Euro am Sonntag-Meldung

Zollstreit: Trumps Kraftprobe setzt Märkte unter Druck

11.05.19 07:00 Uhr

Zollstreit: Trumps Kraftprobe setzt Märkte unter Druck | finanzen.net

Die weltgrößten Handelsmächte USA und China steuern auf Eskalation zu. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer rechnet kurzfristig mit Einigung, aber langfristig mit "kaltem Handelskrieg".

von Wolfgang Ehrensberger, €uro am Sonntag

Die jüngste Eskalation im Handelsstreit zwischen den USA und China hält die Aktienmärkte weiter in Atem. US-Präsident Donald Trump hatte in der Nacht zum Freitag Importzölle auf chinesische Produkte im Volumen von 200 Milliarden Dollar von bisher zehn auf 25 Prozent erhöht. China drohte umgehend Gegenmaßnahmen an. Gleichzeitig suchten beide Seiten weiter nach Auswegen aus dem Konflikt.



Dazu verbleiben noch knapp zwei Wochen. Denn die neuen Zölle werden erst auf die Waren angewendet, die jetzt das Milliardenreich - meist per Schiff - verlassen. Auch der Markt setzte am Freitag auf eine Einigung: Der DAX legte am Vormittag über ein Prozent zu. Am Donnerstag war der Leitindex erstmals seit Mitte April unter die psychologisch wichtige Marke von 12 000 Punkten gesackt und mit 1,7 Prozent Minus bei 11 973 Punkten aus dem Handel gegangen.

Trump fürchtet Börsensturz

"Trotz der Zollerhöhung von heute erwarte ich, dass beide Seiten bald eine Einigung erzielen", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer gegenüber €uro am Sonntag. Sowohl China als auch die USA würden ansonsten zu viel riskieren. Die chinesische Wirtschaft leide ohnehin unter der Unsicherheit, die vom Handelsstreit ausgehe. "Und Präsident Trump muss einen Absturz der US-Aktienmärkte fürchten, wenn der Konflikt eskaliert und der Außenhandel mit China kollabiert."



Aber auch nach einem Deal rechnet Krämer mit einem Wiederaufflammen des Handelskonflikts: "Eine Einigung lässt sich schwer kontrollieren." Es widerspreche ohnehin dem Selbstverständnis der kommunistischen Partei, einklagbare Rechte zu gewähren, die ausländische Unternehmen in China aber bräuchten, um eine faire Behandlung sicherzustellen.

Dekade der Deglobalisierung

"Es läuft deshalb langfristig auf einen kalten Handelskrieg zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt hinaus", warnt Krämer. "Anders als seit Ende des Zweiten Weltkriegs dürfte der Welthandel in den kommenden Jahren nicht mehr schneller wachsen als das globale Bruttoinlandsprodukt. Wir stehen von einer Dekade der Deglobalisierung." Das bedroht das exportgetriebene deutsche Wirtschaftsmodell.



Im weiteren Verlauf rechnet Krämer deshalb auch mit Zöllen auf Autoimporte aus der EU. "Dazu dürfte es leider kommen. Das liegt auch an der EU, die ­ihrer Verhandlungsführerin Malmström ein zu enges Verhandlungsmandat gegeben hat. So darf sie nicht einmal über die sehr hohen EU-Agrarzölle reden, die den Amerikanern ein Dorn im Auge sind."

Ähnliche langfristige Belastungen der Weltwirtschaft wie Krämer erwartet im Übrigen auch Gabriel Felbermayr. Der neue Präsident des Kieler IfW glaubt zwar, dass das "Risiko Trump" inzwischen an den Märkten großenteils eingepreist sei, denn "die Investoren sind ja nicht naiv". Gefährlicher sei aber, dass die Probleme zwischen den USA und China offenbar tiefer lägen als gedacht. Der Streit könne also der beherrschende Konflikt des nächsten Jahrzehnts werden - "nicht nur im Handel, auch militärisch".

Die USA haben nach Angaben der Zollbehörden seit Freitag früh 6.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit eine Einfuhrgebühr von 25 Prozent auf bestimmte chinesische Produkte erhoben. Betroffen sind Waren aus 5700 Kategorien im Volumen von 200 Milliarden Dollar. Zeitgleich verhandelte am Donnerstag und Freitag eine chinesische Delegation in den USA mit amerikanischen Unterhändlern. Investoren äußerten die Hoffnung, dass ein Abkommen erzielt und die Zölle zurückgenommen werden könnten.

Seit Juli 2018 überziehen sich die beiden größten Wirtschaftsmächte der Welt gegenseitig mit Zöllen, was bereits die globale Konjunktur bremst. Trump wirft China unter anderem vor, "amerikanische Jobs zu stehlen". Der Präsident stört sich insbesondere am riesigen Defizit seines Landes im Handel mit China.








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