Großer Aktiencheck: Die besten Schnäppchen an deutschen Börsen
Euro hat alle deutsche Aktien aus DAX, MDAX und TecDax gecheckt - und einige Schnäppchen gefunden. Alle Werte im Überblick
von Euro-Redakteur Jörg Lang
Anfang 2009 war die Spur überdeutlich. Tief und furchterregend hatten sich die Tatzen des Bären in das Börsenparkett gegraben. Sprich: Pessimisten und Propheten des globalen Finanzarmageddons bestimmten das Kursgeschehen. Doch dann im März, mitten im vermeintlichen Weltuntergang, verlor sich der Bärenspuk so plötzlich, wie er gekommen war. Stattdessen prägten die sogenannten Bullen die Szene, das Sentiment der Investoren schlug in geradezu schnaubenden Optimismus um.
„Das ist ein typisches Muster an Wendepunkten“, erläutert Hans-Peter Schupp, Fondsmanager bei Fidecum in Bad Homburg. „In die DNA der Anleger hatte sich ein langer Abschwung eingeprägt.“ Kein Wunder, schließlich hatten die Notierungen seit den Höchstkursen im Dezember 2007 um mehr als die Hälfte verloren. Zwischen Jahresbeginn und Tiefpunkt am 6. März betrug der Verlust mehr als 25 Prozent. Das zermürbt. Frustriert nutzten viele erste Kurserholungen zum Ausstieg. Die staatliche Rettung des Bankensektors, Konjunkturpakete für die Autoindustrie und die allmähliche Wiederauffüllung der Industrielager sorgten aber dafür, dass sich die Wirtschaft stabilisierte. Das reichte, um den DAX gemessen am März-Tief um mehr als 50 Prozent anzuschieben.
Nun, am Jahreswechsel zu 2010, stellt sich die Frage, ob der Bulle weiter die Herde leitet. „Ich glaube schon“, sagt Manfred Piontke, Fondsmanager bei FPM in Frankfurt. „Das Konjunkturtal ist durchschritten, es kommt zu leichten, aber kontinuierlichen Verbesserungen.“ Außerdem hätten die Unternehmen ihre Kostenbasis drastisch reduziert. Das müsste zu erheblichen Gewinnsteigerungen führen.
Die Vorgaben aus 2009 sind nicht anspruchsvoll, zumindest nicht bis zum 3. Quartal 2010. „Momentan sind wir in einer Liquiditätshausse, die typisch nach einem Abschwung ist“, sagt Fidecums Schupp. „Doch dann folgt in der Regel erst einmal eine Konsolidierungsphase.“ Das war 1994 so und auch 2004 konnten die Märkte das Tempo des Vorjahres nicht halten. Ob dann also erstmal der Bär wieder zum Leittier der Börse wird? Es sind die Großanleger, allen voran Versicherungen, die dies verhindern könnten.
Die haben den Aktienanteil ihrer Anlagegelder in der Hochzeit der Krise auf ein Rekordtief abgebaut. Doch nun wird sich die Bilanzierung der Assekuranzen ändern und womöglich eine Gegenbewegung anstoßen: Ab 2010 müssen die Versicherungen ihre Kursverluste nicht mehr über die Gewinn- und Verlustrechnung laufen lassen. Dort werden nur noch die Dividenden verbucht. Die Kursveränderung hingegen läuft über Verrechnungen mit dem Eigenkapital.
„Akzeptieren die Rating-Agenturen diese Volatilität des Eigenkapitals, werden sich Versicherungen wieder stärker engagieren“, glaubt Piontke. Auf der Kaufliste könnten die Aktien stehen, die zum einen in der Vergangenheit nicht so stark gestiegen sind und zudem eine hohe Dividendenrendite aufweisen.
Ein Beispiel wäre die Deutsche Telekom. Deren Anteilscheine bringen gemessen an der letzten Ausschüttung eine Dividendenrendite von knapp unter acht Prozent. Nur zum Vergleich: Die elf Jahre laufende Anleihe der Telekom rentiert mit nur 4,8 Prozent. Die Kursziele der Analysten reichen immerhin bis auf mehr als 14 Euro. Aktuell notiert die Aktie knapp über zehn Euro.
Unsichere Bank
Natürlich gibt es auch Risiken, insbesondere in der frühen Konjunkturphase. „Wir brauchen einen Mittelweg“, sagt Heino Ruland von Ruland Research in Eppstein bei Frankfurt. „Zu viel Wachstum würde die Zinsen steigen lassen. Das Abgleiten in eine neue Rezession brächte Deflationsgefahren.“
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor lauert im Finanzbereich. Noch ist nicht klar, inwieweit die Banken ihre toxischen Papiere bereits bereinigen konnten. „Zudem könnte eine zu starke Regulierung der Banken durch die Politik das Eigenkapital erheblich verteuern“, fürchtet Ruland. Damit würden ausgerechnet dann, wenn die Wirtschaft Geld zur Finanzierung von Lagern und Produktion benötigt, die Mittel viel zu teuer. Die Folge wäre ein Credit Crunch, wie er schon Ende 2008 auftrat. In der Vergangenheit war der Ifo-Konjunktur-Index ein guter Indikator. Er hat die Einstiegschance im Frühjahr 2009 exakt vorausgesagt. Die Regel: Steigt die Erwartungskomponente dreimal in Folge, entsteht ein Kaufsignal. Fällt sie dreimal, steht zumindest eine kurzfristige Korrektur ins Haus. Im Moment signalisiert der Index in allen seinen Komponenten freie Fahrt für Aktien.
Lesen Sie, wie die Aktien gecheckt wurden Doch einen Durchmarsch wird es im neuen Jahr kaum geben. Deshalb ist höchste Aufmerksamkeit bei der Überwachung des Depots geboten. Einsteigen, halten oder schon verkaufen – die Redaktion hat alle Werte aus DAX, MDAX und TecDAX nach diesen Kriterien unter die Lupe genommen. In den Tabellen für DAX, den MDAX und den TecDAX wird für jeden Titel eine Kursbandbreite angegeben, in der sich die Notierungen 2010 bewegen könnten. Zudem hat die Redaktion versucht, anhand dessen für jeden Dividendentitel ein Derivat zu finden, das Risiken reduzieren hilft.
Fondsmanager Schupp beispielsweise favorisiert im DAX die Aktien von Allianz und Daimler. Beide Blue Chips sind gemessen an ihrem Ertragspotenzial derzeit niedrig bewertet. Der Allianz traut Schupp zu, dass sie mehr als vier, vielleicht sogar fünf Milliarden Euro verdienen kann. „Da ist ein Börsenwert von 38 Milliarden Euro einfach zu niedrig.“ Daimler hingegen ist eine Konjunkturwette auf steigende Nachfrage nach Firmenwagen und Nutzfahrzeugen.
Im MDAX setzt Piontke trotz der Kurssteigerung 2009 auf die Aareal Bank. Die Aktie notiert noch immer bei der Hälfte des Buchwertes. „Selbst wenn man einen Abschlag einrechnet, bietet sich hier immer noch ein hohes Potenzial.“ Chancen gäbe es auch bei der Software AG. Dort erwartet Piontke mittelfristig eine engere Anlehnung an SAP. „Dann sind dreistellige Kurse drin.“
Defensive Qualitäten schreibt Piontke der Aktie von Celesio zu. Der Pharmagroßhändler und Betreiber von Apotheken hat zwei schwache Jahre hinter sich. Abschreibungen, staatliche Regulierungsmaßnahmen und Währungsverluste drückten das Ergebnis deutlich nach unten. Wird sich die Pechsträhne 2010 fortsetzen? Wenn nicht, hätte die Aktie erhebliches Aufwärtspotenzial. „Es ist im Moment nur schwer vorstellbar“, glaubt Piontke, „dass der Wert gemessen an dem aktuellen Niveau noch einmal deutlich verlieren könnte.“
Viele Aktien notieren immer noch deutlich unter den Niveaus von 2007. Im Moment ist auch nur schwer vorstellbar, dass die Topkurse von damals in absehbarer Zeit wieder erreicht werden können. Manchmal reicht aber der halbe Weg für eine satte Wertentwicklung. Bei der Aktie von Stahlhändler Klöckner & Co. beispielsweise stehen alte Höchstkurse von über 60 Euro zu Buche, eine Illusion für 2010. Vielleicht schaffen es die Duisburger auch überhaupt nicht mehr, in solche Regionen vorzudringen. Aber müssen sie das überhaupt? Die mittlerweile komplett stabile Firmengruppe kann bei der Konsolidierung im Markt eine aktive Rolle einnehmen. „Bei solchen Zyklikern müssen Anleger flexibel sein“, sagt Schupp. „Steigende Kurse dienen zum Abbau, fallende zum Aufbau von Positionen.“
Wer 2009 diesem Rezept folgte, hat glänzend verdient. Im Jahresdurchschnitt notierte der Wert bei rund zwölf Euro, Tiefstkurse lagen bei unter sechs, das Hoch bei 18,80. Und 2010? Im Moment befindet sich die Aktie wohl in einer neutralen Zone. Das heißt: Man ist investiert, aber mit Vorsicht. Deutsche Wertarbeit hinterlässt weltweit ihre Spuren. Rund um den Globus sind Maschinen, Anlagen und Softwareprodukte in Betrieb, die heimische Ingenieure entwickelt haben. Das könnte Begehrlichkeiten wecken.
Klar ist: Zahlreiche Firmen in den deutschen Indizes sind im Moment preiswerte Kaufkandidaten. Mal abwarten, ob Übernahmen 2010 nicht eine tiefe Bullenspur hinterlassen.