Einigung gescheitert - USA stürzen WTO in größte Krise seit 25 Jahren
Die USA haben nach ihren Alleingängen bei Strafzöllen gegen China, die EU und andere Handelspartner nun auch die Welthandelsorganisation (WTO) stark geschwächt.
Sie verhinderten so lange die Ernennung neuer Berufungsrichter für die Streitschlichtung, dass die zweiten Instanz seit Mittwoch nicht mehr existiert. Handelsdispute könnEn nicht mehr geordnet beigelegt werden. Es ist die schwerste Krise in der fast 25-jährigen Geschichte der WTO. Analysten warnen vor mehr Handelskriegen. Deutsche Industrieverbände fürchten um Export und Arbeitsplätze.
"Für die Unternehmen und unsere gesamte Volkswirtschaft steht viel auf dem Spiel", sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer, der Deutschen Presse-Agentur. China warf den USA Protektionismus vor.
Das Mandat von zwei der drei verbliebenen Berufungsrichter war in der Nacht zuvor ausgelaufen. Für Berufungen sind drei Richter nötig. Die USA verlangen weitreichende Reformen in der WTO. WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo bedauerte die Situation und hoffte auf einen Ruck durch den Schock: womöglich rüttele das die 164 Mitglieder auf, sich engagierter als vorher für Reformen einzusetzen.
Die geordnete Streitschlichtung ist eine der Errungenschaften der Organisation. Erstmals konnten sich Mitgliedsländer gegen ihrer Ansicht nach unfaire Handelshemmnisse anderer Länder wehren können. Rund 600 Fälle wurden seit 1995 zur Streitschlichtung angemeldet. Statt sich gegenseitig mit ruinösen Strafzöllen zu überziehen, haben Mitgliedsländer die WTO-Urteile akzeptiert und ihre Praktiken geändert oder dann erlaubte Strafzölle in Kauf genommen.
US-Präsident Donald Trump hat sich von diesem System bereits entfernt und eigenmächtig Strafzölle im Milliardenumfang gegen China, die EU und andere Handelspartner verhängt. Alle haben deshalb WTO-Streitschlichter eingeschaltet. Eine Verurteilung müssen die USA aber nicht fürchten, solange es keine Berufungsrichter gibt.
US-Blockade: China sieht bisher 'schwersten Schlag' gegen WTO
China hat die amerikanische Blockade der Welthandelsorganisation (WTO) scharf kritisiert. Die Streitschlichtung bei internationalen Handelskonflikten sei zu "einem weiteren Opfer des Unilateralismus und Protektionismus der USA geworden", sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Hua Chunying, am Mittwoch vor Journalisten in Peking. "Es ist der schwerste Schlag für das multilaterale Handelssystem seit Gründung der WTO."
Die Lähmung der Berufungsinstanz, indem die USA eine Ernennung neuer Richter verhindern, "könnte irreparablen Schaden und unvorhergesehene Konsequenzen nach sich ziehen", warnte die Außenamtssprecherin. Der Mechanismus werde von denen geschätzt, die den Multilateralismus respektierten, aber nicht von jenen, "die an die Gesetze des Dschungels glauben". Die Weltgemeinschaft könne nicht zulassen, "dass einzelne Länder und Personen tun, was sie wollen".
Die Streitschlichtung zählt zu den größten Errungenschaften der WTO. Damit können sich Mitgliedsländer gegen ihrer Ansicht nach unfaire Handelshemmnisse anderer Länder wehren. Rund 600 Fälle wurden seit Gründung der WTO 1995 angemeldet. Doch seit Mittwoch ist das Gremium nicht mehr handlungsfähig, da die USA seit Jahren eine Nachbesetzung der Berufungsrichter verhindern.
Für jedes Verfahren sind drei von normalerweise sieben Richtern nötig. Jetzt sind zwei weitere Mandate ausgelaufen, so dass nur noch die Chinesin Hong Zhao verblieben ist, die aber allein nicht handeln kann.
Bundesregierung bedauert US-Blockade der WTO
Die Bundesregierung hat die US-amerikanische Blockade der Welthandelsorganisation (WTO) kritisiert und arbeitet zugleich an Übergangslösungen. Eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte am Mittwoch in Berlin, man nehme "mit großem Bedauern" zur Kenntnis, dass die Streitschlichtung bei internationalen Handelskonflikten nicht mehr funktionsfähig sei. Grund ist, dass die USA die Ernennung neuer Berufungsrichter blockieren.
Die WTO sei das zentrale Instrument für einen freien und regelbasierten Welthandel, so die Sprecherin Altmaiers. Es seien Vorschläge für eine Reform der WTO gemacht worden. Eine Sprecherin von Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte, man spreche mit Staaten über zeitlich befristete Übergangslösungen zur Streitschlichtung, wenn die WTO weiterhin blockiert werde.
GENF (dpa-AFX)
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