IMK: Rezessionswahrscheinlichkeit steigt rasant - knapp 80 Prozent
Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft in den kommenden drei Monaten eine Rezession durchläuft, ist nach Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) auf knapp 80 Prozent gestiegen.
"Damit ist es sehr wahrscheinlich, dass die Konjunktur auch im Sommerquartal nicht aus der akuten Schwächephase herausfindet", erklärte das Institut. Der IMK-Konjunkturindikator weise für den Zeitraum von Juli bis Ende September eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 78,5 Prozent aus, nachdem sie im Juni für die folgenden drei Monate noch 49,3 Prozent betragen habe. Der nach dem Ampelsystem arbeitende Indikator zeige daher "rot", was eine akute Rezessionsgefahr markiere.
Dass das Rezessionsrisiko für die kommenden Monate kurzfristig so deutlich gestiegen ist, geht nach Angaben des IMK wesentlich auf die Eintrübung von Finanzmarktindikatoren zurück, was das Institut auch mit der Leitzinserhöhung durch die Europäische Zentralbank (EZB) im Juni in Verbindung bringt. Auch Stimmungsindikatoren wie der Ifo-Geschäftsklimaindex zeigten nach unten.
Aus der Realwirtschaft kämen zwar nicht nur negative Signale, erklärte IMK-Konjunkturexperte Thomas Theobald. So hätten sich die Auftragseingänge für die Industrie nach den aktuellsten verfügbaren Daten für Mai etwas erholt. Das werde aber überlagert von negativen Trends wie der zuletzt sehr schwachen Entwicklung der Produktion im Bausektor und bei energieintensiven Branchen wie der Chemieindustrie. Die Aussichten für die deutsche Exportwirtschaft seien angesichts einer lahmenden Weltkonjunktur verhalten. Hinzu komme die Konsumzurückhaltung vieler Haushalte. Auch gebe es "erste Anzeichen der konjunkturellen Schwäche am Arbeitsmarkt", so einen Rückgang bei den Stellenangeboten.
"Die deutsche Wirtschaft erholt sich sehr viel zögerlicher von der Rezession zur Jahreswende 2022/2023, als es viele Prognostikerinnen und Prognostiker erwartet hatten", sagte IMK-Chef Sebastian Dullien. "Im Gesamtjahr 2023 dürfte das deutsche Bruttoinlandsprodukt nun spürbar unter dem Vorjahreswert liegen." In seiner aktuellen Konjunkturprognose geht das IMK von einem BIP-Rückgang um 0,5 Prozent in diesem Jahr aus.
Umso wichtiger sei es, nun konjunkturelle Schadensbegrenzung zu betreiben. "In dieser Gemengelage sind die Risiken einer zu restriktiven Geldpolitik, wie sie die EZB für ihre kommende Leitzinsentscheidung Ende Juli schon in Aussicht gestellt hat, für die deutsche Wirtschaft erheblich", warnte Theobald. Die stark gestiegenen Zinsen hätten Konjunktur und Nachfrage bereits so deutlich gebremst, dass davon keine Inflationsimpulse ausgingen. Die Notenbank sollte deshalb von der für Juli angekündigten und von weiteren Zinserhöhungen vorerst absehen.
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)
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