Florian Homm: Das war keine Flucht
Der Hedgefondsmanager Florian Homm war fünf Jahre abgetaucht. Jetzt meldet sich der einst wegen seines aggressiven Vorgehens gefürchtete Finanzprofi mit einer Autobiografie zurück und gibt sich lammfromm. Alles nur Fassade?
von Thomas Schmidtutz, Euro am Sonntag
Keine Namen am Telefon, ein geheimer Treffpunkt, dazu Bodyguards, Leibesvisitation und geschlossene Vorhänge im Hotelzimmer, damit mögliche Attentäter erst gar kein Ziel haben: Wenn Florian Homm nach fünf Jahren unvermittelt auftaucht, gelten ein paar Sicherheitshinweise, und die Umstände für ein Gespräch sind entsprechend abenteuerlich. Aber er geht lieber auf Nummer sicher.
Kein Wunder: Die US-Börsenaufsicht SEC fahndet seit gut zwei Jahren nach ihm, die Rockergruppe Hells Angels soll noch eine Rechnung mit ihm offen haben. Und bis vor ein paar Wochen war auch noch ein Kopfgeld von 1,5 Millionen Euro auf ihn ausgesetzt. €uro am Sonntag sprach mit Homm über sein Leben im Untergrund, seine gerade erschienene Autobiografie und den anstrengenden Weg vom Saulus zum Paulus.
€uro am Sonntag: Herr Homm, Sie sind im September 2007 Hals über
Kopf verschwunden. Jetzt melden Sie sich mit einer Autobiografie zurück. Was ist passiert: Haben Sie Ihr Eremitendasein satt?
Florian Homm: Ich habe in den vergangenen fünf Jahren meinen Augiasstall ausgemistet und bin mir darüber klar geworden, was ich mit meinem restlichen Leben anfangen will. Da ist ein Eremitendasein ja nicht so schlecht.
Auf viele wirkte Ihr plötzlicher Abgang damals eher wie eine Flucht?
Das war keine Flucht.
Sondern?
Natürlich musste man sich etwas Mühe geben, um mit mir in Kontakt zu treten. Aber ich war lokalisierbar. Ich war sehr häufig in Frankreich und als liberianischer Kulturattaché und UNESCO-Delegierter tätig. Ich war wie jeder akkreditierte Diplomat offiziell in Frankreich gemeldet. Meine offizielle Presserklärung vom September 2007 hat alle relevanten Kontaktdaten meines Anwalts aufgeführt. Ich war kontaktierbar.
Und nun tauchen Sie einfach so
wieder auf?
Ich musste viele Dinge mit mir klären. Zum Zeitpunkt meines Abgangs war ich im dritten Jahrzehnt der Geldvermehrung und hatte fest die Milliarde Euro im Visier. Ich habe geglaubt, dadurch würde ich das Glück finden, durch einen dritten, noch besseren Flieger, ein noch schnelleres Speedboot und ein noch größeres Haus. Aber dann musste ich mir eingestehen, dass die Jagd nach noch mehr Kohle und noch mehr Spielzeugen mir absolut nichts gebracht hat — außer einem persönlichen Desaster. Es war schrecklich, und ich war angewidert von mir selbst.
Aber was war der Auslöser, dass Sie sich jetzt wieder zurückmelden?
Es gab drei Beweggründe: die Lügen über meinen Abgang bei Absolute Capital Management Holding (ACMH), falsche Beschuldigungen durch die SEC und zuletzt dieses grauenhafte YouTube-Video …
… Sie meinen den Wildwest-Fahndungsaufruf eines Privatdetektivs auf YouTube, der 1,5 Millionen Euro Kopfgeld auf Sie ausgesetzt hat …
… und die grauenhafte Berichterstattung in der Presse dazu. Dadurch hat sich mein Bewegungsfreiraum weiter eingeschränkt. Das ist an sich nicht schlimm. Aber es wurden Familienmitglieder, enge Freunde und Bekannte schikaniert und bedroht. In eine meiner Wohnungen wurde eingebrochen, und es wurden ausschließlich Dokumente geklaut.
Was haben Sie gedacht, als Sie das Video zum ersten Mal gesehen haben?
Ich habe das Video offen gestanden noch nie gesehen.
Bitte?
Nein. Ich kenne natürlich den Inhalt durch Gespräche mit Leuten, die mir nahestehen. Aber es gibt ja schon ein paar Leute, die nicht so gut auf mich zu sprechen sind. Da ist man vorsichtiger — auch beim Surfen im Internet.
Der Privatdetektiv behauptet, Sie
in der Nähe von Caracas in Venezuela lokalisiert zu haben.
Na, ist doch toll. Jeder erstklassige Ermittler hat eine Topkamera und macht Spitzenbilder. Komischerweise hab ich bisher noch kein Foto oder eine Filmaufnahme gesehen.
Sie hatten niemals den Eindruck, dass jemand Sie ausfindig gemacht hätte?
Dieser Privatdetektiv hat alles auf eine Karte gesetzt: irrsinnig viel Geld in die Welt geblasen in der Hoffnung, irgendein Familienmitglied wird schwach. Aber Gott sei Dank gibt es auf diesem Planeten Leute, die nicht für 1,5 Millionen Euro oder irgendeinen anderen Betrag durch einen Reifen springen.
Wie viele Leute wissen denn überhaupt, wo Sie sich gerade aufhalten?
Ich weiß es ja selbst oft nicht. Wissen Sie: Ich bin schon viel unterwegs und häufig auf dem Wasser. 80 Prozent der Erdoberfläche ist Wasser.
Ihr Abgang ist inzwischen ziemlich genau fünf Jahre her. Mit Verjährungsfristen hat Ihr Auftauchen nicht zufälligerweise etwas zu tun?
Gehen Sie prinzipiell einfach mal davon aus, dass ich mir über viele Dinge Gedanken mache.
Ist das Ihre Art, Ja zu sagen?
Das ist ein generelles Statement. Aber sicher freut es mich, diese ganzen Lügen demnächst widerlegt zu sehen. Wenn die Lüge klein ist, reizt mich das nicht. Aber wenn sie so groß ist und solche Konsequenzen hat, ist das was anderes.
Dann bleiben wir mal bei diesem Thema: Immerhin ermittelt die SEC gegen Sie und weitere Personen im Zusammenhang mit Hunter World Markets (HWM). Dort sollen Sie die Kurse von Pennystocks manipuliert und auf diese Weise insgesamt 63,7 Millionen Dollar zusammengezockt haben.
Ich habe Hunter nicht kontrolliert. Ich wurde von der US-Aufsichtsbehörde als passiver Investor namentlich aufgeführt. Im HWM-Büro war ich noch nie in meinem Leben. Alles Bullshit, und deswegen werde ich diese Dinge noch im laufenden Jahr anfechten. Jeder, der die Unterlagen kennt oder einigermaßen im Netz surft, weiß, dass ich bei HWM maximal 20 Millionen Dollar verdient habe. Sechs Monate vor meinem Ausscheiden habe ich für rund 50 Millionen Dollar ACMH-Aktien kostenlos auf die Fonds übertragen. Das blödsinnige HWM-Engagement hat mich mindestens 20 Millionen Dollar gekostet. Das werde ich alles aufklären.
Notfalls auch im Gerichtssaal?
Das hängt davon ab, wie sicher ich da hinreisen kann. Wenn Sie unter „Florian Homm“ reisen, kriegt ein vernünftiger Detektiv das in ungefähr 30 Nanosekunden raus. Und ich hab ja nicht nur Freunde.
Auch bei dem von Ihnen gegründeten börsennotierten Hedgefonds Absolute Capital Management Holding hat’s nach Ihrem Abgang richtig gekracht. In der Presse war von „Schlammschlacht“ die Rede. Die Aktie ist binnen zwei Tagen um 90 Prozent abgestürzt.
Pech. Ich hatte angeboten, weiter für ACMH zu agieren. Die Direktoren haben Panik bekommen und stattdessen bösartige Lügen verbreitet.
Es gibt Leute, die hinter dem plötzlichen Abgang Rache an Ihrer Exfrau als Motiv vermuten. Sie war mit zehn Prozent an ACMH beteiligt, Sie hielten als Firmengründer immer noch 20 Prozent.
Das ist doch totaler Unfug. Ich bin schon ein harter Junge, aber nicht ganz so dämlich, denn letztlich geht es auch um das Vermögen der Kids, ihre Ausbildung und andere Themen. Außerdem respektiere ich einen guten Fight. Meine Frau ist eigentlich ein Sechser im Lotto für mich gewesen, eine Seelenverwandte. Aber ich hab’s nicht gerafft und sie wegen einer klassischen Midlife-Crisis in die Wüste geschickt und war mit einer 20 Jahre jüngeren, komplett überarbeiteten Russin zusammen. Dass die nicht nur auf meinen jugendlichen Charme stand, hätte ich ahnen können.
Früher waren Sie in der Presse der Plattmacher. In Ihrer Autobiografie geht es um die Läuterung vom selbstsüchtigen Finanzhai zum Gutmenschen. Können Sie mit dem Image des Finanzaggressors nicht mehr leben?
Man darf sich nicht zu stark prostituieren, um irgendeine positive Meinung zu erreichen.
Über diesen Verdacht waren Sie ja stets erhaben.
Stimmt (lacht). Ich habe nie behauptet, an einem Beliebtheitswettbewerb teilzunehmen. Deshalb ist das Image kein so riesiges Problem für mich.
Aber mit Ihrem Buch wollen Sie die Welt von Ihrer Wandlung vom Saulus zum Paulus überzeugen?
Der Wandel ist nur so nachhaltig wie die entsprechenden Aktionen.
Taten sagen mehr als Worte?
Wenn ich für das Buch Geld bekäme, würde das zum Himmel stinken.
Sie kriegen kein Geld?
Null. Mein Nettohonorar geht komplett in die Stiftung Liberia Renaissance Foundation in der Schweiz. Ich kann doch nicht ernsthaft gemeinnützige Themen angehen oder eine charakterliche Entwicklung — ich möchte gar nicht Verbesserung sagen — für mich in Anspruch nehmen und bei dem Buch abkassieren und weiter Schattenmann spielen. Natürlich hätte ich das auch schon vor zehn Jahren checken können, aber ich bin halt ein Langsamer.
Aber wie ist es möglich, dass ein Mann Ihres Intellekts 20, 30 Jahre braucht, bis er erkennt, dass Geld nicht alles ist?
Tja … Die kurze Antwort ist: Ich bin ein Narr. Das hat schon gewisse Volldeppzüge. Die längere Antwort ist: Es gab eine Leistungsbesessenheit, im Sport, an der Uni oder in der Wirtschaft. Necko …
… Ihr legendärer Großonkel und Kaufhausmagnat Josef Neckermann …
… hat mir das ja glänzend vorgemacht. Aber er hatte diese Erkenntnis erst mit weit über 70. Und es gibt viele Leute, die nie lernen, dass es eine andere Dimension auf der Erde gibt jenseits der essbaren, bewertbaren Dimension. Ich bin dankbar, dass ich überhaupt auf diesen Trichter gekommen bin. Gleichzeitig ist es mir aber auch peinlich, wie lange ich dafür gebraucht habe. Ich tue mich sonst nicht so schwer mit komplexen Themen.
Gab es dafür einen Auslöser?
Es gab mehrere Sachen. Ich war eines Tages ganz verblüfft, dass meine Kinder ein tolles Verhältnis zu meinem Fahrer hatten. Ich war oft ein Nebenprodukt.
Wie viel Zeit haben Sie denn mit Ihren Kindern verbracht?
Ich habe mein Arbeitsleben so strukturiert, dass ich 16 Stunden am Tag gearbeitet habe, von Montag bis Samstag plus vier Stunden am Sonntag. Das waren dann 100 Stunden. Natürlich habe ich versucht, Ferien zu machen, doch 80 Prozent davon sind abgesagt worden wegen irgendwelcher Marktaktionen. Wenn wir doch mal im Urlaub waren, habe ich mir auf jeden Tag drei oder vier Termine gelegt. Als Vater und Ehemann war ich eigentlich nicht anwesend.
Wieso haben Sie sich nicht für Ihre Kinder interessiert?
Ich habe mich schon für die Kinder interessiert, für ihre Leistungen. Ich war dem Neckermann-Ethos verpflichtet: Leistung eher als Menschlichkeit.
Wenn man das so hört, könnte man Sie für einen Psychopathen halten.
Aber ein gut funktionierender Psychopath (lacht).
Wie würden Sie sich heute charakterisieren?
Ich bin fokussiert auf Humankapital und emotionale Renditen. Ich muss meine Schätze im Himmel aufbauen.
Aus Ihrem Mund klingt das etwas gewöhnungsbedürftig.
Mag sein. Aber es ist doch besser, wenn ich nachhaltige Werte schaffe ohne Kollateralschäden, als wenn ich Gewinnmaximierung betreibe mit Kollateralschäden.
Man könnte auch sagen: Geben ist seliger als Nehmen.
Perfekt. Schreiben Sie’s.
So neu ist diese Erkenntnis ja nun
auch nicht. Sie sind jetzt 53. Hätte
Ihnen diese Einsicht nicht auch
schon früher dämmern können?
Wenn jemand ein Profi in seinem Geschäft und ein guter Denker ist, bedeutet das noch lange nicht, dass er Distanz zu sich entwickelt hat. Manchmal braucht man dafür externe Schocks oder geografische Veränderungen. Man kann sich nicht ewig belügen. Das war bei mir auch so. Irgendwann kam dieser Punkt, wo ich mich nicht mehr selbst belügen wollte. Ich war einfach absolut unglücklich. Ich bin halt ein Typ, den muss man mit dem Brecheisen von seinem Weg abbringen.
Immer blind drauflos?
Ja. Ich setze mir ein Ziel und marschiere dann wie ein Gehirnamputierter auf dieses Ziel los, aber mit einem hohen Leistungsgrad. Ich muss mich auch bei den karitativen Projekten jetzt zurücknehmen, damit ich den Typen nicht die Nase abbeiße, wenn sie in einem Monat nicht 100.000 Euro für karitative Zwecke eingesammelt haben.
zur Person:
Florian Homm (53)
Er gehörte zu den schillerndsten Investoren Deutschlands. Der in Oberursel geborene Großneffe des legendären Versandhauskönigs Josef Neckermann studierte in Harvard Wirtschaft. Nach seinem Abschluss heuerte er 1983 als einer der jüngsten Analysten bei der US-Investmentbank Merrill Lynch an. Nach Stationen bei Fidelity, Julius Bär und Tweedy Brown gründete er 1999 die auf Nebenwerte spezialisierte Value Management & Research (VMR), später die Hedgefondsgesellschaft Absolute Capital Management Holding. In der Öffentlichkeit sorgte Homm durch spektakuläre Angriffe auf Unternehmen wie MLP oder Sixt für Schlagzeilen. Die Wetten auf sinkende Kurse und sein aggressives Vorgehen hatten ihm ein Image als rücksichtsloser Finanzhai eingebracht. 2007 tauchte Homm über Nacht ab. Jetzt meldet er sich mit seiner Autobiografie („Kopf Geld Jagd“, Finanzbuch Verlag, München, 2012) zurück.