Notenbanker gehen mit Anlegern durch dick und dünn
Der DAX beweist unbestritten Steherqualitäten.
Weder die Twitter-Kaskaden des US-Präsidenten noch die Furcht vor einer Rezession haben den deutschen Leitindex in diesem Jahr aus der Bahn werfen können. Frei nach Franz Beckenbauer ist man geneigt zu sagen: Die Notenbanker und die Anleger sind inzwischen so gute Freunde, sie kann niemand trennen. Was kann dann schon geschehen? Doch Vorsicht ist trotzdem angebracht. Denn es mag zwar sein, dass langfristig kaum ein Investor an Dividendenpapieren vorbei kommt. Auf kurze Sicht aber drohen nach dem zuletzt guten Lauf durchaus Rückschläge.
DAS IST LOS AM MARKT:
Nach dem desaströsen Börsenjahr 2018 hatte sich der deutsche Leitindex bis zum Anfang Juli erreichten Jahreshoch bei rund 12 656 Punkten erst einmal immer weiter nach oben gearbeitet. Die Aussicht auf eine nochmals gelockerte Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Notenbank zur Unterstützung der Konjunktur ließ die Sorgen um die internationalen Handelskonflikte in den Hintergrund rücken.
In den folgenden Wochen aber wurde immer deutlicher, dass vor allem der Konflikt zwischen den USA und China das Zeug hat, die Weltwirtschaft und damit die Börsen stark zu belasten. Das gefürchtete R-Wort machte plötzlich wieder die Runde, nachdem der US-Anleihemarkt Rezessionssignale geliefert hatte. Dort hatte sich zeitweise eine Konstellation mit niedrigeren Langfrist- als Kurzfristzinsen ergeben, von Fachleuten inverse Zinsstruktur genannt. Diese gilt als Ausdruck extrem pessimistischer Wachstumserwartungen.
Die Notenbanken ergriffen konkrete Maßnahmen, um die Anleger mit billigem Geld zu besänftigen. So senkte die US-Notenbank ihren Leitzins erneut und die Europäische Zentralbank kündigte an, wieder Anleihen zu kaufen. Die Medizin verfehlte nicht ihre Wirkung: Seit Jahresbeginn gerechnet liegt der DAX 30 aktuell komfortabel im Plus.
DAS SAGEN MARKTEXPERTEN:
Das Anfang 2018 erreicht Dax-Rekordhoch von knapp 13 597 Punkten liegt zwar noch in recht weiter Ferne. Angesichts neuer politischen Turbulenzen aber neigten Anleger offenbar schon jetzt zu Gewinnmitnahmen, schrieb Analyst Tobias Basse von der NordLB. Denn gegen US-Präsident Trump sind unter anderem Vorwürfe des Machtmissbrauchs laut geworden. Die Demokraten im US-Repräsentantenhaus hatten Untersuchungen für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren eingeleitet. Im Zentrum der Affäre steht ein Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Ende Juli, in dem Trump seinen Amtskollegen zu Ermittlungen ermunterte, die seinem politischen Rivalen Joe Biden schaden könnten.
Nach Auffassung des Marktexperten Robert Halver von der Baader Bank warten viele Investoren zunächst mit neuen Engagements, bis im Oktober hoffentlich mehr (handels-)politische Klarheit herrscht. Dass China vor der Wiederaufnahme der Handelsgespräche als Geste des guten Willens weitere Zollausnahmen für US-Sojabohnen gewähre, schüre immerhin die Hoffnung auf konstruktive Handelsgespräche. Angesichts der noch immer geringen Investitionsquote von US-Fondsmanagern "wartet allerdings viel Kapital an der Seitenlinie, das bei fundamentalem Tauwetter vor allem an der Handelsfront sofort und eruptiv an die Aktienmärkte zurückströmt", zeigte sich der Experte etwas zuversichtlich.
Derweil wiederholte EZB-Chef Mario Draghi jüngst seine Forderung nach einer stärkeren Unterstützung der Geldpolitik durch die staatliche Finanzpolitik. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank sehr lange andauere und zudem wesentlich ineffektiver sei. Eine Auffassung, der sich auch Ökonomen und Analysten anschlossen. "Ein größerer deutscher Fiskalstimulus könnte mehr Zuversicht bringen, wovon Aktien profitieren sollten", zeigten sich etwa die Fachleute der Landesbank Helaba überzeugt.
DAS SAGEN CHART-EXPERTEN:
Der Blick auf den Chart stimmt derweil ebenfalls zuversichtlich. Nach dem dynamischen Kursimpuls aus der ersten Monatshälfte dauere die seit zwei Wochen zu beobachtende Konsolidierung zwar an, schrieb Analyst Armin Kremser von der DZ Bank. Während dieser Phase des Verschnaufens aber habe der Dax keine kritischen charttechnischen Marken preisgegeben, so dass kurzfristig "nach wie vor von einem intakten Aufwärtstrend auszugehen sei". Damit bestehe Spielraum bis zum Bereich des Jahreshochs.
Auch auf mittlere Sicht habe "die jüngste Konsolidierung bislang kaum Spuren hinterlassen", ergänzte Andreas Büchler vom Börsenstatistik-Magazin Index-Radar. Erst ein Einbruch des Dax unter den 200-Tage-Mittelpreis um knapp 11 800 Punkte wäre ein Warnsignal. Solange dies nicht der Fall sei, bleibe das nächste Kursziel unverändert zwischen 12 650 und 12 950 Punkte an der dort verlaufenden, weiter zurück reichenden Wendezone.
FRANKFURT (dpa-AFX)
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