Venezuela-Anleihen: Armes reiches Land
Die Lage in Venezuela spitzt sich zu, eine Staatspleite rückt näher. Die venezolanischen Anleihen sind nur noch etwas für Zocker.
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von Astrid Zehbe, Euro am Sonntag
Nach der heftig kritisierten Wahl zur Verfassungsversammlung am vergangenen Wochenende kommt Venezuela nicht zur Ruhe. Während im Land weiter protestiert wird und mittlerweile auch Ermittlungen wegen Wahlfälschung laufen, gerät Venezuela international unter Druck.
Viele Staaten weigern sich, die Abstimmung anzuerkennen. Mercosur, der gemeinsame Markt Südamerikas, will Venezuela suspendieren. Die USA verhängten Finanzsanktionen gegen Venezuelas Staatspräsidenten Nicolás Maduro. Der sieht in den Drohgebärden vor allem eins: Die Bestätigung für seinen Kurs, das politische System Venezuelas radikal umzugestalten. Die Wahl vom Wochenende soll ihm den Weg dazu ebnen. Während Maduro vorgibt, mit der geplanten Verfassungsänderung die schwere Krise im Land überwinden zu wollen, werfen ihm Kritiker vor, das Land in eine kommunistische Diktatur zu verwandeln.
Am Rand des Abgrunds
Nur wenige Venezolaner befürworten Maduros Pläne. Der Wahl blieben nach Boykottaufrufen der Opposition viele fern, nach offiziellen Angaben lag die Wahlbeteiligung dennoch bei über 40 Prozent. Weil neben der Opposition auch der britische Wahlcomputerhersteller von Manipulation ausgeht, hat Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz Ermittlungen wegen Wahlbetrugs eingeleitet - und die Annullierung der Wahl gefordert.
Dass dies Maduros Vorhaben stoppen könnte, ist unwahrscheinlich. Mit Sonderdekreten, Ausnahmezuständen und der Beseitigung unbequemer Zeitgenossen ist es Maduro in der Vergangenheit stets gelungen, seine Pläne durchzusetzen.
Seit dem Tod des früheren Staatschefs Hugo Chávez 2013, der das einst wohlhabende Land Anfang der 2000er-Jahre in den Sozialismus geführt hatte, verschlechtert sich die Lage zusehends. Die Wirtschaft schrumpft und die Inflation liegt bei mehreren Hundert Prozent im Jahr. Die Menschen haben zu wenig zu essen, die medizinische Versorgung steht wegen fehlender Medikamente vor dem Kollaps, die Kindersterblichkeit steigt.
Dabei könnte Venezuela eines der reichsten Länder der Erde sein. Kein anderer Staat verfügt über derart hohe Ölreserven und wohl kaum einem anderen Land ist sein Reichtum derart zum Verhängnis geworden. Venezuelas Wirtschaft ist auf den Rohstoff ausgerichtet, 95 Prozent der Exporteinnahmen verdankt das Land dem Öl. In Zeiten steigender Ölpreise lebte Venezuela prächtig davon - selbst die von Hugo Chávez eingeführten großzügigen Sozialleistungen ließen sich so finanzieren. Doch andere Industriezweige wurden vernachlässigt, Investitionen blieben aus. Die Misswirtschaft rächte sich spätestens, als die Ölpreise zu sinken begannen.
Staatsbankrott droht
Seitdem steht das Land kurz vor der Staatspleite. Venezuela hat Schulden von mehr als 170 Milliarden Dollar. Bislang gelang es dem Land, diese pünktlich zu bedienen. Doch Analysten sind skeptisch: Die Wahrscheinlichkeit, dass Venezuela in den kommenden fünf Jahren in die Pleite rutscht, beziffern sie auf mehr als 90 Prozent, einen Zahlungsausfall in den kommenden zwölf Monaten auf 56 Prozent.
Vor diesem Hintergrund überrascht es daher wenig, dass venezolanische Staatspapiere ebenso wie jene der staatlichen Ölgesellschaft Petróleos de Venezuela (PDVSA) in den vergangenen Monaten zu den am stärksten gehandelten Papieren gehörten. "Das ist darauf zurückzuführen, dass die Meinungen der Marktteilnehmer zu den aktuellen Bewertungen und Rückzahlungsszenarien der Anleihen stark auseinandergehen", sagt Jens Furkert, Leiter Anleihehandel an der Börse Stuttgart. "Während etwa manche Anleger nicht von einer vollständigen Rückzahlung ausgehen und Anleihen abstoßen, sehen andere Investoren die Lage optimistischer und steigen ein." Wer mit den Papieren handelt, ist kaum nachzuvollziehen, da Orders an den Börsen anonym eingehen. "Für Anleihen aus Venezuela sind an der Börse Stuttgart derzeit die unterschiedlichsten Ordergrößen bei Käufen und Verkäufen zu beobachten", sagt Furkert. Das lasse auf ein breit gefächertes Spektrum an Investoren schließen.
Nur noch für Zocker
Gemeinsam haben sie jedoch eins: den Mut zum Zocken. Wie viel sich mit den Papieren verdienen, aber auch verlieren lässt, zeigt der Kursverlauf einer 2018 fälligen Staatsanleihe. Vor einem Jahr notierte das Papier bei 50 Prozent, zum Jahreswechsel legte der Kurs auf 75 Prozent des Nennwerts zu, aktuell kostet der Bond wieder etwa so viel wie im Sommer 2016.
Vor einem Einstieg ist dennoch zu warnen. Nach Finanzsanktionen ziehen die USA einen Stopp der Ölimporte aus Venezuela in Erwägung. Devisen in Höhe von fast einer Milliarde Dollar pro Monat stehen damit auf dem Spiel. Bleiben sie aus, wird eine Zahlungsunfähigkeit noch wahrscheinlicher.
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