Euro am Sonntag-Interview

Mobileye-Mitgründer: Vom Professor zum Milliardär

20.03.17 13:16 Uhr

Mobileye-Mitgründer: Vom Professor zum Milliardär | finanzen.net

Amnon Shashua hat Mobileye mitgegründet. Die Firma entwickelt Technologien, die das intelligente Auge selbstfahrender Autos sind. Nun will Intel das Start-up für 15,3 Milliarden Dollar kaufen.

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von Sabine Gusbeth, €uro am Sonntag

Wir wollten schon immer die Welt verändern - nun haben wir bessere Möglichkeiten, das zu erreichen", schrieben die beiden Mobileye-Gründer Amnon Shashua und Ziv Aviram am Montag ihren Mitarbeitern. Gerade war bekannt geworden, dass der US-Chipriese Intel die 700-Mann-Firma aus Jerusalem für 15,3 Milliarden US-Dollar kaufen will. Shashua und Aviram sollen künftig die Intel-Tochter Automated Driving Group (ADG) leiten, die auf die Entwicklung von Technologien für autonomes Fahren spezialisiert ist.



Intel-Chef Brian Krzanich kommt ins Schwärmen, wenn er über Mobil­eye spricht: Durch die geplante Übernahme des israelischen Start-ups bringe Intel "die intelligenten Augen eines selbstfahrenden Autos und das intelligente Gehirn, das das Auto fährt, zusammen". In einer Mitteilung an die Mitarbeiter erklärt Krzanich auch, warum ihm Mobileye und die Zukunftstechnologie autonomes Fahren so viel wert sind: "Die Antwort lautet DATEN." Warum Mobileye der Schlüssel zu diesem Datenschatz ist, darüber hat €uro am Sonntag mit Amnon Sha­shua auf der Digitalkonferenz DLD des Burda-Verlages im Januar in München gesprochen.

€uro am Sonntag: Professor Shashua, was macht Mobileye so besonders?
Amnon Shashua: Künstliche Intelligenz ist die Zukunft. Und das Auto ist die ideale Plattform dafür. Aus diesem Grund ist das ganze Silicon Valley heiß auf das Thema autonomes Fahren. Und Mobileye ist das entscheidende Bindeglied zwischen Auto und künstlicher Intelligenz.

Das müssen Sie erklären.
Wir haben eine intelligente Technologie entwickelt, mit der Daten weiterverarbeitet werden, die beim ­Autofahren gesammelt werden. Wir schaffen ein Umgebungsmodell, das uns sagt: Wo sind die anderen Verkehrsteilnehmer, Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer? Wie bewegen sie sich? Was haben sie vor? Wo sind die Fahrwege, Ampeln, Verkehrsschilder, Bordsteine? Um das alles zu interpretieren, benötigt man eine beträchtliche Leistung an maschinellem Lernen, also künstlicher Intel­ligenz. Wir Menschen brauchen schließlich auch Fahrstunden, um unsere Sinne für den Straßenverkehr zu trainieren.

Können Sie genauer beschreiben, was Mobileye macht?
Unser Know-how besteht aus drei Faktoren: Sensoren, die das Gesichtsfeld interpretieren und Daten herausfiltern. Die Verarbeitung der Daten zu hochaktualisierten Karten. Und die Fähigkeit, die Daten dem Fahrzeug zu vermitteln, also künstliche Intelligenz im Kontext von autonomem Fahren. Unsere Technik ist beherrschbar und preiswert.

Auch der DAX-Konzern Continental arbeitet an dieser Technologie. Was können Sie besser als die?
Continental hat nur einen sehr geringen Marktanteil. Wir arbeiten mit 27 Autoherstellern zusammen, und bei der Mehrzahl sind wir der einzige Lieferant. Unser Marktanteil beträgt, je nach Bereich, zwischen 70 und 90 Prozent.

Welcher der 27 Autohersteller ist Ihrer Meinung nach am nächsten dran, ein selbstfahrendes Auto für den Massenmarkt zu entwickeln?
Da laufen viele Versuche parallel. Aber ich glaube, dass BMW am ernsthaftesten daran arbeitet, die notwendigen Ressourcen und Partnerschaften bereitzustellen, um dieses Ziel zu erreichen.

Mobileye kooperiert seit Juli 2016 mit BMW und dem US-Chipkonzern Intel.
Stimmt, wir wollen noch in diesem Jahr 40 selbstfahrende Autos zu Testzwecken auf die Straße bringen. Aber auch andere, die nicht Teil des Konsortiums sind, wie General Motors oder Ford, arbeiten am gleichen Ziel.

Was ist mit neuen Konkurrenten wie dem Start-up Faraday Future, das auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas ein selbstfahrendes Auto vorgestellt hat?
Ich denke, dass etablierte Autohersteller die größere Chance haben, ein autonomes Auto auf die Straße zu bringen, als Newcomer.

Bis vor Kurzem hat Mobileye auch mit Tesla kooperiert. Nach dem tödlichen Unfall eines Tesla-Fahrers, der mit Autopilot fuhr, hat Mobileye die Partnerschaft Ende vergangenen Jahres aufgekündigt.
Das war eine hässliche Scheidung.

Was war der Grund dafür? Ist Ihre Technologie noch nicht weit genug? Oder hat Tesla sie zu früh eingesetzt?
Wir haben bei unserem letzten Treffen vereinbart, dazu nichts mehr in der Öffentlichkeit zu sagen, und dabei bleiben wir.

Trotzdem gibt der Unfall den Kritikern Rückenwind, die das Fahren nicht Robotern überlassen wollen.
Lassen Sie mich eines klarstellen: Durch Roboterautos würden unsere Straßen sehr viel sicherer. In den USA gibt es 35.000 Verkehrstote pro Jahr. Wenn alle Autos autonom fahren würden, könnten wir diese Zahl auf 10.000 senken. Das klingt doch nach einer guten Idee, oder? Das Problem ist: Die Gesellschaft akzeptiert zwar, dass im Straßenverkehr Menschen von anderen Menschen getötet werden, aber nicht, dass sie von Robotern getötet werden. Wenn wir ehrlich sind, können Menschen auch von Airbags getötet werden. Wir als Gesellschaft müssen den Umgang mit Roboterautos lernen. Denn die Chancen für die Technologie dahinter sind unendlich.

BMW-Entwicklungschef Klaus Fröhlich hat das autonome Fahren als "Heiligen Gral" bezeichnet. Gilt das nur für die Autoindustrie?
Natürlich ist das Verkaufen von Autos und das Verkaufen von künstlich intelligenten Inhalten für Autos ein sehr, sehr mächtiges Geschäftsmodell. Aber Sie können die Technologie aus dem Autobereich auch vertikal migrieren und auf andere Bereiche übertragen.

Auf welche?
Sie können nicht nur den Fahrer ersetzen, sondern zum Beispiel auch Buchhalter, Rechtsanwälte, sogar Journalisten (grinst). Mobileye hat eine Künstliche-Intelligenz-Tech­nologie entwickelt, die beide Geschäftsmodelle bedienen kann. Die Techfirmen aus dem Silicon Valley sind doch nicht am autonomen Fahren interessiert, weil sie ihre Liebe zu Autos entdeckt haben. Sie sehen das Auto als Plattform.

Wäre nicht das Smartphone die geeignetere Plattform dafür? Schließlich tragen wir es immer bei uns, auch wenn wir nicht im Auto sind.
Aber es gibt einige Dinge, die das Smartphone nicht kann. Es hat nämlich keine Sensoren, keine Kameras ...

Wie bitte? Aber natürlich haben Smartphones Kameras.
Nein, weil Sie Ihr Smartphone in der Tasche haben. Da kann die beste Kamera nichts sehen. Außerdem ist die Computerleistung aufgrund der Größe doch sehr begrenzt. Auch der Batterieverbrauch und die Wärmeabstrahlung limitieren die Möglichkeiten. Was ein Smartphone leisten kann, ist beeindruckend. Aber es ist beschränkt gegenüber dem, was ein Auto leisten kann.

In dem Wettbewerb um das selbstfahrende Auto mischen deshalb auch die großen Techkonzerne wie Apple und Google mit. Wie können Sie da mithalten?
Viele ignorieren oder unterschätzen, dass autonomes Fahren ein Bereich ist, für den ein besonderes Know-how nötig ist. Das sieht man auch an Google und Apple. Sie haben doch groß angekündigt, dass sie selbstfahrende Autos bauen werden. Heute sind sie bescheidener. Wir sind jetzt 17 Jahre in diesem Geschäft und wir verstehen die Pro­bleme, die Widerstände und die Schwächen bei der Entwicklung. Und wir kennen Wege, wie man die Technologie optimiert.

Künstliche Intelligenz gilt als der Schlüssel zur Digitalisierung. ­Teilen Sie diese Einschätzung?
Ja, aber es liegt noch ein weiter Weg vor uns. Heute ist künstliche Intelligenz auf eng abgegrenzte Bereiche beschränkt wie zum Beispiel Muster- oder Spracherkennung. Aber wenn Sie Apples Spracherkennungssoftware Siri ausprobieren, ist das zwar nett, aber in seinen Möglichkeiten doch sehr begrenzt. Damit künstliche Intelligenz wirklich einen entscheidenden Einfluss auf die Automatisierung haben soll, brauchen wir ein viel breiteres Verständnis von künstlicher Intelligenz - und das bedeutet enorme Investitionen. Aber damit diese fließen, benötigen wir ein Geschäftsmodell. Was glauben Sie, warum Google die führende Roboterfirma Boston Dynamics zuerst gekauft und dann wieder verkauft hat? Sie wussten nicht, wie sie damit Geld verdienen sollen.

Was macht Mobileye besser als Apple und Google, die Giganten im Techgeschäft?
Wir verstehen von künstlicher Intelligenz genauso viel wie Google oder Apple. Aber wir wissen über Autos mehr als sie. Dass das keine Einbildung ist, sehen Sie daran, wie uns die Autohersteller behandeln. Wir arbeiten mit BMW nicht als Zulieferer zusammen, sondern als Partner. Und damit verdienen wir Geld. Es geht nicht nur darum, dass das Roboterauto durch künstliche Intelligenz weiß, was der Fahrer will. Es muss auch erkennen, dass manche Wünsche, etwa ein Überholmanöver, nicht erfüllbar sind, weil sonst ein Unfall passiert. Denn das ist die oberste Prämisse: Es dürfen keine Unfälle passieren.

Und aus ebendiesem Grund wird das autonome Fahren aller Voraussicht nach ein streng regulierter Bereich sein?
Ja, hier geht es um Sicherheit. Autonomes Fahren wird ähnlich stark reguliert werden wie Luftfahrt. Genau deshalb gibt es einen harten Wettbewerb darum, wer als Erster die Ziellinie erreicht und eine Plattform, einen Standard, für die gesamte Industrie setzt. Darum arbeiten wir auch mit so vielen Autobauern und Zulieferern zusammen. Diese Aufgabe ist so komplex und kostenintensiv, dass ein Erfolg nur durch Kooperation entstehen kann. Denn je eher wir eine kritische Masse für unsere Technik erreichen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie Teil des Standards wird.

Gefährden die protektionistischen Tendenzen nicht Ihren Plan, einen weltweiten Standard zu schaffen?
Nein, weil es um das Thema Sicherheit geht. Es macht keinen Sinn, wegen standardisierter Elemente in den Wettbewerb zu gehen. Das gäbe nur Chaos. Protektionismus spielt sich in anderen Bereichen ab.

In welchen?
Beim Thema Zugang zu Daten und Datenschutz. Ich kann mir vorstellen, dass in manchen Ländern einheimische Firmen besseren Zugang zu bestimmten Daten erhalten als ausländische Unternehmen. Aber die grundlegenden Standards und Technologien müssen identisch sein, weil man sonst das Leben von Menschen riskiert.

Ein deutscher Autoexperte hat Mobileye als das Google der realen Welt bezeichnet. Was sagen Sie dazu?
Wir wollen nicht Google von irgendwas sein, wir wollen Teil von etwas Sinnvollem sein. Wir leben in einer Zeit mit großen Umwälzungen, die jeden betreffen. Das gesamte Transportsystem wird sich ändern, das Design von Städten kann sich dadurch ändern. Wir wollen hier die Speerspitze sein, darauf arbeiten wir hin. Das Thema Fahrerassistenz macht eine Menge Sinn, etwa um Leben zu retten. Und autonomes Fahren hat noch eine viel weitreichendere Bedeutung, es ermöglicht uns, ein wichtiger Teil einer Revolution zu sein.

Kurzvita

Amnon Shashua ist Informatik- Professor an der renommierten Hebräischen Universität Jerusalem und einer der führenden Experten für künstliche Intelligenz. Der 56-Jährige ist der technologische Kopf hinter Mobileye. Die Firma hatte er 1999 gemeinsam mit Ziv Aviram gegründet. Das Kaufangebot des US-Chipkonzerns Intel macht Shashua zum Milliardär. Sobald die Übernahme vollzogen ist, sollen Shashua und Aviram die Intel-Tochter Automated Driving Group (ADG) leiten, die auf die Entwicklung von Technologien für autonomes Fahren spezialisiert ist.

Intelligentes Auge
Die israelische Firma Mobileye ist führend bei intelligenten Technologien, mit denen selbstfahrende Autos ihre Umwelt erkennen. Sie kooperiert mit fast allen wichtigen Autobauern. 2016 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von umgerechnet 335 Millionen Euro und einen Nettogewinn von 101 Millionen. Am Montag wurde bekannt, dass der US-Chipkonzern Intel die Firma für 15,3 Milliarden Dollar kaufen will. Der Aktienkurs von Mobileye, das seit 2014 im US-Technologie-Index Nasdaq gelistet wird, schoss daraufhin um 30 Prozent nach oben.

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Bildquellen: CC BY-NC 3.0 US/Ryan Lash for TEDConference/Flickr, Bosch

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20.04.2017Mobileye NeutralRobert W. Baird & Co. Incorporated
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23.12.2016Mobileye Market PerformBMO Capital Markets
01.12.2016Mobileye BuyNeedham & Company, LLC
20.09.2016Mobileye BuySunTrust
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