Ich kaufe jetzt: Italienische Aktien
Martin Reich von der Vermögensverwaltung Reich, Doeker & Kollegen, geht davon aus, dass die "bad news" in italienischen Aktien bereits eingepreist sind, und hält sie nun für kaufenswert.
Name: Martin Reich
Geboren: 1971 in München
Position: Vorstand bei der Reich, Doeker & Kollegen AG
Der Wahlausgang in Italien hat erneut zu einer Verunsicherung der Investoren geführt und die Probleme des Landes wieder in den Fokus gerückt. Warum investieren wir dennoch in eine Volkswirtschaft, deren Staatsschulden 120 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung erreicht haben, die seit 2007 um über sieben Prozent geschrumpft ist und deren Bürokratie — insbesondere im Arbeitsrecht — jegliche unternehmerische Initiative erstickt und die Wirtschaft in kleinteiligen Strukturen erstarren lässt?
Weil diese Probleme bereits bekannt sind und damit am Aktienmarkt weitgehend eingepreist sein dürften. Der Index der Mailänder Börse hat sich seit 2007 annähernd gedrittelt, das geglättete durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis der vergangenen zehn Jahre (Shiller-KGV) liegt bei circa neun (bei US Titeln liegt dieser Wert bei circa 23) und die italienischen Aktien notieren nur noch zum 0,7-Fachen ihres Buchwerts. Vor allem aber traut fast niemand dem Land eine Wende zum Guten zu.
Die günstige Bewertung in Verbindung mit dem sehr negativen Stimmungsbild ist der ideale Nährboden für ein erfolgreiches Investment, denn es gibt viel Raum für positive Überraschungen. Es gibt aber auch fundamentale Gründe, die für Italien sprechen. So weist der Staatshaushalt vor Zinsausgaben einen Überschuss aus, was dazu führt, dass selbst ein bescheidenes nominales Wachstum bereits zu einer rückläufigen Schuldenquote führen würde. Im Gegensatz zu Spanien ist der private Sektor Italiens nur sehr gering verschuldet, sodass der private Verbrauch positive Wachstumsimpulse liefern kann. Eine Deregulierung des Arbeitsmarkts und die Bildung größerer Unternehmenseinheiten würden bereits deutliche Fortschritte bei der Produktivität bewirken und die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.
Zudem hat die italienische Wirtschaft viele kreative Unternehmer aus sehr verschiedenen Branchen, die — mit mehr Bewegungsfreiheit — Wachstum erzeugen könnten. Und daher hat der Ausgang der Protestwahl vielleicht doch sein Gutes, könnte er doch der Katalysator für ein Aufbrechen der alten, starren Strukturen Italiens sein.
Ihr bestes Investment? Neben der Mitgründung der Reich, Doeker & Kollegen AG der Kauf von Gold im Jahr 2002.
Ihr schlechtestes Investment? Bankaktien seit 2007, die sich seither geviertelt haben.
Die Kolumne "Ich kaufe jetzt" beziehungsweise "Ich verkaufe jetzt" erscheint regelmäßig in €uro am Sonntag. Die Redaktion befragt dabei Börsenprofis aus verschiedenen Bereichen.