Berentzen-Chef Schwegmann: "Wir müssen immer nah am Konsumenten sein"
Oliver Schwegmann, der Vorstand des Getränkekonzerns Berentzen, zum Wandel des Unternehmens, wie man nah an die Kunden kommt und welche Trends die Branche bewegen.
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von Ralf Witzler, Euro am Sonntag
Die Pandemie hat den Getränkekonzern aus dem Emsland direkt und hart getroffen. Aber Vorstand Oliver Schwegmann schaut über die Corona-Zeit hinaus und will den Umbau des Konzerns vorantreiben. Das Ziel ist klar. Im Bereich alkoholfreie Getränke will die Berentzen Gruppe den Weg zum nationalen Markenartikler weitergehen. Bei den Spirituosen soll unter anderem die Entwicklung in der Produktion hin zu einer Handelsmarkenboutique im Premiumsegment vorangetrieben werden.
In der Corona-Krise ist es dem Konzern gelungen, selbst in den Monaten mit hartem Lockdown, als die Gastronomie geschlossen war, keine großen Events stattfanden und selbst private Feiern nur in kleinstem Kreis gestattet waren, schwarze Zahlen zu schreiben. Hartes Kostenmanagement mit eingedampften Marketingbudgets, Investitionen in die Instandsetzung und den Ausbau der Fabriken nur, wo sie absolut notwendig waren, übergangsweise Kurzarbeit in den Unternehmensbereichen, deren Arbeitsgrundlage weggebrochen war - so wurde die Krise ohne Entlassungen gemeistert.
Dabei halfen auch Produkte im Portfolio, die keine geselligen Anlässe brauchen. Menschen, die gezwungen waren, sehr viel Zeit zu Hause zu verbringen, verlagerten einen Teil ihres Konsums in die eigenen vier Wände und nahmen dort eher hochpreisige Produkte wie Rum oder Gin zu sich. Aber auch der Absatz der Limonade Mio Mio stieg selbst in Corona-Zeiten zweistellig.
Mit Oliver Schwegmann sprach €uro am Sonntag, um zu erfahren, wie er den Konzern in Zukunft ausrichten möchte und wo er neue Chancen für Berentzen sieht.
Euro am Sonntag: Herr Schwegmann, Berentzen ist in Bewegung. Sie richten den Konzern neu aus. Wohin geht die Reise?
Oliver Schwegmann: Ich möchte auf zwei Highlights der jüngeren Vergangenheit hinweisen, die den Umbruch im Unternehmen ganz gut verdeutlichen. Da ist zunächst die neue strategische Ausrichtung im Handelsmarkengeschäft. In der Vergangenheit waren wir Lohnproduzent für Preiseinstiegsspirituosen. Das haben wir auf links gedreht. Wir bewerben uns auch weiterhin bei Ausschreibungen für neue Produktionsaufträge, aber wir haben uns ganz klar in Richtung Premiumentwicklung von Handelsmarken bewegt, als strategische Partner des Handels.
Was heißt das?
Der Handel steht bei vielen bekannten Marken extrem unter Preisdruck. Sie finden einen global bekannten Marken- Whiskey zu jeder Tages- und Nachtzeit nahezu überall für weniger als zehn Euro. Wir helfen unserem Handelspartner, sein eigenes Angebotsuniversum im Premiumsegment zu entwickeln. Das hat für ihn zwei Vorteile: Er bekommt ein hochwertiges Produkt zu einem günstigen Preis und hat dieses exklusiv. Wir sind eine Premium-Handelsmarkenboutique und schneidern unseren Partnern ihr Portfolio auf den Leib. Diese Dienstleistung macht auch uns selbst um ein Vielfaches profitabler, bringt uns näher an die Handelspartner und wir sind weniger austauschbar als im Ausschreibungsgeschäft.
Sie sprachen von zwei Highlights.
Richtig. Mit Mio Mio, unserer Mate-Limonade, gestalten wir bei den alkoholfreien Getränken die zweite große Transformation. Diesen Bereich haben wir vor mehr als 50 Jahren eingerichtet, damals als Konzessionsnehmer und Lohnproduzent von Pepsi. Damals war das Hauptgeschäft, Partner von Pepsi zu sein. Weil wir die Mineralwasserquellen dafür hatten, waren unsere Mineralwässer ein Nebenprodukt, das wir hier in der Gegend verkauft haben. Vor vier Jahren haben wir gesagt, wir wollen nicht mehr regionaler Lohnabfüller sein, dessen Wohl und Wehe von Entscheidungen in fremden Büros abhängt.
Sondern?
Aufgetankt mit Selbstbewusstsein durch den großen Erfolg mit Mio Mio haben wir den Entschluss gefasst, zu einem nationalen Markenartikler im alkoholfreien Bereich zu werden. Deshalb haben wir viele Ressourcen auf Mio Mio verlagert, haben unseren auf den Norden konzentrierten Vertrieb zu einem nationalen Vertrieb ausgebaut. Mittlerweile haben wir im Süden eine Partnerschaft, bei der wir einen Lohnabfüller für Mio Mio beauftragt haben. Im nächsten Jahr kommt ein weiterer dazu.
Wie wollen Sie neben der Neuausrichtung in Zukunft den Absatz steigern?
In den Sommermonaten konnten wir beobachten: Sobald die Beschränkungen gelockert werden, sind die Kunden wieder da. Die Menschen haben das Feiern durch Corona nicht verlernt. Das macht uns für die Zeit nach der Pandemie optimistisch.
Was aber wollen Sie konkret tun?
Wir müssen, ob vor, während oder nach Corona, immer nah am Konsumenten sein, um Trends frühzeitig zu erkennen, neue Produkte zu entwickeln oder zu merken, wenn der Konsum bei Produkten nachlässt, die wir schon lange im Portfolio haben. Denken Sie an Aquavit oder Weinbrand. Dafür kommen andere Themen hoch wie Premium Rum oder Cider, wo wir im vergangenen Jahr zugekauft haben.
Wie schaffen Sie Nähe zu den Kunden?
Zunächst einmal haben wir viele Jahre Erfahrung auf unserem Hauptmarkt in Deutschland, der für rund 80 Prozent unseres Geschäfts steht. Wir betreiben sogenanntes Social Listening, um Trends, Trinkrituale oder gefragte Geschmacksvarianten zu identifizieren. Wir arbeiten mit renommierten Bartendern zusammen, wenn es um Produktentwicklung geht. Denn viele Trends entstehen in der Szenegastronomie, werden demokratisiert und kommen dann in den klassischen Handel. Wir gehen in der Konzeptphase in den Dialog mit den Neudeutsch sogenannten Lead-User-Communities und fragen, was sie von dem Produkt halten. Natürlich betreiben wir auch klassische Marktforschung, schauen den Konsumenten über die Schulter, bringen neue Ideen in deren Lebenskontext und fragen, wie sie das finden.
Das wäre die Produktseite, wie sieht es in der Unternehmensorganisation aus?
Wir haben einen eigenen Außendienst aufgebaut, was eine echte Kraftanstrengung war und ein klares Bekenntnis. Unsere Ambitionen sind so groß, was den Handel angeht, was das Wachstum von Mio Mio in ganz Deutschland angeht, was die neuen Spirituosen angeht, sodass uns die Leistungsfähigkeit eines externen Vertriebs, wie wir ihn früher hatten, nicht mehr gereicht hat. Aktuell haben wir 25 Mitarbeiter in der Feldmannschaft und wollen diese noch ausbauen.
Wie macht sich bei Ihnen der allgemeine Trend zur gesünderen Ernährung bemerkbar?
Es gibt mehrere Trends bei Lebensmitteln. Da ist einmal die Reduzierung von allem "Bösen": Zucker, Fett, Fleisch ... Es gibt aber auch den Trend zu hoher Qualität und das Stichwort Bio. Das spiegelt sich in unserem Portfolio wider. So ist Citrocasa die Urform eines natürlichen Produktes, wenn ich mir selbst meinen Orangensaft presse und zapfe. Bei Spirituosen geht es oft um hohe Qualität. Die Leute sagen, ich will nicht viel trinken, aber wenn, dann soll die Qualität stimmen und der Genuss möglichst hoch sein. Dann greifen sie zum Premium-Rum oder -Whiskey. Wir sehen in einigen Bereichen auch den Trend zu weniger Alkohol. Das war ein Grund, warum wir uns mit dem Thema Cider beschäftigt und die Marke Goldkehlchen gekauft haben. Die Wachstumsraten sind zweistellig, auch wenn es hierzulande noch ein Nischenprodukt ist. Bei Limonaden wollen die Kunden Angebote mit weniger Zucker, auch das bedienen wir.
Fühlen Sie sich noch wohl mit Ihren zum Halbjahr bestätigten Prognosen für das Gesamtjahr?
Ja, das tun wir.
Was heißt das für die Dividende?
Wir haben eine sehr progressive Dividendenpolitik, die wir vor zwei Jahren publik gemacht haben. Wir schütten mindestens 50 Prozent unseres Gewinns als Dividende aus. Die in diesem Jahr für 2020 gezahlte Dividende fiel wegen Corona zwar geringer aus als im Vorjahr. Die Ausschüttungsquote lag allerdings höher. Wir haben 100 Prozent unseres Gewinns an die Aktionäre gezahlt. An unserer grundsätzlichen Dividendenpolitik halten wir natürlich auch für das Geschäftsjahr 2021 fest.
Was trinkt Oliver Schwegmann am Ende einer Arbeitswoche?
Wenn ich eine Spirituose genießen will, bin ich ein großer Freund unseres Premium-Rums "Tres Paises".
Vita:
Lernwilliger Sportökonom
Der Weg Oliver Schwegmanns zum Getränkekonzern Berentzen nach Haselünne im Emsland führte über das Studium der Sportökonomie, eine Station im Sportmarketing von Daimler und ein Trainee-Programm beim Süßwarenhersteller Storck. Im Vorstand von Berentzen verantwortet er Vertrieb, Marketing, Produktion, Logistik, Einkauf, Forschung & Entwicklung.
Die Aktie:
Gute Chancen
Der Getränkekonzern hat sich in den vergangenen Jahren ordentlich entwickelt. Mit dem Aufbau eines eigenen Vertriebs, dem Kauf von Citrocasa, einem Systemanbieter für frisch gepressten Orangensaft, der Neuausrichtung des Handelsmarkengeschäfts und dem Erfolg mit der Limonade Mio Mio hat Berentzen gute Chancen, nach der Krise deutlich zu wachsen. Das spricht für die Aktie.
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