Börse Frankfurt-News: Risikoarm in ein anspruchsvolles neues Jaht (ETF-Ausblick)
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Vorsicht beherrscht den ETF-Handel. Die niedrigeren Niveaus etwa von Tech-Werten bleiben unbeachtet. Auch Aktienindizes werden verkauft. Doch die Branche ist positiv gestimmt.
4. Januar 2023. Frankfurt (Börse Frankfurt). Zum Jahreswechsel gehen ETF-Anleger*innen wenig Risiko ein. Die Verkaufslisten sind länger als die Kaufseiten. Dennoch schaut die Branche optimistisch nach vorn. Einige positive Trends aus dem alten Jahr dürften ihre Fortsetzung finden - sowohl bei Sektoren wie auch Produkten. So bleiben Anleihe-ETFs im Umfeld steigender Zinsen im Fokus, während der regionale Blick nach Asien gerichtet wird. Nachhaltigkeit bleibt fester Bestandteil im Branchenmix. Im Jahresverlauf sind aber neue Blickwinkel denkbar.
Energie bleibt Thema - vorerst
Das Thema Energie als eines der wichtigsten des alten Jahres gehört zunächst auch 2023 zu den Weiterläufern: "Mit den hohen Energiepreisen erwarten wir weiterhin eine Fokussierung der Anleger*innen auf dieses Segment", berichtet Andreas Schröer von Lang & Schwarz. Im Jahresverlauf seien dann je nach Marktlage Sektorrotationen denkbar. "Eine Rückkehr der Techwerte, insbesondere der Halbleiterwerte ist nicht ausgeschlossen." Dann könnten ETFs wie der VanEck Semiconductor (IE00BMC38736) wieder stärker gefragt sein. Aktuell hielten sich die Investor*innen hier aber noch zurück.
Asien kommt zurück
Je nach Entwicklung der Corona-Politik in Asien könnte diese Region laut Lang & Schwarz interessant werden. "Dann könnte ein ETF mit chinesischen Aktien Sinn machen", erklärt Schröer und verweist auf einen der großen ETFs für diese Region, den iShares MSCI China (IE00BQT3WG13), der auf Jahressicht fast ein Viertel an Wert verloren hat.
Auch Amundi ist zuversichtlich für die asiatische Region. Vincent Mortier und Matteo Germano rechnen für 2023 eine allmähliche Wiederöffnung Chinas. "Wir bleiben neutral und sind bereit, wieder einzusteigen, wenn die fundamentalen Gewinndaten und das Wirtschaftswachstum besser bewertbar sind."
Tracker, die schon 2022 Zuspruch fanden, dürften weiter gefragt sein: "Produktseitig erwarten wir, dass sich der Trend zu gehebelten ETFs und ETPs, den wir schon Ende 2022 beobachtet haben, fortsetzt." Schröer berichtet, dass der WisdomTree NASDAQ 100 3x Daily Short (IE00BLRPRJ20) bei Lang &S Schwarz zu den meistgehandelten Produkten zählt.
Immer mehr Sparpläne - gutes Signal
"Wir sehen außerdem, dass die Volumen bei Sparplänen zulegen", berichtet Schröer weiter. "Diesen Trend haben wir auch Anfang 2022 gesehen." Dass die Marktteilnehmer*innen investiert bleiben, zeige, dass sie längerfristig orientiert seien. "Das ist ein gutes Zeichen."
Auch Frank Mohr von der Société Générale berichtet von Wachstum bei den Sparplänen. Sein Haus erwartet ebenfalls eine Fortsetzung. "Wir glauben, dass wir hier im Jahr 2023 und darüber hinaus Zuflüsse sehen werden." Darüber hinaus geht die Société Générale von weiter steigenden allgemeinen Marktzinsen mit entsprechenden Auswirkungen für Anleihen-ETFs aus. "Wir erwarten ein Rentenjahr 2023, weil wieder Zinsen gezahlt werden." Anleihe-Tracker werden eine wichtige Rolle spielen, die Aufmerksamkeit richtet sich dabei vor allem auf die Entscheidungen der US-Notenbank Fed." Es komme für die Anleger*innen aber nach wie vor darauf an, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Rendite und Risiko zu finden.
Anleihen bleiben - doch Aktien behalten Hauptrolle
Dass Anleihen attraktiv bleiben, solange die Zinsdiskussionen anhalten, ist weitgehend Marktkonsens."Anleihen sind wieder im Kommen, die Marktbewertungen werden attraktiver, und ein Schwenk der Fed in der ersten Jahreshälfte könnte interessante Einstiegspunkte schaffen", kommentieren Mortier und Germano.
Aktien würden nach Mohrs Einschätzung aber nach wie vor den ETF-Handel dominieren. "Auch nach einem schwierigen Aktienjahr 2022 werden Aktien die Hauptrolle am ETF-Markt spielen." Dabei bleibt nach Mohrs Erwartung Nachhaltigkeit ein Thema. "Das ist kein Modetrend. Wir sehen zum Beispiel beim MSCI World, dass bereits rund ein Drittel davon als ESG-Variante nachgefragt wird." Mit steigenden Energiepreisen bleiben zwar auch Öl- und Gas-ETCs nach Angaben von Mohr gefragt. Aber der Trend zu mehr Nachhaltigkeit fördere im Energiesektor Investitionen. Auch das Verbraucherverhalten sei als Trend wahrnehmbar: "Hier können die Nachholeffekte und die überwundenen Schocks in der Autoindustrie oder Reisebranche eine Rolle spielen."
Insgesamt erwarten die Händler ein gutes Jahr für die ETF-Branche, auch wenn es zunächst turbulent weitergehen dürfte. "2023 wird ein Jahr der zwei Geschwindigkeiten sein, mit vielen Risiken, auf die man achten sollte", fassen Mortier und Germano zusammen. Auf der Aktienseite seien sind die Gewinnerwartungen in den USA angesichts zweier Einflussfaktoren - Wachstumsverlangsamung und weiterhin erstarkender Dollar - immer noch hoch. In Europa sei die Lage ebenfalls schwierig, hier müssten sich die Gewinnspannen der Unternehmen und der Konsum verbessern. Amundi vermutet daher Chancen mit Value-Titeln, Qualität, Dividenden und kleinen Unternehmen, insbesondere aus den USA.
Aktueller Handel: Niedrige Volumen
Im aktuellen Tagesgeschäft setzen sich steigende Kurse bei niedrigen Volumen fort. Schröer berichtet, dass selbst die latente Erholung der Tech-Werte den ETF-Handel zuletzt nicht stimulieren konnte. "Anleger haben die Risiken komplett herausgenommen." Mohr berichtet von 60 Prozent des Volumens im Vergleich zum regulären Handel. "Es gibt einen leichten Verkaufsüberhang, der selbst vor den globalen Indextrackern, die 55 Prozent der Umsätze ausmachen, nicht Halt macht." Aber auch europäische Aktien-Tracker würden verkauft, was sich vor allem im iShares Core EURO STOXX 50 (DE0005933956) bemerkbar mache.
Gesundheit statt Technologie
Von den Sektoren-ETFs wird zuallererst Technologie abgestoßen. "Passend zur Marktsituation wird hier überwiegend verkauft", fasst Mohr zusammen. Der großvolumige iShares Digital Security (
In jeder Marktlage sei allerdings das Thema der erneuerbaren Energien das meistgehandelte in seinem Haus, berichtet Mohr weiter. "Selbst in einer verhaltenen Handelswoche wie aktuell ist der iShares Global Clean Energy stark gehandelt." Der ETF (IE00B1XNHC34) war mit Ausbruch des Ukraine-Krieges im Februar 2022 auf 8,45 Euro gesunken und daraufhin bis Mitte August auf 13,36 Euro gestiegen. Auf Jahressicht steht ein Plus von einem Prozent, über drei Jahre von gut 76 Prozent.
Anleihen-ETFs: Staaten statt Unternehmenspapiere
In einem ruhigen Handel mit Renten-Trackern sticht das Interesse an Staatsanleihen statt Unternehmenstiteln hervor. "Wir sehen, dass sich die Nachfrage auf längere Laufzeiten von US-Staatsanleihen und europäischen Papieren konzentriert", berichtet Mohr. Gekauft werden der Lyxor Core US Treasury 10+Y (LU1407890620) und der Amundi US Treasury 7-10 Y (Acc) EUR-Hedged (LU2153616169). Mit Fokus Europa sind kürzere Laufzeiten gefragt, so dass hier der Eurozone Government Bond 1-3 Y (LU0290356871) ins Depot genommen wird.
von: Antje Erhard, 3. Januar 2023, © Deutsche Börse AG
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)