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Biotech: Warum der Sektor so heiß begehrt ist

15.08.18 10:39 Uhr

Biotech: Warum der Sektor so heiß begehrt ist | finanzen.net

Amerikanische Investoren schaufeln Rekordmengen an Risikokapital in den Biotech-Sektor, auch die Aktienkurse ziehen wieder an. Warum die Branche überzeugt.

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von Julia Groß, Euro am Sonntag

Das hat sich gelohnt: Knapp 170 Millionen Euro spülte der Nasdaq-Börsengang in die Kassen des Münchner Biotechunternehmens Morphosys. Das Zweitlisting an der US-Technologiebörse im April war der erfolgreichste Börsengang eines deutschen Biotechunternehmens in den USA. Nicht, dass Morphosys das Kapital gerade dringend gebraucht hätte - die Cashreserven lagen schon vor dem Gang an die Nasdaq deutlich über 200 Millionen Euro. Doch warum nicht zugreifen, wenn US-Investoren bereitwillig ihre Taschen öffnen?



Denn das tun sie freigiebiger denn je. Risikokapitalgeber überschütten die Branche förmlich mit Geld. Im vergangenen Jahr waren es rund neun Milliarden Dollar, in diesem Jahr könnte der Wert noch übertroffen werden. Zum Vergleich: In Deutschland erhielten Biotechs im gesamten Jahr 2017 nur etwa 200 Millionen Euro Venture Capital. Gleichzeitig feierten jenseits des Atlantiks seit Jahresanfang inklusive Morphosys schon 40 Firmen ihr Börsendebüt.

Messbare Fortschritte

Für die Biotechszene ist der Geldsegen ein positives Zeichen: "Wenn man sich die wissenschaftliche Entwicklung der letzten Jahre ansieht, steckt dahinter jede Menge Substanz", sagt Christian Koch vom Investmentteam der Beteiligungsgesellschaft BB Biotech. Der größte Teil der Mittel entfiel zudem auf Folgefinanzierungen - ein Beleg dafür, dass Unternehmen messbare Fortschritte erzielen. Die Früchte dieser Fortschritte werden auch für Aktionäre spürbar: Viele Firmen haben ihre Gewinnziele erhöht, außerdem steht eine Fülle von Zulassungsentscheidungen und Studiendaten bevor. Beides könnte nach Ansicht von Analysten zunehmend institutionelle Investoren aus dem überhitzten Techsektor in Biotechwerte locken. In den vergangenen drei Monaten stieg der Nasdaq Biotech Index bereits um mehr als zwölf Prozent.



Die Unsicherheit bezüglich möglicher Preisschranken für Medikamente in den USA ist zuletzt deutlich geschrumpft. Die Vereinigten Staaten regulieren die Arzneimittelpreise fast gar nicht und bilden deshalb den wichtigsten Markt für Biopharmahersteller. US-Präsident Trump hat durch seine Twitter-Attacken zwar einige Pharmakonzerne zum freiwilligen Verzicht auf Preiserhöhungen getrieben. Doch bei genauerem Hinsehen handelt es sich dabei vor allem um PR-Maßnahmen, die zum Beispiel ältere, umsatzschwache Pillen betreffen. Unterdessen verdichten sich die Anzeichen, dass Trump die Kostenbremse nicht bei Wirkstoffentwicklern, sondern bei Zwischenhändlern und Versicherern ansetzen will.

Für innovative Medikamente dagegen ist die Preismacht der Hersteller ungebrochen. Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA zeigt sich sogar höchst aufgeschlossen gegenüber neuen Technologien wie der Gentherapie und will Firmen dabei unterstützen, Entwicklungszeiten zu verkürzen.

Kontinuierliches Gewinnwachstum

Das spielt gut aufgestellten Biotechfirmen in die Hände. Beispiel Vertex Pharmaceuticals: Das Unternehmen hat nahezu eine Monopolstellung im Bereich zystische Fibrose. Bei dieser vererbbaren Stoffwechselkrankheit bilden sich zähflüssige Sekrete beispielsweise in der Lunge. Vertex hat 2012 das erste Medikament auf den Markt gebracht, das die Ursache der Erkrankung bekämpft, zunächst nur für einen kleinen Teil aller betroffenen Patienten. Seitdem weitet die Firma durch neue Wirkstoffe und Medikamentenkombinationen die Zielgruppe der Patienten, die davon profitieren können, kontinuierlich aus. Vertex-Aktionäre können daher bis weit über 2020 hinaus mit zweistelligem Erlöswachstum rechnen.

Großes Wachstumspotenzial schreiben Experten auch Medikamenten zu, die auf RNAs basieren. Im Körper ist RNA für die Übertragung und Regulation der genetischen Information zuständig. RNA-Medikamente sind daher ein eleganter Weg, Gendefekte zu behandeln, ohne in die Erbinformation selbst eingreifen zu müssen. "Es hat lange gedauert, bis man das Wissen über RNAs effektiv therapeutisch nutzen konnte, aber jetzt ist die Technologie gereift", sagt Christian Koch von BB Biotech. "Wir glauben, dass RNA-basierte Medikamente eine etablierte Kategorie werden, die vielleicht einmal eine ähnliche Größenordnung umfassen wird wie therapeutische Antikörper." Mit Ionis, Alnylam, Akcea, Wave Life Sciences und der nicht börsennotierten Moderna ist BB Biotech gleich in fünf Firmen investiert, die RNA-Technologie nutzen.

Moderna ist dabei ein Musterbeispiel für die großzügigen Finanzierungsrunden der überwiegend amerikanischen Biotechinvestoren: Das Unternehmen, das eventuell 2019 an die Börse gehen will, hat zurzeit eine schwindelerregende Bewertung von sieben Milliarden Dollar. Das ist mehr als eineinhalb Mal so viel wie die aktuelle Marktkapitalisierung von Morphosys nach 19 Jahren am Frankfurter Aktienmarkt. Das erfolg­reiche Nasdaq-Listing der Münchner lässt hoffen, dass wenigstens ein paar deutsche Firmen den Anschluss an die florierende Biotechgründungs- und -Invest­ment-Community in den USA noch nicht verpasst haben.

Investor-Info

Vertex Pharmaceuticals
Monopolstellung

Vertex hat so gute Testsysteme für neue Wirkstoffe gegen zystische Fibrose entwickelt, dass die Entwicklung weiterer Medikamente außergewöhnlich schnell und treffsicher voranschreitet. Dadurch können immer mehr Patienten versorgt werden, was zu kontinuierlichem Wachstum führt. Für zusätzliche Impulse könnte eine Übernahme sorgen - Vertex ist dabei sowohl als Käufer als auch als Übernahmeziel im Gespräch.

BB Biotech
Expertenurteil

Die Schweizer Beteiligungsgesellschaft hat sich seit vielen Jahren sehr erfolgreich auf die Biotechnologiebranche spezialisiert. Aktuell liegt ein Schwerpunkt der Investments auf RNA-Medikamenten. BB Biotechs Positionen in fünf entsprechenden Firmen machen knapp 18 Prozent des Portfolios aus.




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