ifo-Institut: 2020 Schrumpfung des BIP um 6,6 Prozent wahrscheinlich
Das ifo-Institut für Wirtschaftsforschung erwartet für dieses Jahr eine wahrscheinliche Schrumpfung des deutschen Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 6,6 Prozent.
Für 2021 rechnet das Institut mit einem wahrscheinlichen BIP-Plus von 10,2 Prozent. "Grundlage ist die Auswertung der ifo-Umfrage im Mai unter den Unternehmen", sagte ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. "Sie halten im Schnitt eine Normalisierung ihrer eigenen Geschäftslage innerhalb von neun Monaten für den wahrscheinlichsten Fall."
Nach einem kräftigen Einbruch im zweiten Quartal 2020 um 12,4 Prozent dürfte sich damit die Konjunktur bis Mitte nächsten Jahres erholen. "Erst dann werden wieder so viele Waren und Dienstleistungen produziert wie in einer Situation ohne Corona-Krise." Der neuen Prognose vorausgegangen war ein kräftiger als erwartet ausgefallener Anstieg des ifo-Geschäftsklimaindex auf 79,5 Punkte im Mai von 74,2 Punkten im April. Ende April hatte das Institut noch damit gerechnet, dass das BIP 2020 wegen der Corona-Pandemie um 6,2 Prozent sinken wird - arbeitstäglich bereinigt um 6,6 Prozent. Für 2021 hatten die Forscher einen BIP-Zuwachs um 8,5 Prozent vorhergesagt.
Die Prognose hänge allerdings stark davon ab, wie schnell sich die Geschäftslage der Unternehmen wieder normalisiere, betonte das Institut nun. Im besten Fall gäben die Unternehmen an, dass die Normalisierung im Schnitt nur fünf Monate dauern könnte. Dann würde die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr nur um 3,9 Prozent schrumpfen, und das Wachstum im nächsten Jahr läge bei 7,4 Prozent. Im schlechtesten Fall mit einer durchschnittlichen Normalisierungsdauer von 16 Monaten würde die Wirtschaftsleistung 2020 um 9,3 Prozent schrumpfen und im kommenden Jahr um 9,5 Prozent wachsen. Die Erholung würde sich dann bis weit in das Jahr 2022 hinziehen.
Luftfahrtbranche steht längste Normalisierungsdauer bevor
In den meisten Wirtschaftszweigen gaben die Unternehmen in der ifo-Umfrage den Angaben zufolge an, dass eine Normalisierung ihrer Geschäftslage in acht oder neun Monaten am wahrscheinlichsten sei. Am längsten dauern dürfte das Hochfahren in der Luftfahrt mit 16 Monaten. Aber auch Reisebüros und Reiseveranstalter, Unternehmen in der Beherbergungs- und Gastronomiebranche sowie die Automobilindustrie gingen von einer überdurchschnittlich langen Dauer aus.
Neben der wahrscheinlichsten Dauer der Normalisierung machten die Unternehmen laut dem Institut auch Angaben über die von ihnen erwartete Spannbreite. Demnach könnte sich die Dauer der Normalisierung im besten Fall auf durchschnittlich fünf Monate verkürzen, im schlechtesten aber deutlich auf durchschnittlich 16 Monate steigen. Alle drei Szenarien gingen von einer allmählichen Lockerung ab Ende April aus. Während der Schließung dürfte die durchschnittliche Wirtschaftsleistung um etwa 17 Prozent geschrumpft sein.
In die Schätzungen seien die detaillierten Ergebnisse der Wirtschaftsleistung für das erste Quartal sowie die Produktions-, Umsatz- und Außenhandelsstatistik für den Monat März eingeflossen. Für die Prognose des konjunkturellen Verlaufs im Sommerhalbjahr berücksichtigte das ifo-Institut nach eigenen Angaben den kräftigen Einbruch der Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe im März und die Ergebnisse seiner eigenen Konjunkturumfrage aus dem Mai.
Die neue Prognose sei unter der Annahme erstellt worden, dass das Coronavirus in den kommenden Monaten zwar nicht besiegt, seine Ausbreitung aber eingedämmt und eine zweite Infektionswelle vermieden werden könne. Ausgeschlossen worden sei zudem eine Insolvenzwelle, sowohl in Deutschland als auch in seinen Absatz- und Beschaffungsmärkten, die zu Verwerfungen im Finanzsystem führen und die eine Neuausrichtung globaler Wertschöpfungsketten erfordern könnte.
DJG/ank/apo
BERLIN (Dow Jones)
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