IWF drängt Italien zu raschem Aufräumen im Bankensektor
Der Internationale Währungsfonds (IWF) drängt Italien dazu, sein von notleidenden Krediten geplagtes, kleinteiliges Bankensystem möglichst rasch aufzuräumen.
Andernfalls, so warnt der IWF, verschärfen sich die Probleme Italiens nur weiter. Doch Forderungen des IWF nach einem straffen Konsolidierungsprozess inklusive Bankschließungen stoßen in Rom auf wenig Gegenliebe, wie der aktuelle Bericht zum Abschluss der jährlichen Artikel-IV-Konsultationen zeigt. Dabei rät der IWF den Italienern nur dazu, geltende europäische Regeln umzusetzen.
1. Die ökonomische Diagnose
Italiens Wirtschaft wächst so schwach, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wohl erst in den 2020er Jahren das Niveau von 2007 erreichen wird. Die Staatsverschuldung beträgt knapp 133 Prozent, was den finanziellen Spielraum - zum Beispiel für Bankenrettungseinsätze - einschränkt. Die Arbeitslosenquote beträgt 11 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit ist weitaus höher.
2. Die politische Diagnose
Italiens Regierung hat eine Reihe wichtiger Reformen auf den Weg gebracht, die unter anderem den Arbeitsmarkt, das Insolvenzrecht und die öffentliche Verwaltung betreffen, die nun aber auch schnell und vollständig umgesetzt werden sollen. Und die laut IWF außerdem nicht weit genug gehen. Besonders für den Umgang mit notleidenden Krediten von Unternehmen, einem Generalproblem Italiens, wünscht sich der IWF unkompliziertere Regelungen. Vordringlich ist es laut IWF, die Banken des Landes von ihren notleidenden Krediten zu befreien, ihnen effizientere Strukturen zu geben und sie notfalls zu schließen.
3. Die Diagnose des Bankensektors
Italiens Bankensektor ist sehr zersplittert und macht zu wenig Gewinn. Das liegt an ineffizienten Strukturen und daran, dass 18 Prozent der ausstehenden Kredite als notleidend eingestuft werden müssen. Eine nationale Bad Bank zu gründen, hat die EU-Kommission den Italienern nicht erlaubt. Die behelfen sich damit, Kapitalerhöhungen aus einem privaten Fonds ("Atlante") zu unterstützen und faule Kredite mit staatlicher Unterstützung zu verbriefen ("GASC"). Die Möglichkeiten der beiden Instrumente sind aus verschiedenen Gründen begrenzt.
4. Atlante
Der von Großbanken und Unternehmen getragene Fond hat 4,25 Milliarden Euro aufgebracht und 1,5 Milliarden davon für eine Kapitalerhöhung der Banco Popolare di Vicenza eingesetzt, die ihm nun zu 99 Prozent gehört. Der IWF meint, einerseits habe Atlanta damit einen Beitrag zur Finanzstabilität geleistet, andererseits sollten seine Besitzer ihre Investitionsentscheidungen alleine an wirtschaftlichen Erwägungen ausrichten. Mit anderen Worten: Der IWF sieht die Gefahr, dass dieses Vehikel eine Konsolidierung des Bankensektors erschwert.
5. GASC
Dieser Mechanismus bietet Staatsgarantien für die Verbriefung notleidender Kredite. Banken bringen solche Kredite zum Marktwert in ein Spezialvehikel ein, und erwerben eine Staatsgarantie für die erstrangigen Tranchen der Verbriefung, die ein Investment-Grade-Rating haben müssen. Die Kosten werden über die Gebühren gedeckt, die die Banken für die Garantie zahlen. Das Problem ist, dass die Differenz zwischen dem Markt- und dem Buchwert dieser Kredite nur marginal gesenkt wird.
6. Bankabwicklung
Der IWF ist der Meinung, dass nicht lebensfähige Banken rasch abgewickelt werden müssen. Er rät den Italienern, die Vermögenswerte der nicht direkt von der EZB beaufsichtigten kleinen Institute genau zu prüfen. Er schätzt, dass angesichts fauler Kredite und der herrschenden Kreditzinsen und Finanzierungskosten eine Reihe kleinerer Banken anhaltende Gewinnprobleme haben werden. Zwar könnten einzelne Institute durchaus gestärkt werden, doch müsse das bestehende Regelwerk für die Abwicklung einer scheiternden Bank effektiv angewendet werden.
Italien braucht laut IWF schlankere, auch außergerichtliche juristische Prozesse für die Umsetzung von Schuldenschnitten. Zudem rät der Fonds der Regierung, vorübergehende steuerliche Anreize für einen rascheren Abbau notleidender Kredite zu setzen.
7. Was Italien von Bail-in hält
Öffentliche Gelder dürfen bei der Abwicklung einer Bank seit Jahresbeginn nur dann fließen, wenn zuvor Anleiheinvestoren und schlimmstenfalls Einlageninhaber mit wenigstens 8 Prozent der gesamten Verbindlichkeiten gehaftet haben. In Italien halten private Haushalte rund ein Drittel der vorrangigen Bankanleihen und nahezu die Hälfte der Nachranganleihen, zusammengenommen geht es um rund 230 Milliarden Euro.
Außerdem gilt in Italien bis Ende 2018 die Sonderregelung, dass Sparguthaben von über 100.000 Euro im Falle eines Bail-in gleichen Rang wie vorrangige Anleihen sind. Die italienischen Behörden fürchten, dass ein regelgerechtes Bail-in das Vertrauen der Verbraucher stark beeinträchtigen und soziale Konflikte hervorrufen würde. Sie werfen der EU-Kommission eine zu restriktive Anwendung von Bail-in-Gebots und Beihilferegeln vor, das Wachstum und damit auch die Schuldentragfähigkeit beeinträchtige.
8. Was der IWF von Bail-in hält
Der IWF ist für ein Bail-in, das nicht zu lange hinausgezögert werden sollte. Grund: Verschlechtert sie die Gewinnsituation einer Bank weiter, schwindet das Eigenkapital, so dass Anleiheinvestoren bei einem späteren Bail-in noch mehr Verluste befürchten müssten. Der IWF geht davon aus, dass die Banken ihre Anleihen bei Kleinsparern zumindest teilweise unter Vorspiegelung falscher Tatsachen abgesetzt haben. Wo das nachgewiesen werden könne, müsse die Bank diese Papiere eben wieder zurücknehmen, meint der IWF.
9. Bankzusammenschlüsse
IWF und Italien befürworten einen raschen marktbasierten Konsolidierungsprozess. Allerdings sind die Italiener dagegen, einen solchen Prozess zu erzwingen. Sie glauben, dass eine striktere Beaufsichtigung der Institute vor Ort und eigene Anstrengungen der Banken ausreichen werden, um starke Bankengruppen zu schaffen.
FRANKFURT/WASHINGTON (Dow Jones)
Weitere News
Bildquellen: federicophoto / Shutterstock.com, Vladimir Mucibabic / Shutterstock.com