Brexit-Verfahren

Brexit eingeläutet: Das passiert nun als nächstes

30.03.17 07:25 Uhr

Brexit eingeläutet: Das passiert nun als nächstes | finanzen.net

Heute trat das ein, was von einigen als "historischer Fehler" gewertet wird: Der offizielle Brexit-Antrag aus London ist bei der Europäischen Union eingegangen.

Premierministerin Theresa May gab hierzu eine Erklärung im britischen Parlament ab, während ihr Botschafter in Brüssel das Austrittsschreiben einreichte. Den Brief an die EU, mit dem sie den Brexit beantragen will, hat May schon am Dienstagabend unterzeichnet. Am heutigen Mittwoch gegen 13.30 Uhr wurde dieses Schreiben vom britischen EU-Botschafter Tim Barrow an EU-Ratspräsident Donald Tusk übergeben und damit offiziell Artikel 50 des EU-Vertrags ausgelöst.

Wie geht es nach dem Austritts-Antrag weiter?

Für das Ausscheiden aus der EU gibt es ein feststehendes Verfahren: Nachdem London seinen Austrittswillen dem europäischen Rat - bestehend aus allen Staats- und Regierungs-Chefs der Mitgliedsländer - offiziell übermittelt hat, beginnen die Verhandlungen über ein Austrittsabkommen. Hierbei werden Austrittsmodalitäten sowie die weiteren Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU geregelt. So müsste beispielsweise der künftige Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr geregelt werden. Dazu haben die Partner zwei Jahre Zeit, solange bleiben die bestehenden Verträge in Kraft.

Erzielen die Verhandlungspartner eine Einigung, so müssen sowohl das EU-Parlament als auch mindestens 20 der 27 übrigen EU- Staats- und Regierungs-Chefs diesem Abkommen zustimmen. Nach dem "Prinzip der doppelten Mehrheit" müssen die zustimmenden Regierungen außerdem mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren.

Können sich die Parteien jedoch innerhalb des vom EU-Vertrag vorgegebenen Zeitrahmens von zwei Jahren nicht einigen oder verständigen sie sich nicht auf eine Verlängerung der Verhandlungen, so kommt es automatisch zum Brexit. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die EU das Ausscheiden eines Mitgliedsstaates verschleppt. Dabei beginnt die Zwei-Jahres-Frist nicht mit dem Referendum vom 23. Juni 2016, sondern mit der Anzeige des Austrittswunsches gegenüber der EU am 29. März 2017. Eine Verlängerung über die zwei Jahre hinaus ist möglich, allerdings müssten hierzu alle 28 Staaten zustimmen.

Welchen Status hätte Großbritannien in der EU?

Das Vereinigte Königreich behält bis zum endgültigen Austritt aus der EU - entweder nach dem In-Kraft-Treten eines Austrittsabkommens oder im Falle eines automatischen Ausscheidens in Folge gescheiterter Verhandlungen - seinen Status als EU-Mitglied. Die 73 britischen EU-Parlamentarier bleiben demnach bis zu diesem Zeitpunkt normale Abgeordnete, mit allen dazugehörigen Rechten und Pflichten. Nach dem endgültigen Austritt aus der EU dürften die Parlamentarier ihre parlamentarischen Rechte verlieren, da diese allein auf der gültigen EU-Mitgliedschaft Großbritanniens fußen. Exakte Regelungen gibt es für diesen Fall jedoch bislang nicht.

Auch die britische Premierministerin dürfte - in Ermangelung anderer entsprechender Regelungen in den europäischen Verträgen - weiterhin an den Treffen der Staats- und Regierungschefs Europas im "Europäischen Rat" teilnehmen. Dies könnte jedoch zum Problem werden, vor allem dann, wenn für bestimmte Entscheidungen Einstimmigkeit gefordert ist. Die Entscheidungen der EU wären für die Briten im Brexit-Fall nicht mehr relevant - Theresa May könnte also in einem solchen Fall ihr Veto einlegen und einstimmige Entscheidungen verzögern oder unmöglich machen.

Ist ein Austritt vom Austritt möglich?

Theoretisch kann die britische Regierung das Brexit-Verfahren jederzeit abbrechen. Allerdings würde Großbritannien in diesem Fall wieder den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten. Das würde bedeuten, das komplizierte Beitrittsverfahren müsste nochmal komplett durchlaufen werden. Außerdem müssten alle EU-Staaten einem erneuten Betritt zustimmen.

Dennoch will das EU-Parlament die Tür für die Briten offenlassen. Zwar hatte sich beim Referendum im Sommer 2016 eine Mehrheit von 52 Prozent für den Brexit ausgesprochen, sollte sich das Vereinigte Königreich jedoch während der zweijährigen Verhandlungen entscheiden, den Prozess abzublasen und in der Staatengemeinschaft bleiben wollen, könne es dies tun, versicherten bereits mehrere EU-Abgeordnete.

Der Chef der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), hält es derweil für unwahrscheinlich, dass binnen zwei Jahren die Scheidungsverhandlungen und die Gespräche über die künftigen Beziehungen abgeschlossen sind. Er bezeichnet den Brexit als "historischen Fehler".

Auch Finanzmärkte sind besorgt

Das britische Pfund ist am Tag des Austritts-Antrags aufgrund der großen wirtschaftlichen Risiken und der Ungewissheit unter Druck geraten. Die Anleger sind dabei auch über den kurzen Zeitraum besorgt, der für die Brexit-Verhandlungen bleibt. Die Frist von zwei Jahren könnte sich infolge verschiedener Faktoren wie der erforderlichen Ratifizierung der Verhandlungsergebnisse auf nicht viel mehr als ein Jahr reduzieren, fürchten Experten.

Redaktion finanzen.net

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