Italien verteidigt Schuldenkurs
Die italienische Regierung hat in der Auseinandersetzung mit der EU-Kommission ihren umstrittenen Wirtschaftskurs verteidigt - allerdings ist unklar, wie genau sie den überbordenden Schuldenberg in den Griff bekommen will.
Finanzminister Giovanni Tria räumte in einem Antwortschreiben auf einen Mahnbrief aus Brüssel ein, dass das Haushaltsdefizit reduziert werden müsse. Ziele zur Reduzierung der Staatsverschuldung seien im vergangenen Jahr verfehlt worden. Er sei aber der Meinung, dass die Regierung einen "umsichtigen und verantwortungsvollen Ansatz verfolgt hat", heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Schreiben.
Die Koalition aus rechter Lega und populistischer Fünf-Sterne-Bewegung will die lahmende Wirtschaft auch durch die Aufnahme neuer Schulden ankurbeln. Lega-Chef Matteo Salvini will vor allem Steuersenkungen durchdrücken. Die Sterne hingegen setzen auf ein Programm zur Unterstützung von Arbeitslosen und ärmeren Bürgern.
Salvini zeigte sich mit Blick auf die EU weniger kompromissbereit. "Nächste Woche werde ich (...) in Brüssel sagen: Lasst uns arbeiten, wie es die Italiener von uns wollen - weniger Steuern, mehr Arbeit. Und wenn sie uns Nein sagen, werden wir sehen, wer dickköpfiger ist", sagte er bei einer Wahlkampfveranstaltung in Potenza. Er sei zuversichtlich, dass "Europa unseren Willen, zu wachsen und Steuern zu senken, respektiert".
Italien hatte vor wenigen Tagen den Mahnbrief von der EU-Kommission bekommen. Je nachdem wie Brüssel die Antwort aus Rom nun bewertet, könnte zeitnah ein Strafverfahren gegen die drittgrößte Volkswirtschaft im Euro-Raum in Betracht gezogen werden. Die Brüsseler Behörde wird nächste Woche ihre Einschätzungen zur Haushaltsentwicklung in sämtlichen Euro-Staaten vorlegen.
Italien weist eine der höchsten Staatsverschuldungen der Welt auf. Der Schuldenberg belief sich Ende 2018 auf mehr als 2,3 Billionen Euro. Das entspricht etwa 132 Prozent der Wirtschaftsleistung. Erlaubt sind in der Eurozone maximal 60 Prozent. Liegt ein Staat darüber, muss er längerfristig Gegenmaßnahmen ergreifen, um seine Verschuldung in den Griff zu bekommen.
An den Finanzmärkten hatten Italiens Haushaltspläne und Aussagen zur möglichen Nicht-Einhaltung von Schuldenregeln in der Vergangenheit immer wieder Unruhe ausgelöst.
Wie groß die Nervosität auch innerhalb der Regierung in Rom ist, zeigte die Verwirrung um die Veröffentlichung des Briefs an Brüssel. In einem an die Presse durchgestochenen Entwurf war von Einschnitten bei Sozialausgaben die Rede - dem Herzensanliegen der Sterne. Deren Chef Luigi Di Maio empörte sich daraufhin, dass er davon nichts gewusst habe und die Lega den Inhalt mit dem parteilosen Tria abgesprochen hätte. In der Endfassung des Briefs stand nichts mehr von den Kürzungen. Das Finanzministerium teilte am Sonntag mit, dass am Montag im Namen Trias Anzeige wegen Verbreitung von geheimen Dokumenten erstattet werde.
Die Sterne haben bei der Europawahl im Gegensatz zu der Lega extrem an Zustimmung verloren. Seitdem ist die Koalition der ungleichen Partnern noch weiter aus dem Gleichgewicht geraten und droht zu kippen.
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ROM (dpa-AFX)
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