Handelskrieg: Es geht ans Eingemachte
US-Präsident Trump will keinen globalen Handelskrieg, insbesondere nicht mit China, befindet sich aber auf dem besten Weg dorthin. Das sind schlechte Nachrichten - nicht nur für die beiden größten Volkswirtschaften der Welt.
von Frank Engels, Gastautor in €uro am Sonntag
Im Handelsstreit ist eine neue Stufe der Eskalation erreicht: Donald Trump hatte erst Mitte Mai zusätzliche Strafzölle von 25 Prozent auf 1102 Produkte aus China im Wert von 50 Milliarden US-Dollar verhängt, gültig ab 6. Juli. Er zielt dabei insbesondere auf Technologieprodukte und damit auf das zukünftige Herzstück der chinesischen Wirtschaft. Peking hatte daraufhin Vergeltungszölle auf US-Waren im Wert von ebenfalls 50 Milliarden US-Dollar angekündigt. Betroffen sind beispielsweise US-amerikanische Agrarprodukte und Autos. Ein paar Tage später gab Trump die Prüfung weiterer Zölle in Höhe von zehn Prozent auf chinesische Waren im Wert von 200 Milliarden US-Dollar in Auftrag. Peking kündigte erneut Vergeltung an, und Trump drohte daraufhin mit weiteren Zöllen.
Der Konflikt schaukelt sich hoch. Während die Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte aus China und auch anderen Regionen wie der Europäischen Union (EU), Mexiko und Kanada eher symbolischen Charakter hatten, geht es nun ans Eingemachte. Die Hälfte aller chinesischen Einfuhren in die USA, also 250 Milliarden US-Dollar, sollen mit Zöllen belastet werden. China führte 2017 Waren im Wert von 505 Milliarden US-Dollar in die Vereinigten Staaten ein. Umgekehrt waren es Produkte im Wert von 130 Milliarden US-Dollar.
Das Handelsdefizit der USA mit der EU ist ebenfalls groß, was Trump ein Dorn im Auge ist und weswegen er die heimische Wirtschaft schützen will. Die EU hat im vergangenen Jahr für 151 Milliarden US-Dollar mehr Waren in die USA exportiert als von dort importiert.
Protektionismus schadet ganz klar den USA selbst
Auch für die EU sieht es derzeit danach aus, als würde es nicht bei Zöllen auf Stahl und Aluminium bleiben. Seit dem gescheiterten G-7-Gipfel in Kanada ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass der US-Präsident auch Zölle auf Autoimporte erlässt. Dabei ginge es dann um ein deutlich größeres Handelsvolumen als bei Stahl. Deutsche Autobauer exportierten 2017 Fahrzeuge im Wert von knapp 30 Milliarden Euro in die USA, was etwa einem Viertel der deutschen Exporte in die USA entspricht. Eine Abgabe darauf würde die EU und insbesondere Deutschland hart treffen. Das würde sich die EU wohl nicht gefallen lassen und weitere Gegenmaßnahmen ankündigen.
Mit seinem Protektionismus schadet Trump nicht nur seinen "Gegnern", sondern auch ganz klar den USA selbst. Beispielsweise könnten die Zölle auf Autos zum Bumerang werden. Denn die deutschen Autohersteller verschiffen nicht nur eine halbe Million Autos aus Deutschland in die USA, sondern produzieren dort auch weitere 900 000 Einheiten. Mehr als die Hälfte dieser Fahrzeuge wird wiederum aus den Vereinigten Staaten ins Ausland exportiert. Je komplizierter und teurer die Produktion jenseits des Atlantiks wird, desto weniger sinnvoll ist es für die deutschen Hersteller, dort zu fertigen. Zehntausende Arbeitsplätze in den USA stünden damit auf dem Spiel.
Letztlich führen Zölle zur Stagflation
Auch China hat weitere Asse im Ärmel. Statt ebenfalls Zölle zu erheben, könnte die Volksrepublik den Zugang zu günstigen Produktionsstätten kappen. Schließlich produzieren zahlreiche US-Firmen in China. Etliche gut bezahlte Jobs in den Vereinigten Staaten wären damit in Gefahr. Oder aber Peking setzt auf eine gezielte Abwertung des Yuan gegen den US-Dollar, um so den Effekt der Zölle zu konterkarieren. Auch das hätte negative Rückkopplungen auf US-Exporteure nach China, da deren Waren entsprechend teurer für chinesische Endkunden würden.
USA gegen China, China gegen USA, USA gegen EU … Am Ende hieße es jeder gegen jeden. Die Gefahr eines Handelskriegs ist in den vergangenen Wochen größer geworden. Dabei kennen Handelskriege keine Gewinner, sondern nur Verlierer. Dafür gibt es in der Historie viele Beispiele. Wenn die durch Zölle geschützten heimischen Firmen ihre dann höheren Kosten an die Kunden weiterreichen, ohne Absatzeinbußen befürchten zu müssen, steigen die Preise für die Konsumenten. Außerdem macht das die geschützten Unternehmen ineffizienter, da sie keinem echten Wettbewerb über Landesgrenzen hinweg mehr ausgesetzt sind. Langfristig geht das auf Kosten der Arbeitsplätze, die man doch eigentlich schützen wollte. Zölle wirken also stagflationär, das heißt, sie führen zu Inflation, schwächen die Kaufkraft und damit das Wirtschaftswachstum - und das im Extremfall weltweit.
Ein Handelskrieg würde nicht nur der Weltwirtschaft schaden, sondern auch die Kapitalmärkte ins Straucheln bringen. Die aktuellen Geschehnisse setzen insbesondere die Börsen in den USA und in Asien unter Druck. Auch die Kapitalmärkte in Drittstaaten wie Taiwan oder Korea, die stark in die Vorleistungskette eingebunden sind, werden in Mitleidenschaft gezogen. Die Bremsspuren an den Kapital- und Währungsmärkten der Schwellenländer, die sehr auf offenen Handel angewiesen sind, sind in diesen Tagen daher auch besonders groß. Während der sich zuspitzende Konflikt die Börsen belastet, unterstützt derzeit noch die robuste Konjunktur - insbesondere in den USA. Sollte die Lage weiter eskalieren und es zu einem Handelskrieg kommen, wäre das ein klares Risk-off-Szenario an den globalen Börsen mit negativen Rückkopplungseffekten auf Konjunkturindikatoren.
Was Donald Trump wirklich antreibt
All diese rationalen Argumente sind Trump bestimmt nicht unbekannt. Wieso begibt er sich auf einen solchen Holzweg? Trump scheint vor allem den 6. November 2018 im Blick zu haben, an dem in den USA die Midterm Elections, die Halbzeitwahlen, stattfinden. Er muss handeln, denn in Umfragen liegen derzeit die Demokraten vorn. Und das macht er, indem er Härte zeigt und seine Wahlkampfversprechen einlöst. Es steht zu vermuten, dass der US-Präsident die Schraube der Eskalation bis zu den Wahlen im Herbst immer weiter anziehen wird. Auf Gegenreaktionen wird er noch härter reagieren. Trump ist bereit, der globalen Wirtschaft zu schaden, um Wählerstimmen zu gewinnen.
Auch wenn jeder Tweet die Situation entscheidend ändern könnte, ist das Risiko für einen Handelskrieg gestiegen. Dieses Umfeld ist kein gutes für die Weltwirtschaft und die Kapitalmärkte. Der Handelskrieg, den keiner will, würde am Ende allen schaden - auch den Vereinigten Staaten.
Kurzvita
Frank Engels
Leiter Portfoliomanagement und Multi Asset bei
Union Investment
Engels ist seit 2014 Mitglied der Geschäftsführung der Union Investment Privatfonds. Seit 2017 leitet er das Portfoliomanagement Multi Asset. Er arbeitete zuvor bei der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds.
Union Investment ist die Fondsgesellschaft
der Volks- und
Raiffeisenbanken.
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