnte der Turn­around im Gesamtjahr gelingen. Spekulativ.

Wacker Chemie
Rohstoffe erster Güte

Die Firma aus Burghausen zählt zu den profitabelsten Produzenten von Solarsilizium. Wegen der hohen Qualität, die entscheidend für die Effizienz der Solarzellen ist, kann Wacker Premiumpreise erzielen. Mit der neuen Siliziumfabrik in den USA stärkt der Konzern diese Position, was ab 2016/17 ergebniswirksam werden dürfte. Das übrige Chemiegeschäft liefert 75 Prozent Umsatzanteil. Das mindert Risiken. Nach dem Börsengang der Tochter Siltronic zeigt sich die Bilanz kapitalstark.

Solarworld
Letzter Mohikaner

Der letzte große europäische Solarproduzent hat zwar in den ersten neun Monaten Marktanteile gewonnen und den Umsatz gesteigert. Insbesondere in den USA sind die Bonner erfolgreich. Dennoch stand Ende September ein Konzernverlust von 13,4 Millionen Euro zu Buche. Ob der Turnaround gelingt, ist ungewiss. Dagegen verdunkeln drohende Millionenzahlungen aus Altverträgen und ein mögliches Ende der Strafzölle gegen chinesische Wettbewerber in der EU die Zukunft.

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Bildquellen: Gencho Petkov / Shutterstock.com, Johannes Kornelius / Shutterstock.com

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