OSRAM-Chef Berlien: "Bald leuchten wir den Petersdom aus"
Olaf Berlien, der Chef von OSRAM, über den Umbau des Lichtspezialisten, den Ausbau der Kapazitäten hierzulande und völlig neue Geschäftschancen.
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von Gerhard Bläske, €uro am Sonntag
Aus dem Büro ganz oben im 84 Meter hohen Skyline Tower des berühmten Architekten Helmut Jahn kann Olaf Berlien weit in die Berge des Chiemgaus blicken. Doch am Tag des Interviews, einem grauen Februar-Tag, ist nur die nächste Umgebung des Wolkenkratzers im Münchner Norden zu sehen.
€uro am Sonntag: Herr Berlien, vorbehaltlich der Zustimmung durch die SPD-Basis haben wir eine neue Bundesregierung. Wie beurteilen Sie die Vereinbarungen?
Olaf Berlien: Das ist eine Allianz des Stillstands. Was mich persönlich am meisten beschäftigt, ist, dass nicht genug für den Ausbau der Digitalisierung passiert. Selbst im Umfeld von Großstädten wie Düsseldorf reicht die Kapazität oft gerade mal für E-Mails. Die Basis eines modernen Deutschland ist der schnelle Austausch von Daten.
Sie selbst haben OSRAM seit Ihrem Amtsantritt 2015 kräftig durcheinandergewirbelt. Ist der Konzern schon da, wo er sein soll?
Wir haben 80 Prozent der Wegstrecke hinter uns. Die Trennung von unseren Wurzeln, dem Lampengeschäft, ist uns extrem schwergefallen. Aber es gab keine Alternative dazu. Das war eine mutige Entscheidung, denn wir haben dadurch 40 Prozent unseres Umsatzes verloren und innerhalb von zwölf Monaten jede Abteilung in 52 Ländern praktisch in der Mitte durchgeschnitten. Wir waren da sehr radikal und haben alle IT-Systeme abgeschaltet und fast eine Woche nicht mehr produziert. Erst als alles überspielt war und wieder stand, haben wir alles hochlaufen lassen.
Warum gab es keine Alternative?
Weil die Gefahr bestand, sonst so zu enden wie einst Kodak, die zu spät auf den Wandel reagiert hatten.
Siemens-Chef Joe Kaeser, der damals noch Ihr Großaktionär war, lehnte den Verkauf ab! Wir im Vorstand haben diese Strategie eng mit dem Aufsichtsrat abgestimmt und der hat zugestimmt.
Die Entwicklung hat Ihnen recht gegeben?
Unser Bruttobetriebsergebnis (Ebitda) ist seit 2015 von zehn auf 17 Prozent gestiegen. Und wir haben Wert geschaffen. Der Börsenwert von OSRAM ist von vier auf sieben Milliarden Euro gestiegen.
Woher kommt Ihr Wachstum?
Wir konzentrieren uns auf Produkte mit Zukunft, LED-Lösungen vor allem. Da geht es nicht nur um sichtbares Licht, sondern auch um nicht sichtbares.
Können Sie das erklären?
Das sind Anwendungen im Auto wie die Gestensteuerung, Regensensoren, Spurhalteassistenten oder elektronische Einparkhilfen. Oder eine Innenbeleuchtung, die Büros und Wohnräume in ein warmes Licht taucht. Auch Infrarot-Anwendungen im Handy gehören dazu. Für einen großen asiatischen Anbieter haben wir exklusiv eine Entsperrung über Iris-Erkennung eingebaut. Individueller und sicherer geht es nicht. In fünf Jahren wird jedes Handy eine Gesichts- und eine Iris-Erkennung haben. Und bald kommt das Bio-Monitoring. Dank unserer Chips können Sie im Supermarkt Lebensmittel analysieren und testen, ob eine Melone reif ist oder nicht. Oder hoffentlich bald den Zuckergehalt in Ihrem Blut messen.
Was hat Sie so sicher gemacht, voll auf das Komponentengeschäft mit LED-Chips zu setzen?
Wir haben uns mit dem Aufsichtsrat die Wertschöpfungskette des Lichts angeschaut. Der Upstream-Markt, also etwa die LED-Chips, ist mit einem Volumen von 40 Milliarden Euro ungefähr halb so groß wie der Downstream-Markt, also LED-Birnen oder Lampen. Aber: Unser Marktanteil war bei den Lampen sehr gering und wir hatten eher Me-too-Produkte im Angebot. Deshalb haben wir das verkauft. In dem anderen Segment sind wir Nummer 2 und ein sehr starker Player im Markt. Dass sich der Markt für unsichtbares Licht so schnell und so stark entwickeln würde, das konnten wir nicht voraussehen.
Sie haben drei Geschäftsfelder: Automobile, LED und Leuchten. Hier haben Sie auch im ersten Quartal Ihres Geschäftsjahres 2017/18 (30.9.) Geld verloren. Planen Sie einen Verkauf des Leuchtengeschäfts?
Die Entscheidung fällt spätestens bis Ende September. Wir prüfen alle Optionen - ergebnisoffen. Entweder wir bringen das Geschäft in Ordnung und sanieren es, oder wir bringen es in ein Joint Venture ein. Auch ein Verkauf ist eine Möglichkeit. Wir machen uns diese Entscheidung nicht leicht. Schließlich haben wir im Segment LSS 5.000 Mitarbeiter. Wir nehmen uns Zeit und Ruhe und stimmen uns eng mit dem Aufsichtsrat ab.
Seit dem Ausstieg von Siemens haben Sie keinen Ankeraktionär mehr. Ist das gut oder schlecht?
Per se ist es gut, wenn man einen Ankeraktionär hat. Ein solcher Anteilseigner muss sich aber auch langfristig zu seinem Engagement bekennen. Ich würde es begrüßen, einen langfristigen Aktionär zu haben.
Fürchten Sie, dass ein aktivistischer Anteilseigner für Unruhe sorgt?
Wir kümmern uns aktiv um kritische Themen. Mit dem Vermögen unserer Aktionäre gehen wir verantwortungsvoll um. Wir lassen uns auch nicht unter Druck setzen. Wir haben bisher gemacht, was wir gesagt haben. Und so halten wir es weiter. Die Entwicklung des Aktienkurses gibt uns recht.
Welche Dividendenpolitik verfolgen Sie?
OSRAM ist eher ein Wachstums- als ein Dividendenpapier. Mit einer Ausschüttungsquote von durchschnittlich 30 bis 50 Prozent bewegen wir uns aber im guten Durchschnitt. Statt hoher Dividenden reinvestieren wir lieber. Unsere Forschungs- und Entwicklungsquote liegt bei 9,5 Prozent und wir setzen auf Innovationen. Einige Analysten sehen ein Kursziel von rund 100 (aktuell rund 67,90) Euro. Da ist also noch Luft drin.
Wie forschen Sie? Haben Sie dazu einen zentralen Verbund im Unternehmen?
Die Geschäftsfelder betreiben Forschung auf ihrem eigenen Gebiet und gehen dazu auch Kooperationen ein. Wir haben aber auch eine zentrale Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die völlig neue Felder absucht, Projekte startet oder sie gestellt bekommt.
Beteiligen Sie sich an Start-ups?
Wir haben eine eigene Venture-Capital-Gesellschaft außerhalb von OSRAM, die Fluxunit GmbH: Sie beteiligt sich ausschließlich an Start-ups, in der Regel mit fünf bis 15 Prozent. So sind wir an dem Münchner Start-up Agrilution im Bereich Horticulture beteiligt. Dieser Bereich wird die Menschheit wegen der Veränderungen der Umwelt in den nächsten Jahren stark beschäftigen. Wir entwickeln intelligente Treibhäuser zur Produktion von Gemüse, Kräutern und anderen Lebensmitteln. Über Licht, Temperatur und Luftfeuchtigkeit können wir auf den Zeitpunkt genau Gemüse erzeugen und sogar den Geschmack bestimmen.
Wie konkret ist das?
Sehr. Bei München planen wir ein Gewächshaus, aus dem ein Supermarkt beliefert werden soll. In einigen Jahren können Sie so etwas auch zu Hause haben und per iPad oder iPhone steuern.
Ist das wirklich ein Geschäftsmodell?
Ja, in Kanada und in den USA wird das gerade beim Anbau von legalisiertem Marihuana erprobt. Das ist ein guter Test, denn bei einem so verhältnismäßig teuren Produkt kann man sich in der Anfangsphase einen gewissen Schwund erlauben. Aber wenn Sie überlegen, dass auf dem Weg vom Feld zum Supermarkt bis zu 40 Prozent des Gemüses verloren gehen, dann hat dieses Konzept schon Zukunft. Es kommt hinzu: Sie brauchen weder Düngemittel noch Pestizide. Auch Menschen dürfen da nicht rein. Die bringen Verunreinigungen hinein. Selbst die Ernte kann automatisiert erfolgen.
In Malaysia haben Sie 2017 ein neues Werk zur Produktion von LED-Chips gebaut. In drei Stufen wollen Sie eine Milliarde Euro investieren. Wie läuft es?
Sehr gut. Wir haben bisher in der ersten Stufe 370 Millionen Euro investiert und wollen die Kapazität nun sukzessive hochfahren.
Ziehen Sie die zweite Ausbaustufe des Werks vor?
Nein. Bereits während des Hochlaufs der ersten Stufe in Malaysia haben wir in Regensburg neue Kapazitäten geschaffen, weil wir dringend weitere Kapazitäten brauchten. Durch die Explosion der Nachfrage nach Anwendungen für nicht- sichtbares Licht kommen wir mit der Produktion nicht nach und haben teilweise Lieferengpässe. Gleichzeitig mussten wir unsere Packaging-Kapazität in China ausbauen. Die Entscheidung für eine weitere Stufe in Malaysia fällt im Sommer oder spätestens im Herbst.
Ist der Ausbau in Regensburg als Bekenntnis zum Standort Deutschland zu verstehen?
Ja. Ich glaube an den Standort, an die deutsche Ingenieurskunst und an die Produktivität der deutschen Beschäftigten. Mit intelligenten Arbeitszeiten und hoher Produktivität können wir eine Hightech-Produktion hierzulande auch künftig sicherstellen.
Deutsche Standorte haben also eine Zukunft?
Ja, deshalb bauen wir unseren Standort in Schwabmünchen bei Augsburg um. Dort fertigten wir bis dato Glühdrähte. Wir müssten das Werk in den nächsten Jahren schließen, weil die Technologie ausläuft. Stattdessen planen wir, hier einen Reinraum zu bauen für einige unserer Zukunftsthemen.
Haben Sie denn bei Ihren Planungen keine Auslandsstandorte geprüft?
Doch. Wir haben viele Standorte im In- und Ausland geprüft. Trotz niedrigerer Löhne in einigen Ländern haben wir uns für Schwabmünchen entschieden: wegen der Nähe zu Regensburg, wegen des Know-hows hierzulande bei bestimmten Materialien und wegen der Produktivität.
Wie viel investieren Sie?
Wir verhandeln gerade mit den Arbeitnehmervertretern unter anderem über ein künftiges Schichtmodell, damit sich das rechnet. In einer ersten Stufe planen wir einen zweistelligen Millionenbetrag zu investieren und schaffen neue Stellen. Je nachdem, wie sich der Markt entwickelt, kommt noch etwas dazu.
Welche Geschäftsentwicklung erwarten Sie im Geschäftsjahr 2017/2018?
Wir gehen von einem bereinigten Ebitda von 700 Millionen Euro bei einem Dollar-Euro-Wechselkurs von 1,18 aus. Der weltweite Automarkt entwickelt sich trotz einer leichten Abschwächung in China stabil. OSRAM wird bis November noch vereinzelte Kapazitätsengpässe bei Anwendungen für die Infrarot-Technik haben. Etwas Sorgen mache ich mir über die Entwicklung der Baukonjunktur, die wegen der steigenden Zinsen vor allem in Nordamerika schwächelt. Ansonsten betrifft uns, wie schon gesagt, die Wechselkursentwicklung mit dem schwachen Dollar - aber das hat nichts mit unserer operativen Stärke zu tun.
Insgesamt also alles richtig gemacht?
Hätten wir uns vor drei Jahren für die Beibehaltung des Leuchtengeschäfts entschieden, stünden wir heute sicher anders da. Unsere Konkurrenten von damals sind teilweise in schwerem Fahrwasser. Insofern bin ich sehr froh.
Sie erleuchten auch den Vatikan, nämlich den Petersplatz und die Sixtinische Kapelle. Sichert Ihnen das einen Platz im Himmel?
Zunächst nur einen Platz im Vatikan. Demnächst leuchten wir auch den Petersdom aus. Die Planung der neuen LED-Beleuchtung für die größte Kirche der Welt befindet sich in den letzten Zügen. Die Lichtberechnungen und -simulationen sind bereits erfolgreich abgeschlossen. 700 maßgeschneiderte Leuchten mit insgesamt mehr als 100.000 lichtstarken Leuchtdioden aus Regensburg lassen diesen großartigen Bau in nie gekanntem Glanz erstrahlen. Dazu kommt noch die Beleuchtung einzelner Kunstwerke und Statuen. Bei den Tests vor Ort zeigte sich, dass die Kuppeln nun zehnmal heller erstrahlen als bisher. Das Projekt wird bis Weihnachten abgeschlossen.
Vita:
Das Stehaufmännchen
Dass Olaf Berlien heute so erfolgreich dasteht, hätte vor zwei Jahren kaum jemand gedacht. Damals kritisierte Siemens-Chef Joe Kaeser den Verkauf von OSRAMs traditioneller Lampensparte und verweigerte Berlien auf der Hauptversammlung die Entlastung. Berlien hat sich stattdessen voll auf die Leuchtdiodenfertigung konzentriert und ein neues Werk in Malaysia gebaut. Die Rentabilität hat sich seither ebenso stark verbessert wie der Unternehmenswert. Aber Berlien (55), der seine Karriere nach BWL-Studium und anschließender Promotion bei IBM gestartet hatte und danach für Buderus und Carl Zeiss arbeitete, hat schon Schlimmeres erlebt. Bei Thyssenkrupp wurde er 2012 geschasst. Er kam wieder.
Die Aktie:
Für die Zukunft gerüstet
Der Gewinn von OSRAM ist im ersten Quartal des seit Oktober laufenden Geschäftsjahres leicht gesunken, der Umsatz gestiegen. Im neuen Geschäftsjahr will OSRAM einen bereinigten operativen Gewinn von 700 Millionen Euro erwirtschaften. Entscheidend: OSRAM investiert weiter in die Zukunft. Das sollte sich auszahlen. Die Aktie (ISIN: DE 000 LED 400 0) ist ein Kauf.
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Der Hebel muss zwischen 2 und 20 liegen
Name | Hebel | KO | Emittent |
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Bildquellen: Christian Höhn/Osram GmbH, OSRAM
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04.05.2021 | OSRAM Verkaufen | Independent Research GmbH | |
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16.02.2021 | OSRAM Verkaufen | Norddeutsche Landesbank (Nord/LB) | |
10.02.2021 | OSRAM kaufen | Independent Research GmbH | |
29.01.2021 | OSRAM kaufen | Independent Research GmbH |
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10.02.2021 | OSRAM kaufen | Independent Research GmbH | |
29.01.2021 | OSRAM kaufen | Independent Research GmbH | |
26.11.2020 | OSRAM kaufen | Independent Research GmbH | |
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04.03.2021 | OSRAM Halten | Independent Research GmbH | |
23.09.2020 | OSRAM Hold | Kepler Cheuvreux | |
30.07.2020 | OSRAM Neutral | UBS AG | |
29.07.2020 | OSRAM Hold | Kepler Cheuvreux | |
29.07.2020 | OSRAM Halten | Independent Research GmbH |
Datum | Rating | Analyst | |
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04.05.2021 | OSRAM Verkaufen | Independent Research GmbH | |
16.02.2021 | OSRAM Verkaufen | Norddeutsche Landesbank (Nord/LB) | |
17.09.2020 | OSRAM Verkaufen | Independent Research GmbH | |
02.09.2020 | OSRAM Verkaufen | Norddeutsche Landesbank (Nord/LB) | |
30.07.2020 | OSRAM Verkaufen | DZ BANK |
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