Kim Kardashian: "Ich kann alles haben"
Sie ist die erfolgreichste Prominente des Internet-Zeitalters und die wohl zurzeit am meisten fotografierte Person der Welt. Sie macht Glitzer und Glamour zu Geld und kassiert so Millionen.
von Peter Balsiger, Euro am Sonntag
Der Reality-TV-Star mit den langen, dunklen Haaren, den schwarzen Mandelaugen und dem voluminösen Körper, den sie bei jeder Gelegenheit in Szene setzt, ist dauernd gut drauf, lächelt, ist stets sexy. Kim Kardashian hat sich längst selbst zur Marke gemacht. Sie ist berühmt dafür, berühmt zu sein.
Kein anderer Star in Amerikas hedonistischem Nouveau-riche-Universum ist so erfolgreich wie sie: Denn ihre Spiele-App "Kim Kardashian: Hollywood" ist ein phänomenaler Erfolg, das Smartphone-Game wurde 45 Millionen Mal heruntergeladen. Laut "Forbes" generierte das Spiel im vergangenen Jahr 71,8 Millionen Dollar, davon kassiert Kim 40 Prozent.
Ihre Dokusoap "Keeping Up with the Kardashians", die seit 2007 im US-Fernsehen läuft, wird in 160 Ländern ausgestrahlt. Auf Twitter und der Foto-App Instagram folgen ihr 140 Millionen Menschen - mehr als Frankreich und Italien zusammen Einwohner hat. Zudem hat sie eine eigene TV-Produktionsfirma, die sich Kimsaprincess Productions nennt, die Fitness-DVDs vermarktet, sie hat eine eigene Parfümlinie, einen Onlineshop für Schuhe und zusammen mit ihren Schwestern eine Boutiquenkette.
Sie ist so berühmt, dass die Schauspielerin Bette Midler eines ihrer Hühner, die sie sich als Haustiere hält, nach ihr benannt hat. Und sie ist so präsent im Internet, dass ein Programmierer die App KardBlock entwickelte, die jegliche Erwähnung des Stars im Netz blockiert.
Was ist das Geheimnis ihres Erfolgs? Wie konnte sich die namenlose Beauty aus Los Angeles zu einer Internet-Ikone und zu einer der weltweit bekanntesten Marken entwickeln? Vielleicht liegt es daran, dass ihr Look so kompatibel ist, sie ist der kleinste gemeinsame Nenner in einer längst globalisierten Medienwelt. Die Frau mit armenischen Wurzeln fügt sich nahtlos in alle möglichen Kulturen ein, in die westliche, die arabische, die asiatische und dank ihrer Ehe mit dem schwarzen Rap-Star Kanye West auch in die afrikanische.
Für Schlagzeilen sorgte sie Anfang Oktober 2016, nachdem als Polizisten verkleidete und maskierte Räuber sie in ihrem Hotelzimmer in Paris überfallen hatten. Kim wurde mit einer Waffe bedroht, dann gefesselt und ins Bad gesperrt. Die Beute: Schmuck und Wertsachen im Wert von neun Millionen Euro. Die Täter wurden bisher nicht gefasst. Danach gönnte sich Kardashian eine Auszeit. Bis vergangene Woche, als sie auf Instagram ein Familienfoto postete, das wohl bald zum meistgelikten Instagram-Foto der Geschichte aufsteigt.
Ihre Vorfahren stammen ursprünglich aus Armenien, die Familie wanderte zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Kalifornien aus und lebte dort den "amerikanischen Traum": Kims Großvater machte ein Vermögen in der Fleischverarbeitungsindustrie, ihr Vater Robert wurde Rechtsanwalt, stieg aus dem Familiengeschäft aus und gründete das einflussreiche Musikmagazin "Radio & Records" sowie die Musik- und Marketingfirma Movie Tunes. Ihre Mutter Kris betrieb eine Kinderboutique. Schon als Kind zeigte Kim unternehmerische Qualitäten. Dem Coach ihres Fußballteams erklärte sie vor einem Spiel: "Ich spiele nicht den Torhüter, es sei denn ich kriege dafür 100 Dollar." Der Coach willigte schließlich ein.
Ihr Vater verteidigte O. J. Simpson
Erste Erfahrungen mit Medien und Prominenz machte Kim als 16-Jährige, als ihr Vater die Verteidigung seines Freundes O. J. Simpson in dessen spektakulärem Mordprozess übernahm. Mit der Privatsphäre war es jetzt dahin, Kim gewöhnte sich an das Blitzlichtgewitter, und als sie damals ihren Vater besuchte, spekulierte die Boulevardpresse bereits, ob sie seine neue Freundin sei.Diese Erfahrung sollte damals zu einer von Kims wichtigsten Lebenslektionen werden: "Beherrsche das Spiel mit den Medien, sonst beherrschen sie dich." Kim schrieb es sich hinter die Ohren und wurde "zu einem Wunder der Selbstvermarktung" - so die "Gala".
Als Teenager schwärmte Kim für die Backstreet Boys und war mit Michael Jacksons Neffen befreundet. Sie arbeitete neben der Schule in einem Kleiderladen und entdeckte bald die Welt des Onlineshoppings. Auf Ebay verkaufte sie die fünf Manolo-Blahnik-Schuhe, die ihr der Vater für je 700 Dollar gekauft hatte, für je 2500 Dollar.
Sie habe halt ein gutes Auge für neue Trends und für das, was die Menschen gerade kaufen wollen. Von nun an leerte sie die Kleiderschränke ihrer prominenten Freundinnen wie Cindy Crawford, Serena Williams, Nicky Hilton und Nicole Richie und verkaufte alles über Ebay, was nicht mehr getragen wurde. Sie war - natürlich - am Gewinn beteiligt. Zwischen Februar 2013 und Februar 2014 verkaufte ihre Familie zum Beispiel über Ebay rund 2000 Designerstücke für 277 469 Dollar, wie "Cosmopolitan" vorrechnete.
Als 20-Jährige heiratete sie heimlich den Musikproduzenten Damon Thomas, die Ehe wurde vier Jahre später wieder geschieden. Kim wurde nun zum It-Girl, zog mit ihrer ehemaligen Klassenkameradin Paris Hilton in sexy Outfits von Party zu Party. "Wir gingen überall hin, nur mit dem Ziel, gesehen zu werden", verriet sie dem US-Magazin "Rolling Stone". "Alles, was wir machen mussten, war, in ein bestimmtes Restaurant, zu einer bestimmten Party zu gehen, über irgendetwas zu reden - und am nächsten Tag würde es in den Klatschspalten stehen." Alkohol oder Drogen meidet sie - "mit Ausnahme von fünf Gläsern Wodka alle drei Jahre in Las Vegas".
Sie hatte kleinere Rollen in mehreren Filmen, träumte aber davon, ein Bond-Girl zu werden und mit Daniel Craig eine Liebesszene zu drehen, "nachdem er mich gerettet hat". Eine "Hauptrolle" spielte sie dagegen 2007 in einem von der Vivid Entertainment Group veröffentlichten privaten Sexvideo, das sie mit ihrem damaligen Freund, dem Rap-Sänger Ray J, zeigte. Kim klagte. Aber Vivid bezahlte fünf Millionen Dollar - worauf Kim die Klage zurückzog. Es wurde damals gemunkelt, das Video sei von Mutter Kris gezielt in Umlauf gebracht worden, um die Karriere ihrer Tochter voranzutreiben. Bei Paris Hilton hatte das bekanntlich gut funktioniert.
Heiratsantrag im Baseballstadion
2006 eröffnete sie zusammen mit ihren beiden Schwestern Kourtney und Khloé die Modeboutique-Kette DASH und verkauft dort Trendmode unter dem Brand "Kardashian Kollection". DASH gibt es inzwischen in Miami Beach, New York und Los Angeles.Die Serie, die Kim und ihre glamouröse Familie schließlich weltweit bekannt machte und die Kardashians zum berühmtesten Familienclan der USA stilisierte, ist die sehr offenherzige Realityshow "Keeping Up with the Kardashians" (ein englisches Wortspiel, das sich etwa so übersetzen lässt: "Auf dem Laufenden bleiben mit den Kardashians"), die seit 2007 für das amerikanische Fernsehen produziert wird.
Im Mittelpunkt stehen Kim, ihre beiden Schwestern Khloé und Kourtney sowie Mutter Kris (alle tragen Vornamen mit dem Buchstaben K), die auf Schritt und Tritt von Kameras begleitet werden. "In allen Sendungen sitzen die Familienmitglieder auf gigantischen Sofas in riesigen Häusern, klammern sich an überdimensionierte Weingläser und sprechen über nichtige Probleme", so "Die Zeit". Man redet über Gewichtsprobleme, Liebeskummer, über die richtige Weihnachtsdeko und Luxusvillen und überlegt, zu welchen Fashion Shows man reisen möchte.
Die Show, so trashig sie auf den ersten Blick wirken mag, läuft in den USA mittlerweile in der zwölften Staffel. 2011 heiratete Kim den Basketballstar Kris Humphries - 72 Tage nach der Hochzeit reichte sie wegen "unüberbrückbarer Differenzen" die Scheidung ein. Ihr nächster Ehemann wurde der Rapper Kanye West. Die Beziehung wurde gnadenlos inszeniert und mithilfe einer regelrechten PR-Maschine ausgeschlachtet. Vor laufender Kamera machte der Rapper seiner Liebsten an ihrem 33. Geburtstag im speziell für das Event gemieteten Baseballstadion in San Francisco einen Heiratsantrag. Im Hintergrund spielte ein Orchester "Young and Beautiful", und ein gewaltiges Feuerwerk wurde abgebrannt.
Nach Kims "Junggesellinnenabschied" im Schloss von Versailles gab sich das Paar im Mai 2014 in Florenz, im prachtvollen Fort Belvedere hoch über den Dächern der Stadt, das Jawort. Allein die Miete für die Location kostete 400 000 Dollar.
Ihr Po ist Pop-Kulturgut
Zusätzliche Berühmtheit schaffte eine Fotostrecke im amerikanischen Kult-Magazin "Paper", für das sie die Hüllen fallen ließ. Der Fotograf ließ Kim ein Champagnerglas auf ihrem ausladenden Hintern balancieren, auf dem Cover zeigte sie dann der Welt ihr eingeöltes Prachtstück. Das Internet brach damals unter dem Ansturm der Kim-Fans fast zusammen. Das Kulturmagazin "Vice" bezeichnete damals Kims Hintern als "eine popkulturelle Sonne", um die die Medien kreisten. Das Lifestyle-Magazin "Rolling Stone" legte nach und bezeichnete ihren Po "als Teil der amerikanischen Erotik und auch unsere beste und willkommenste Form der Ablenkung von Klimawandel, Einkommensungleichheit und ISIS".Wie der Mythos Kim Kardashian entstand, dokumentiert ihr 2015 erschienenes Buch mit dem Titel "Selfish" ("Egoistisch"). Es enthält 300 Selfies der letzten zehn Jahre, die sie alle mit ihrem iPhone geschossen hatte.
Den ganz großen finanziellen Durchbruch schaffte sie mit der äußerst erfolgreichen Spiele-App "Kim Kardashian: Hollywood". Ein Spiel, das auf ihrem Leben basiert. Die Spieler können in dieser virtuellen Welt ihren eigenen Hollywood-Promi kreieren - ob Filmstar, Model oder Sänger - und dann zusammen mit Kim tolle Abenteuer erleben. Die App kann gratis gespielt werden. Aber ohne In-App-Käufe, die echtes Geld kosten, kommt ein Spieler meist nicht weit.
In der Werbung heißt es: "Ihr wollt unbedingt als Model berühmt werden? Ohne In-App-Käufe wird das schwierig. Denn damit bekommst du bessere Modeljobs und kannst dir Schmuck sowie teure Markenklamotten leisten. Von der ‚E-List‘ müsst ihr es auf die ‚A-List‘ schaffen - das gelingt dir nur, indem du Promis datest, dein Haus dekorierst und dich selbst entsprechend aufputzt. Der Weg zum richtigen Star ist lang und ohne Glitzer, Glamour und perfektes Outfit nicht zu schaffen."
Wer also in dieser virtuellen Welt schnell zum A-Promi werden und sich beispielsweise mit coolen Outfits von Karl Lagerfeld schmücken oder mit Kim an die traumhaften Strände in Mexiko reisen und dort die digitale Version ihres Bikinis tragen möchte, der muss bezahlen. Auf die Frage, als was sie in 20 Jahren in Erinnerung bleiben möchte, als Sexsymbol oder als Geschäftsfrau, antwortete sie: "Beides. Ich denke, dass ich beides haben kann. Ich kann alles haben."
Kurzvita
Die Selbstvermarkterin
Kimberly Noel Kardashian kam 1980 in Los Angeles als Zweitälteste von vier Kindern zur Welt. Kim besuchte die katholische Mädchenschule Marymont High in Los Angeles, die als eine der exklusivsten, aber auch strengsten Privatschulen der USA galt. 2006 eröffnete sie die Modeboutique-Kette DASH. Heute verdient sie unter anderem mit einem eigenen App-Spiel, einer TV-Produktionsfirma, einer Parfümlinie und als Autorin ein Vermögen. Ihr aktueller Ehemann ist der US-Rapper Kanye West.
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