Euro am Sonntag-Interview

TV-Moderator Joko Winterscheidt: "Investiere aus dem Bauch heraus"

08.08.16 11:17 Uhr

TV-Moderator Joko Winterscheidt: "Investiere aus dem Bauch heraus" | finanzen.net

Der TV-Moderator erklärt, was Investoren mitbringen müssen, warum er an ­Altersvorsorge denkt und mit welchem Staranleger er gern mal eine Flasche Wein trinken möchte.

von Renato Leo, Euro am Sonntag

Eine Industriehalle an einem Hochsommerabend in Berlin-Kreuzberg. Seit drei Stunden posiert Joko Winterscheidt vor der Kamera des Starfotografen Paul Ripke. Jedes Motiv ein anderes Paar Socken. Die Socken gehören dem jungen Mode­label von Jungfeld, das wiederum zum Teil Winterscheidt gehört. Heimlich, dafür so gar nicht still und leise, hat sich der "Circus Halligalli"-Moderator innerhalb kürzester Zeit in verschiedene Start-ups eingekauft.

€uro am Sonntag: Herr Winterscheidt, lassen Sie uns kurz zusammenzählen: In den vergangenen zwölf Monaten haben Sie mehrere neue Samstagabendshows an den Start gebracht, in einem Kinofilm mitgespielt und sind als Investor in diverse Start-ups eingestiegen. Eines davon ist das Sockenlabel von Jungfeld, für das Sie die neue Kollektion "von Jungfeld - von Joko" entworfen haben. Fühlen Sie sich in Ihrem Hauptberuf nicht mehr ausgelastet?
Joko Winterscheidt: Und ob. Ich merke ja auch selbst, dass ich aufpassen muss. Bei allem Spaß, den ich daran habe, als TV-Moderator aktiv zu sein, in einem Kinofilm mitzuspielen oder als Investor in Start-ups zu investieren: Ich möchte tunlichst vermeiden, dass die Leute irgendwann keine Lust mehr auf mich haben, weil ich so omnipräsent bin, dass ich ihnen auf den Sack gehe. Mein Problem ist, dass ich einfach schwer Nein sagen kann, wenn ich Bock auf etwas habe.

Von Jungfeld ging im Mai 2015 in der Start-up-Show "Die Höhle der Löwen" leer aus. Keiner der "Löwen" war gewillt, eine Million Euro für eine 15-prozentige Be­teiligung an dem Unternehmen ­hin­zulegen - erst recht nicht bei ­einem Jahresumsatz von nur 60 000 Euro. Wenig später stiegen Sie bei von Jungfeld ein. Wie kam es dazu?
Zugegeben, rückblickend wirkt das ein bisschen komisch. Um das an dieser Stelle mal aufzuklären: Wir waren bereits vor der "Höhle der ­Löwen" ein Team, hatten dies aber noch nicht kommuniziert. Ich kam acht Wochen vor der Aufzeichnung an Bord, da waren die Verträge mit der Produktion schon unter Dach und Fach. Also sagten wir uns, was soll’s, geht da hin und zieht euer Ding durch. Wenn’s gut geht, prima, wenn nicht, auch gut. There is no bad PR!

Welches Ihrer Investments wirtschaftet bereits profitabel?
Keines der Start-ups, in die ich bisher investiert habe, schreibt bislang schwarze Zahlen. Die einzige Beteiligung, die de facto Gewinn abwirft, ist die Florida TV Produktionsgesellschaft, an der Klaas und ich beteiligt sind. Der Rest ist defizitär. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass es noch eine Weile dauern kann, bis hier etwas rumkommt. Es ist auch der Glaube an die Gründer, der mich investieren lässt.

Wie investieren Sie?
Es gibt Beteiligungen, bei denen ich nur die Aufmerksamkeit, die mir ­zuteilwird, auf das jeweilige Unternehmen lenke. Dafür bekomme ich dann Anteile. In den meisten Fällen investiere ich aber auch Geld, um meine Absichten zu untermauern und nicht nur risikolos hier und da mitzumischen. Ich möchte den Unternehmen damit zeigen: Ich glaube an eure Idee, und deshalb gebe ich euch neben der Aufmerksamkeit, die ich generieren kann, auch Geld.

Was hat Sie an den Von-Jungfeld-­Gründern überzeugt?
Ich fand schlicht das Produkt, das Konzept und nicht zuletzt das Team stimmig. Ich habe einfach einen ­tierischen Spaß, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die für ihre Idee brennen und bereit sind, 100 Prozent zu geben.

Wie hoch ist Ihr Anteil an von Jungfeld?
Das splittet sich ein bisschen auf. In von Jungfeld habe ich mit meiner Beteiligungsgesellschaft PeJay investiert, die ich mit meinem Agenten Peter Olsson gegründet habe. Über die genauen Verteilungen sprechen wir nicht, es ist einfach unser gemeinsames Ding.

Wie stehen denn die Umsatz­prognosen bei von Jungfeld für das laufende Jahr?
Für das Jahr 2016 streben wir einen Umsatz von über einer Million Euro an. Wie viele Gründerideen landen bei Ihnen wöchentlich auf dem Tisch? Viele, da betreibe ich ein wenig Cherry-Picking. Meine Zeit ist begrenzt, und ich kann nicht allen ­Anwärtern meine Aufmerksamkeit schenken.

Was ist eigentlich aus Ihrem eigenen Modelabel German Garment ge­worden, das sie vor sieben Jahren mit Ihrem Kumpel Matthias Schweighöfer gegründet haben?
German Garment befindet sich momentan in einem Dornröschenschlaf. Wir haben mit German Garment noch einen Schuss im Lauf, wenn der nicht ins Schwarze trifft, ist Feierabend. Es ist mein großer Ehrgeiz, mit German Garment doch noch Erfolg zu haben.

Was wollen Sie beim Relaunch von German Garment denn besser machen?
Rückblickend muss man sagen, dass Matthias und ich sehr blauäugig in einen Markt eingestiegen sind, der von Konzernen beherrscht wird. Und dann kommen da so ein Schauspieler und ein Moderator daher und meinen, mit null Know-how den Großen Paroli bieten zu können. Wir hatten wirklich keine Ahnung vom Modemarkt, und so ein Label nebenher zu betreiben, machte auch wenig Sinn. Aus diesen Fehlern habe ich gelernt. Heute weiß ich, dass man entweder Vollgas gibt oder es besser bleiben lässt.

Auch beim ehemals gehypten ­Concierge-Dienst GoButler lief es zuletzt alles andere als rund. Dabei ­expandierte das Unternehmen anfangs in Rekordgeschwindigkeit. Nur wenige Monate später stellte sich heraus, dass der Concierge-Service per SMS nicht funktionierte. Ein Jahr später ist der Dienst komplett eingestampft, Mitarbeiter wurden wieder entlassen. Woran ist GoButler Ihrer Meinung nach ­gescheitert?
Ich würde GoButler nicht als gescheitert betrachten. Manchmal muss man Dinge einfach machen, um sie zu verstehen. GoButler ist in die USA gegangen, weil man dort einfach die besseren Perspektiven für einen Concierge-Service sah. Nach einer gewissen Zeit merkte man, dass das Konzept noch nicht ganz ausgereift war, und entschied sich, es anzupassen.

Das Unternehmen nennt sich jetzt Angel.ai, sitzt in New York und macht nun Spracherkennung.
Ich rechne es dem GoButler-Gründer Navid Hadzaad hoch an, dass er nicht die Flinte ins Korn geworfen hat. Er möchte sein Baby noch immer zum Erfolg führen. Er sieht sich auch den Investoren gegenüber in der Pflicht, das bin nicht nur ich, sondern auch andere, die wirklich Big Player in dem Geschäft sind.

Glauben Sie noch an einen Erfolg?
Solange Navid mit seinem Team weitermacht, glaube ich nach wie vor an den Erfolg des modifizierten Konzepts. Ich mag es, wenn jemand einfach mal versucht, seine Idee in die Tat umzusetzen, anstatt nur herumzulabern und sich eines Tages zu denken: Hätte ich mal ... Ganz Deutschland wartet seit einer gefühlten Ewigkeit auf das nächste Wirtschaftswunder, das kann aber nur kommen, wenn es Menschen gibt, die auch mal was riskieren.

Sie hätten damals ja auch Redakteur blieben können, statt den Weg vor die Kamera zu wagen.
Eben! Es hat mir durchaus Spaß gemacht, Beiträge zu erstellen, aber irgendwann dachte ich mir, dass es das noch nicht gewesen sein kann. Hätte ich diesen Schritt nicht gewagt, säße ich heute nicht hier und würde über diese Dinge reden. Es gibt in Deutschland noch zu viele Menschen, die zwar erfolgreich sein wollen, aber das Risiko scheuen, weil sie Angst vor dem Versagen haben. Aber am Ende ist derjenige, der mal versagt hat, auch derjenige, der mal etwas versucht hat.

Gibt es etwas, was Sie grundlegend von anderen Profi-Investoren ­unterscheidet?
Ich bin in den vergangenen zwei Jahren etlichen hauptberuflichen Investoren begegnet, die extrem geld­orientiert arbeiten. Die machen ihre Investments am nackten Zahlenwerk fest. So bin ich nicht. Ich investiere aus dem Bauch heraus. Ich lege mehr Wert auf das Engagement der Gründer als auf Bilanzen - auch wenn ich dafür von meinen Partnern oft einen Anpfiff kassiere. Es ist doch so: Zur Erstellung eines vernünftigen Businessplans kann man Profis hinzuziehen, solange das Team mit Eifer seinen Job macht. Weder von Jungfeld noch GoButler sind für mich, wie es so schön heißt, "Exit-Modelle", die meinen Einsatz schnell vermehren sollen.

Sondern?
Solche Beteiligungen sehe ich als ­Investition in die Zukunft, als Teil meiner Altersvorsorge. Wer weiß, wie lange ich in meinem Hauptberuf als Moderator noch erfolgreich sein werde? Es gibt genügend Beispiele, die beweisen, dass der Ofen auch ganz schnell wieder aus sein kann. Für diesen Fall möchte ich mich absichern und hoffe, dass ich dann die Früchte meiner Investitionen ernten kann, wenn ich’s mal nötig haben sollte.

Von welchen Menschen wurden Sie beruflich gefördert?
Da gibt es einige. Ich habe Tim Mälzer viel zu verdanken, weil er mich als Redakteur seiner damaligen Kochsendung "Schmeckt nicht, gibt’s nicht" sehr protegiert hat. Er motivierte mich dazu, auch mal unkonventionelle Ideen in die Show mit einfließen zu lassen. Auch mein damaliger Chef bei MME, Jörg Hoppe, der mich in die Entwicklungsabteilung holte, glaubte sehr an mich. Auch wenn nie eines meiner Konzepte realisiert wurde, ließ er mich einfach machen. Dieses Vertrauen möchte ich heute an andere Menschen, die machen wollen, zurückzahlen.

Was sollten Gründer mitbringen, damit Sie in deren Firma investieren?
Eine gute Flasche Wein und ein überzeugendes Geschäftskonzept. Bestenfalls auch gleich den Vertrag, den ich nach der Flasche Wein betrunken unterschreiben kann (lacht). Ich bin kein Businessplan-­Freak, der an jeder Position herum­mäkelt. Generell gilt: Ein Geschäftsmodell muss auch ohne mich funktionieren. Ich mache niemandem falsche Hoffnungen, aber vielleicht lässt sich durch meinen Einstieg die Gewinnschwelle schneller erreichen, weil ich neben meinem Investment auch den Bekanntheitsgrad des Unternehmens steigern kann.

Mit welchem Starinvestor würden Sie gern eine Flasche Wein köpfen?
Da kommt mir spontan der Musiker Dieter Maier von Yello in den Sinn. Er ist Künstler, Gastronom und Winzer - und eine Rinderfarm hat er auch noch. Das ist ein interessanter Typ, der eine Story hat. Bei ihm habe ich das Gefühl, er macht das, worauf er Lust hat, und das funktioniert dann auch noch. Aber auch die Samwers sind Jungs, die mich auf eine Art faszinieren. Ich würde gern mal mit den Samwer-Brüdern eine gute Flasche Wein leeren. In welcher Geschwindigkeit sie ihr Imperium aufgebaut haben ... Über die Methoden lässt sich vielleicht streiten.

Lange Zeit galten Sie als die Rookies der neuen Moderatorengeneration. Mittlerweile gehören Sie quasi zum Show-Establishment. Wo ist der Nachwuchs hin, der die nächste ­Medienrevolution im TV einleiten will? Oder tummeln sich all die ­Talente heutzutage lieber auf YouTube?
YouTuber funktionieren oft nicht in den klassischen Medien. Wenn man nur Longboard fahren oder sich gut schminken kann, aber sonst nichts auf dem Kasten hat, ist das einfach zu wenig fürs Fernsehen. Das mag vielleicht für ein 30-Sekunden-Video reichen. Im Fernsehen geht es allerdings darum, seine Zuschauer über 30 Minuten und länger bei der Stange halten zu können. Ich schaue mir gelegentlich auf YouTube die ­Videos deutscher YouTube-Stars an, um mich auf dem Laufenden zu ­halten. Die wenigsten von denen können mich unterhalten, obwohl die in ihrem Universum megaerfolgreich sind.

Wie steht Ihr "Circus Halligalli"-­Partner Klaas Heufer-Umlauf zu ­Ihrem Faible für Investments, ­Start-ups und Wirtschaft im ­Allgemeinen?
Klaas belächelt mich immer dafür, wenn er sich am Flughafen die "Süddeutsche" einsteckt und ich mir ein Wirtschaftsmagazin greife. Aber ja, ich stehe dazu, dass ich mich gern mit Wirtschaft befasse. Es ist ja auch immer die Frage, was jeder mit seiner Freizeit anstellt. Klaas befasst sich nebenher einfach gern mit Musik und steckt genauso viel Herzblut in seine Band Gloria wie ich in meine Unternehmen und Start-ups. Ich kann halt kein Instrument spielen und auch nicht singen.

Kurzvita

Joko Winterscheidt
ging erstmals 2009 mit Klaas Heufer-Umlauf auf Sendung. Nach Stationen bei MTV und ZDF Neo sorgt das Moderatorenduo seit 2013 beim Fernsehsender ProSieben für hohe Einschaltquoten und Fernsehpreise. Für ihre Show""Circus Halligalli" wurden die Wahl­berliner mit dem Echo und dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Joko Winterscheidt wurde 1979 in Mönchengladbach ­geboren. Neben seiner Fernsehkarriere sorgt Winterscheidt auch als Schauspieler und ­Investor in Start-ups immer wieder für Aufsehen.

Bildquellen: von Jungfeld/Paul Ripke