Aktien & Co: Warum Deutschland digitale Wertpapiere braucht
Die Corona-Krise hat überdeutlich gemacht, dass wir im Privaten und in der Arbeitswelt noch stärker auf die Digitalisierung setzen müssen. Das gilt auch für Wertpapiere wie Aktien, meint Euro am Sonntag-Gastautorin Iris Bethge-Kraus.
Die Digitalisierung erfordert zunächst enorme Kraftanstrengungen und Investitionen, bringt dann aber großen Nutzen. In der aktuellen Situation hat sich ausgezahlt, dass die öffentlichen Banken durch ihre Digitalisierungsanstrengungen in der Lage waren, die Fördermaßnahmen des Bundes und der Länder schnell und unbürokratisch umzusetzen. Nun gilt unser Blick weiteren Zukunftsthemen wie etwa dem Kapitalmarkt.
Deutschland bewegt sich und macht mitten in der Krise bemerkenswerte Fortschritte. So haben das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und das Bundesfinanzministerium im August einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Einführung elektronischer Wertpapiere veröffentlicht.
Dieser Gesetzentwurf schlägt vor, dass für Schuldverschreibungen auf die papierhafte Urkunde verzichtet werden kann. An deren Stelle soll die Eintragung in ein elektronisches Register treten. Elektronische Register können zentral oder dezentral, beispielsweise mittels der Blockchain-Technologie, geführt werden. Diese basiert auf einem Netzwerk von mehreren verbundenen Servern. Sämtliche Transaktionen werden auf allen Servern gleichermaßen kryptografisch verschlüsselt und gespeichert und sind damit gegen Verfälschungen gesichert. Die Vorteile der Blockchain-Technologie, wie eine hohe Transaktionsgeschwindigkeit bei vergleichsweise geringen Kosten, würden damit auch im hochregulierten Kapitalmarktumfeld nutzbar.
Auch Privatanleger können hiervon in der Zukunft etwa durch eine "Fast-Realtime"-Verbuchung ihrer Anlage- oder Absicherungsgeschäfte profitieren. Damit der Gesetzentwurf schnell umsetzbar ist, haben die Ministerien an den sachenrechtlichen Grundsätzen auch für elektronische Schuldverschreibungen festgehalten. Diese Fiktion ermöglicht die Einführung elektronischer Schuldverschreibungen, ohne weite Teile des Wertpapierrechts aufwendig neu schreiben zu müssen.
Mit diesen Vorstellungen ist Deutschland zwar kein Vorreiter in Europa. In wichtigen EU-Mitgliedsstaaten wie Luxemburg, Frankreich und Irland sind entsprechende Regelungen schon länger in Kraft. Die dortige Finanzindustrie und auch die Anlegerinnen und Anleger können die Vorteile der digitalen Begebung und Übertragung von Wertpapieren schon nutzen und Erfahrungen, insbesondere mit der Blockchain-Techno- logie sammeln. Deutschen Unternehmen und Banken bleibt dies zurzeit verwehrt, es sei denn, sie nehmen in Einzelfällen den Umweg über die oben genannten ausländischen Finanzplätze.
Auch die Digitalisierung von Fondsanteilen ist sinnvoll
Der Vorsprung anderer Länder muss Deutschland nun als Ansporn dienen. Daher begleiten wir den Gesetzentwurf positiv. Er ist zielführend und zukunftsweisend:
• Weil er erstens technologieneutral ist, bleibt er für eine Weiterentwicklung der Blockchain-Technologie offen.
• Er erlaubt zweitens digitale Schuldverschreibungen ohne die herkömmlichen, papierhaften Urkunden abzuschaffen. Kein Emittent ist also zum "Umsteigen" gezwungen. Der Übergang kann nach und nach erfolgen.
• Und drittens wird der Verbraucherschutz gewahrt, denn auch die neuen Wertpapierregister sollen bewährtem Aufsichtsrecht unterfallen und von der Bafin beaufsichtigt werden. Gleichzeitig wird so auch die Geldwäscheprävention sichergestellt.
Sehr positiv ist auch, dass auf die mit dem Eckpunktepapier geplante Einschränkung der Nutzung dezentraler Register auf professionelle Marktteilnehmer verzichtet wurde. Privatanleger wären dann von Teilen des Kapitalmarkts per se ausgeschlossen worden, das Gegenteil davon, was gerade im Rahmen der europäischen Kapitalmarktunion verfolgt wird.
Einzelne Kritikpunkte an dem Gesetzentwurf sollten einen zügigen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens nicht behindern. Sicherlich bedarf das deutsche Wertpapierrecht in der Zukunft einer umfassenden Reform, da es noch aus einer Zeit stammt, in der Schuldverschreibungen und Aktien im Wesentlichen physisch gehandelt wurden. Die Bedürfnisse des modernen Giroeffektenverkehrs werden so nur mühsam abgebildet. Auch die Digitalisierung von Aktien und Fondsanteilen ist wünschenswert, um die Digitalisierung im Kapitalmarkt noch breiter anzulegen.
Dies alles spricht für eine weitere Modernisierung des Wertpapierrechts. Nicht aber gegen einen zügigen Beschluss des Gesetzesentwurfs. Klar ist: Deutschland muss sich der Zukunft stellen - es braucht digitale Wertpapiere!
Iris Bethge-Krauß
Hauptgeschäftsführerin Bundesverband Öffentlicher Banken
Nach einem journalistischen Volontariat arbeitete Bethge-Krauß seit 2003 als Redakteurin, wurde anschließend Pressesprecherin von Ursula von der Leyen in der niedersächsischen Regierung. 2005 wurde sie Pressesprecherin im Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Seit 2017 ist Bethge-Krauß Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB.
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