Einigung auf Hilfspaket

Kein Grexit: Einigung beim Euro-Gipfel über Griechenland-Rettung

13.07.15 22:44 Uhr

Kein Grexit: Einigung beim Euro-Gipfel über Griechenland-Rettung | finanzen.net

Den Staats- und Regierungschefs der Eurozone ist nach stundenlangen Verhandlungen der Durchbruch in Sachen Griechenlands Schuldenkrise gelungen - es wurde eine Einigung erzielt.

Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone haben nach äußerst zähen Verhandlungen eine Einigung über eine Rettung Griechenlands vor dem Staatsbankrott erzielt. "Abkommen", twitterte der belgische Premier Charles Michel nach einem Gesprächsmarathon von rund 17 Stunden. Die Einigung sei einstimmig erfolgt, bestätigte EU-Gipfelchef Donald Tusk. Frankreichs Präsident Francois Hollande erklärte, die Übereinkunft erlaube Griechenland, im Euro zu bleiben. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte nach dem Treffen: "Es wird keinen Grexit geben."

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Treuhandfonds wird eingerichtet - ESM-Hilfen sollen folgen

Letzter Streitpunkt des Gipfels war offenbar die Einrichtung eines Treuhandfonds für griechisches Staatseigentum. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Griechenlands Premier Alexis Tsipras hätten diesen Punkt ausgeräumt, so Diplomaten. Eurogruppen-Chef Dijsselbloem bestätigte indes die Einigung auf einen Treuhandfonds - die Erlöse aus den Privatisierungen sollen teilweise in die Rekapitalisierung der Banken investiert werden. Der Treuhandfonds soll ein Volumen von 50 Milliarden Euro haben. Gegen Ende der Woche sollen ESM-Verhandlungen aufgenommen werden, nachdem das griechische Parlament entschieden hat. Binnen drei Jahren sollen weitere 82 bis 86 Milliarden Euro nach Athen fließen. Die Institutionen hatten am Samstag den Bedarf nur auf 74 Milliarden Euro geschätzt. Daneben erklärte Hollande, die Schulden Griechenlands sollen umstrukturiert werden - die Fälligkeiten werden verlängert.

Parlamentsbeschlüsse der Euro-Länder erforderlich

Bevor Verhandlungen über das milliardenschwere Programm aufgenommen werden können, sind aber noch mehrere Parlamentsbeschlüsse nicht nur in Griechenland, sondern auch in Deutschland und anderen Euro-Ländern nötig. Vorher können die Gespräche über die Details des Programms beim Euro-Rettungsfonds ESM nicht aufgenommen werden.

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Damit ist der Weg für ein drittes Hilfspaket des Euro-Rettungsfonds ESM für Griechenland geebnet, so Tusk. Alle Gipfelteilnehmer seien bereit für das Programm, das ernsthafte Reformen und finanzielle Hilfe umfasse, teilte Tusk über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Weitere Details der Vereinbarung wurden zunächst nicht bekannt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel muss nach den Regeln des ESM-Gesetzes den Bundestag bitten, der Regierung das Mandat für Verhandlungen zu geben. "Ich kann diese Aufnahme von Verhandlungen aus voller Überzeugung empfehlen", sagte Merkel: "Die Vorteile überwiegen die Nachteile eindeutig." So finde sich das bisherige Grundprinzip der Euro-Stabilisierung wieder, dass Solidarität der Euro-Zone und Reformen untrennbar verbunden seien: "Dies ist gelungen, obwohl in der letzten Zeit die wichtigste Währung, nämlich das Vertrauen, doch schwer erschüttert worden ist." Eine Sondersitzung wird noch in dieser Woche erwartet. Das griechische Parlament dürfte zuvor erste Reformgesetze verabschieden müssen. Es müsse auch eine Entscheidung der Euro-Gruppe geben. Das erlaube dann, die formalen Verhandlungen über ein Rettungspaket zu beginnen. Dann könne das gesamte Vorhaben abgeschlossen werden: "Das wird aber noch einige Wochen dauern, weil noch viel Arbeit zu tun ist", sagt Dijsselbloem.

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Tsipras: "Das Beste erreicht, was möglich war"

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras hat nach eigenen Worten auf dem Gipfel der Euro-Gruppe das Beste erreicht, was für sein Land möglich gewesen sei. "Wir haben einen gerechten Kampf geführt", sagt der Regierungschef. "Wir stehen jetzt vor schweren Entscheidungen." Athen habe erreicht, dass die Schulden umstrukturiert und die Banken mit Kapital versorgt würden. Er habe in den Verhandlungen mit den Partnern im Ausland hart gekämpft, betont Tsipras. Er werde nun im Inland ebenso hart kämpfen, damit die Gipfelbeschlüsse umgesetzt würden. "Griechenland braucht tiefgreifende Reformen", betont er.

Einen Schuldenschnitt sieht der Gipfelbeschluss aber nicht vor. Es wird lediglich das Versprechen der Eurogruppe von 2012 bekräftigt, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine weitere Streckung der Rückzahlungen vereinbart werden könnte.

Linker Flügel von Syriza macht gegen Gipfel-Einigung mobil

Der linke Flügel der Syriza-Partei von Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras hat indes zum Widerstand gegen die Ergebnisse des Euro-Gipfels aufgerufen. Die Partei-Linke nannte die Einigung "demütigend für Griechenland und die Griechen" und rief das griechische Volk dazu auf, hartnäckig zu bleiben und ihre Ablehnung weiter deutlich zu machen.

Es handle sich um ein Rettungspaket mit noch härteren Konditionen als seine Vorgänger, das die Troika wieder etabliere und das Land dazu verdamme, "eine Schuldenkolonie" unter der Aufsicht einer von Deutschland geführten EU zu bleiben, kritisierte der radikale Flügel des Linksbündnisses. Die Griechen müssten Nein sagen - zum Rettungspaket, zum Neoliberalismus und der Sparpolitik, die das Rückgrat der Euro-Zone bildeten.

Griechische Bankern werden saniert und verkauft

Neben der Umsetzung der Sofortmaßnahmen muss das Parlament in Athen auch das Gipfelergebnis insgesamt anerkennen und in der kommenden Woche weiter Gesetze beschließen, darunter die EU-Richtlinie zur Rekapitalisierung von Banken. Dies ist notwendig, weil die Banken unter der Krise erheblich gelitten haben. Sie sollen mit 25 Milliarden Euro rekapitalisiert und dann über den Privatisierungsfonds verkauft werden. Insgesamt soll der Fonds Merkel zufolge einen Umfang von 50 Milliarden Euro haben, 12,5 Milliarden Euro davon soll die Regierung für Investitionen einsetzen können. Ein weiterer Teil soll genutzt werden, um Schulden zurückzuzahlen und damit die Staatsbilanz zu verbessern.

Brückenfinanzierung noch offen - EZB lässt ELA-Nothilfen für griechische Banken unverändert

Am Nachmittag werden die Euro-Finanzminister zudem über eine Brückenfinanzierung entschieden, bis das Programm steht, so Dijsselbloem. Offen ist noch, wie das Land bis zur Fertigstellung des Hilfsprogramms finanziell über Wasser gehalten werden kann. So steht schon kommenden Montag eine Rückzahlung von 3,5 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) an.

Der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling sagte: "Es gibt verschiedene Optionen." Dazu gehörten etwa bilaterale Kredite einzelner Staaten oder der Rückgriff auf Anleihegewinne der Europäischen Zentralbank aus angekauften griechischen Staatspapieren (sogenanntes SMP-Programm). Finnlands Finanzminister Alexander Stubb erwartete schwierige Verhandlungen bis spät in den Abend hinein: "Dies ist keine einfache Sache, denn es gibt viele Parlamente und Regierungen, die kein Mandat haben, um frisches Geld ohne Auflagen zu vergeben."

Die Liquidität griechischer Banken ist derweil gesichert, die griechischen Banken erhalten von der Europäischen Zentralbank (EZB) Notkredite in unveränderter Höhe. Das sagte ein EZB-Sprecher. Damit haben die Nothilfen, im Fachjargon Emergency Lending Assistance (ELA) genannt, weiterhin einen Umfang von rund 89 Milliarden Euro. Frankreichs Präsident Francois Hollande rechnet damit, dass die EZB die Notkredite erst in einigen Tagen wieder erhöhen wird. Bevor Geld fließen kann, muss Premier Alexis Tsipras einen Teil der Reformen bis Mitte der Woche durch das Parlament in Athen bringen.

Redaktion finanzen.net mit Material von dpa-AFX, Dow Jones Newswires & Reuters

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