Bank of England: Abwarten und Tee trinken
In den vergangenen Monaten herrschte viel Trubel um die Politik der Notenbanken. Doch trotz der Brexit-Diskussion blieb es um Englands Notenbank ruhig.
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von Frank Engels, Gastautor von Euro am Sonntag
Um die Bank of England ist es erstaunlich ruhig geworden. Dabei sah es lange Zeit so aus, als würden die Briten nur darauf warten, dass die Fed den ersten Zinsschritt macht. Doch der Ton hat sich unlängst geändert: Bei ihrer Sitzung Mitte Januar haben die britischen Währungshüter Abstand von einer Zinserhöhung genommen. Wenige Tage später betonte Mark Carney, der Präsident der Bank of England, dass die Zeit für die erste Zinsanhebung "noch nicht reif" sei. Das hat wirtschaftliche und politische Gründe.
Zu den wirtschaftlichen Gründen zählt die Tatsache, dass im Vereinigten Königreich derzeit weder die Preise noch die Löhne deutlich steigen. Das verwundert ein wenig, denn der Arbeitsmarkt auf der Insel ist momentan in einer ungewöhnlich guten Verfassung. Die Arbeitslosenquote liegt bei 5,1 Prozent, so niedrig wie seit neun Jahren nicht mehr, und die Qualität der Beschäftigungsverhältnisse ist, beispielsweise verglichen mit den USA, deutlich besser. Vonseiten der Inflation besteht also kein Anlass, die Zinsen anzuheben.
Zudem hat sich mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 2,2 Prozent für das abgelaufene Jahr die Konjunktur auf der Insel zwar dynamisch entwickelt - aber eben nicht so dynamisch, dass eine geldpolitische Straffung zwingend geboten ist. Und die konjunkturelle Entwicklung könnte im laufenden Jahr auf den einen oder anderen Bremsklotz treffen. Denn die Regierung fährt derzeit ein Sparprogramm, das selbst den harten Kurs von Margaret Thatcher in den Schatten stellen dürfte: Allein am Budget des Verkehrsministeriums stehen Kürzungen um 37 Prozent an. Damit einher geht ein deutlicher Rückgang der Staatsquote, also des Anteils der staatlichen Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt, von 40 auf 36,5 Prozent. In Deutschland beträgt sie rund 44 Prozent. Das hinterlässt Spuren. Nach der Prognose von Union Investment dürfte das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr nur noch um 1,6 Prozent wachsen.
Ein weiterer potenzieller Belastungsfaktor, die Unsicherheit vor dem Brexit-Referendum, wird mindestens bis Sommer aktuell bleiben. Derzeit steht es Spitz auf Knopf, die Befürworter und die Gegner der EU-Mitgliedschaft halten sich in den Umfragen die Waage. Das bedeutet aber auch, dass es bis zuletzt spannend bleibt - und die Unsicherheit lähmt Teile der Wirtschaft. Denn bis der künftige Kurs klar ist, dürften ausländische Unternehmen sich gut überlegen, ob sie in Großbritannien Geld investieren und dabei in Kauf nehmen, dass sie über die außenwirtschaftlichen Beziehungen ihres neuen Standorts wenig mit Gewissheit sagen können.
Selbst wenn die Briten für den Ausstieg votieren, sehen die Statuten der EU eine zweijährige Verhandlungsfrist vor, in der Regelungen zum künftigen Miteinander gefunden werden sollen - und darüber, wie der weitere Zugang zum europäischen Binnenmarkt aussehen könnte. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Norwegen zum Beispiel, dessen Bevölkerung sich per Referendum gegen eine EU-Mitgliedschaft entschieden hat, genießt über das Abkommen zum Europäischen Wirtschaftsraum quasi den kompletten Zugang zum EU-Binnenmarkt - muss sich aber auch dessen Regeln unterwerfen.
Britische Geldpolitik orientiert
sich traditionell an den USA
In dieser Situation tut die Bank of England gut daran, erst einmal abzuwarten. Die Notenbanker würden mit einer Zinserhöhung perspektivisch das Britische Pfund stärken. Das wäre vor dem Hintergrund, dass die Eurozone der größte und wichtigste Handelspartner der Briten ist, dem Außenhandel wenig zuträglich.
Für den Rentenmarkt bedeutet das, dass sich auch die britischen Staatsanleihen in der Warteschleife befinden. Historisch betrachtet orientieren sich die sogenannten Gilts stärker an ihren Pendants aus den USA als an denen aus der Eurozone. Das liegt unter anderem daran, dass sich auch die britische Geldpolitik eher an der US-Fed orientiert als an der EZB. Für deutliche und eigenständige Bewegungen bei britischen Gilts fehlen die Impulse - zumindest solange die Brexit-Frage ungeklärt ist und die Bank of England abwartet.
zur Person:
Frank Engels, Leiter Portfoliomanagement
Renten bei Union Investment
Der promovierte Volkswirt leitet das 52-köpfige Rententeam der Fondsgesellschaft Union Investment und ist dort für ein Portfoliovolumen von mehr als 50 Milliarden Euro verantwortlich. Zuvor arbeitete Engels unter anderem als Ökonom für den Internationalen Währungsfonds.
Union Investment ist die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken und mit aktuell rund 250 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen einer der größten deutschen Vermögensverwalter für private und institutionelle Anleger.
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