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Vincent Bolloré: Der "König von Afrika" muss kämpfen

27.05.18 01:00 Uhr

Vincent Bolloré: Der "König von Afrika" muss kämpfen | finanzen.net

Der französische Unternehmer und Multimilliardär Vincent Bolloré steht unter Korruptionsverdacht. Sollte sich der Vorwurf bestätigen, ist das Lebenswerk des mächtigsten Konzernlenkers des Landes in Gefahr.

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von Peter Balsiger, Euro am Sonntag

Die Bretagne ist der sturm­umtobte letzte Vorposten Europas vor der Weite des Atlantiks. Die Bewohner dieses wilden und rauen Landstrichs gelten als ­eigenwillig und stolz, man sagt ihnen nach, dass sie ein trotziges Selbstbewusstsein hätten. Dieses Volk von Fischern, Nachfahren der Kelten, spricht noch heute eine eigene Sprache. Und ­Asterix, der schlaue Comic-Held, lebte bekanntlich in einem kleinen Dorf an der bretonischen Küste.



Vielleicht sagt das einiges aus über Vincent Bolloré, den französischen ­Multimilliardär, einen Mann mit feinsten Manieren und knallharter Durchsetzungskraft, der von der Presse als "einer der gnadenlosesten Geschäftsmänner Frankreichs" ("Handelsblatt") bezeichnet wird. Bolloré ist Bretone - und er ist stolz auf seine Heimat: Gern erzählt er von den Ursprüngen seines ­Unternehmens, einer Papierfabrik, die 1822 in einem bretonischen Städtchen gegründet wurde und die ursprünglich Bibeln und Zigarettenpapier herstellte.

Dorthin wolle er sich später vom Geschäftsleben zurückziehen. Auf seinem Smartphone hat Bolloré nach eigenen Angaben die ihm verbleibende Zeit als Countdown bereits eingestellt: Im Frühjahr 2022, wenn er 70 und das familien­eigene Unternehmen 200 Jahre alt wird, will er das Ruder an seine Kinder übergeben.


Möglich, dass Bolloré, der stets braun gebrannte und elegante Investor mit der silbergrauen Fönfrisur, sich bereits vorher zurückziehen muss: Der einflussreiche Tycoon, der über ein globales Firmenimperium herrscht und dessen Vermögen von "Forbes" auf sieben Milliarden Dollar geschätzt wird, wurde Ende April in Nanterre bei Paris von Polizisten der Antikorruptions-Abteilung vorübergehend in Gewahrsam genommen.

Die zwei Untersuchungsrichter, die bereits gegen Ex-Präsident Nicolas Sarkozy wegen der angeblichen Finanzierung seines Wahlkampfs durch den damaligen libyschen Diktator Gaddafi ermittelt hatten, wollen jetzt prüfen, ob Bolloré und zwei weitere Manager seines Konzerns sich der Bestechung im Zusammenhang mit der Vergabe von Hafenkonzessionen in Westafrika schuldig gemacht haben.


Als bekannt wurde, dass Bolloré von der Polizei verhört wird, fielen die Aktien seiner Gruppe sofort um über acht Prozent. Das Unternehmen beeilte sich zu erklären, dass es keine "Unregelmäßigkeiten" in Afrika gegeben habe. Bolloré, der Marathonläufer und Sammler von Comic-Heften, hatte erst wenige Tage zuvor überraschend seinen Posten als Chairman beim Mediengiganten ­Vivendi aufgegeben und seinen Sohn Yannick zum Nachfolger ernannt. "Das sorgte schon für Spekulationen, als habe Bolloré geahnt, was ihm drohte", vermutete das "Handelsblatt".

Aura des Unbesiegbaren bröckelt

Diese Affäre schlägt in Frankreich hohe Wellen. "Bollo", wie er von Freunden genannt wird, ist nicht nur als Hauptaktionär des Vivendi-Konzerns einer der bekanntesten Unternehmer des Landes. Er ist auch befreundet mit Nicolas Sarkozy und verfügt über gute Kontakte zu Staatspräsidenten und mächtigen Politikern in den ehemaligen französischen Kolonien in Afrika.

In Frankreichs "halsabschneiderischer Geschäftswelt" habe Bolloré den Ruf, unangreifbar zu sein, so die "New York Times". Diese Aura der Unbesiegbarkeit scheine nun gefährdet. Eine Polizeiaktion wie die in Nanterre sei unüblich in Frankreich, einem Land, in dem Topmanager selten von der Justiz kontrolliert würden, so das Blatt.

Ehemalige Manager der Firma Lafarge, des weltgrößten Zementherstellers, wurden 2017 angeklagt, in Syrien mit dem IS zusammengearbeitet zu haben. Aber es sei unklar, ob es zu einer Verurteilung komme. Der Konzern hatte behauptet, dass es Lafarge nur um die Sicherheit der Mitarbeiter gegangen sei. Und der französische Industrielle Serge Dassault, ein milliardenschwerer Rüstungs- und Medienunternehmer, bezahlte lediglich ein Strafgeld von zwei Millionen Euro, nachdem er im vergangenen Jahr wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden war.

Im Fall von Vincent Bolloré überprüfen die Untersuchungsrichter jetzt, ob die französische Werbeagentur Havas, die zu Bollorés Firmenkonglomerat gehört und zu deren Kunden auch ­Luxus-Brands wie Calvin Klein und ­Valentino zählen, dem Unternehmen lukrative Verträge in zwei afrikanischen Staaten gesichert hatte, indem die Agentur den beiden Präsidenten dieser Länder zu Billigstpreisen Wahlkampfhilfe leistete.

Der erste Fall betrifft Alpha Condé, den Präsidenten des westafrikanischen Landes Guinea, der lange in Paris im Exil gelebt und dort angeblich auch Vincent Bolloré kennengelernt hatte. Als Condé 2010 nach Guinea zurückkehrte und sich für die Präsidentschaft bewarb, unterstützte ihn Havas im Wahlkampf. Die französischen Ermittler vermuten, dass diese Dienste viel zu niedrig abgerechnet wurden.

Nachdem Condé bei den Präsidentschaftswahlen als Sieger hervorgegangen war, vergab die neue Regierung ­wenige Monate später die Konzession für den Betrieb des Containerterminals im Hafen von Conakry, der Hauptstadt von Guinea, an die Firma Bolloré Africa Logistics.

Condé rechtfertigte sich später in ­einem Interview mit der Tageszeitung "Le Monde" und bezeichnete Bolloré als "einen Freund. Ich bevorzuge halt meine Freunde. Na und?"

Ein ähnliches Muster zeigte sich in Togo, einer anderen ehemaligen Kolonie Frankreichs. Auch hier soll die Werbeagentur Havas 2010 die Wiederwahl des Präsidenten Faure Gnassingbé, ein enger Bekannter von Vincent Bolloré, gesichert und ihre Dienste unterhalb der marktüblichen Preise fakturiert haben. Und auch hier ging die lukrative Konzession des Containerterminals im Hafen von Lomé, der Hauptstadt, an Bolloré.

2013 stellte die Agentur Havas übrigens laut "New York Times" ihre Beratungstätigkeit für französische und ­afrikanische Persönlichkeiten ein, nachdem einige ihrer Klienten, darunter der ehemalige IMF-Chef Dominique Strauss-Kahn, in Skandale verwickelt worden waren.

Bollorés Konzern ist nicht nur der größte Hafenbetreiber in Afrika. "Er ist größer als fast jedes andere multinationale Unternehmen in Afrika und macht dort seit 80 Jahren Geschäfte", schrieb der "Economist". Bolloré operiere - bis auf vier - in allen Ländern des Schwarzen Kontinents, mit Beteiligungen an 16 Hafenanlagen, drei Eisenbahnlinien, ferner an Firmen im Energie-, Medien und Plantagenbereich. Vor allem der Güterverkehr scheint fest in Bollorés Hand zu sein.

"Eine Karte der Beteiligungen der Gruppe zeigt ein von Bolloré dominiertes Netz von Straßen, Eisenbahnen, Wasserstraßen, Flughäfen und Seehäfen, das zwei Drittel des Kontinents überzieht und über 25.000 Menschen beschäftigt", schreibt die "New York Times". Der Bretone sei deshalb als "König von Afrika" bekannt.

Engere Vertrauter von Sarkozy

Für Schlagzeilen hatte der Investor bereits 2007 gesorgt. Zwei Stunden nachdem Nicolas Sarkozy zum französischen Staatspräsidenten gewählt worden war, feierte dieser mit Freunden im Nobelrestaurant Fouquet’s auf den Pariser Champs-Élysées mit Politikern, Unternehmern und Showstars. Darunter auch sein Freund Vincent Bolloré, der Sarkozy zu einem Mittelmeer-Kurzurlaub auf seiner 60-Meter-Jacht "Paloma" einlud. In den darauffolgenden Tagen feierte "Sarko" auf Bollorés Jacht vor Malta weiter.

Er habe sich geehrt gefühlt, den Präsidenten und seine Familie verwöhnen zu dürfen, erklärte Bolloré angesichts der öffentlichen Empörung. Für die Kosten sei er übrigens persönlich aufgekommen. Später stellte er Sarkozy während dessen Amtszeit seinen Privatjet zur Verfügung, damit er mit seiner Frau Carla Bruni nach Ägypten in die Ferien fliegen konnte.

Vincent Bolloré war 1952 als Kind einer noblen und wohlhabenden bretonischen Familie, die eine Papierfabrik betrieb, auf die Welt gekommen. Einer seiner Vorfahren, ein Arzt und Weltenbummler, hatte aus China das Fabrikationsgeheimnis zurückgebracht, wie man dünnes Papier herstellt - es eignete sich hervorragend für die Produktion von Zigaretten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Firma Papeteries Bolloré zu einem der größten Hersteller von ­Zigarettenpapier in Frankreich und eröffnete 1939 sogar eine Filiale in den USA. Später begann das Unternehmen zu diversifizieren, stellte Bibeln aus dünnem Papier her, ferner kohlefreies Pauspapier und Kondensatorpapiere, die in der Elektroindustrie eingesetzt wurden.

Vincent studierte an der Universität von Paris-Nanterre Rechtswissenschaften. Er lebte in einer eleganten Villa in einem vornehmen Pariser Quartier, zu seinen Freunden gehörten die Erben der reichsten Pariser Familien.

Das elterliche Geschäft lief damals schlecht, der Vater hatte das Unternehmen heruntergewirtschaftet. Und es war ausgerechnet der junge Vincent, das jüngste von fünf Kindern, der als 29-Jähriger für die symbolische Summe von einem Franc die Firma übernahm, obwohl er keine Erfahrung als Unternehmer hatte. Er habe nicht ertragen können, das traditionsreiche Familienunternehmen untergehen zu sehen, berichten seine Freunde.

Der Profit steht im Mittelpunkt

Heute gilt er als einer der berüchtigsten Investoren Frankreichs. Er ähnle ­einem Raubtier, das seine Beute verschlinge, sobald diese sich in Sicherheit wiege, schrieb die "Welt". Denn der Raider gehe immer nach dem gleichen Schema vor. Erst erwerbe er einen kleinen Anteil an Unternehmen, die seiner Ansicht nach an der Börse unterbewertet sind. Mal steige er nach kurzer Zeit wieder aus, mal erhöhe er die Beteiligung und den Druck auf die Unternehmensführung, um bei der Strategie entscheidend mitreden zu können.

Dabei gehe es Bolloré vor allem um eines: Mit seinen Beteiligungen will er Profit machen. So mischte er den traditionsreichen Bau- und Telekommunikationskonzern Bouygues auf und stieg aus dem Deal mit mehreren Hundert Millionen Gewinn aus. Sein prominentestes Opfer ist jedoch der Medienkonzern Vivendi.

Aus der Papierfabrik von einst ist inzwischen eine Gruppe geworden, die zuletzt mit rund 80.000 Mitarbeitern weltweit auf einen Jahresumsatz von 18,3 Milliarden Euro und einen Nettogewinn von 2,8 Milliarden Euro kam. Ein Riesenreich, dessen Zukunft nach den Korruptionsvorwürfen gegen Bolloré nun in den Sternen steht.

Vita
Der Visionär

Vincent Bolloré wurde 1952 als Kind einer wohlhabenden bretonischen Familie geboren, die eine Papierfabrik betrieb. Später studierte er an der Universität von Paris-Nanterre Rechtswissenschaften. Mit 29 Jahren kaufte er den väterlichen Betrieb für einen Franc und baute ihn über die Jahre zu einem Konglomerat aus. Heute gilt Bolloré mit einem geschätzten Vermögen von sieben Milliarden Euro als einer der reichsten Franzosen.

Der Konzern
Stark in Afrika

Die Sparten Kommunikation, Transport und Elektrizitätslösungen ge­hören zum Groß­konzern Bollorés genauso wie diverse Unternehmensbe­teiligungen etwa an ­Vivendi. Als Herzstück des börsen­notierten Unternehmens mit über 18 Milliarden Euro Umsatz gelten aber die Bereiche Transporte und Logistik in ­Afrika.




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