Risiken in Europa: US-Aktien als Risikopuffer
Das Marktumfeld in Europa ist durch eine mögliche Wiederkehr der Währungskrise und geopolitische Risiken wie dem Konflikt in der Ukraine schwieriger geworden. Anleger sollten sich durch US-Aktien absichern.
von Christian Funke, Gastautor von Euro am Sonntag
Vor der Eurokrise spielten US-amerikanische Aktien eine eher untergeordnete Rolle in den Überlegungen zum Risikomanagement europäischer Anleger. Denn die Renditen des US-amerikanischen und des europäischen Aktienmarkts waren währungsbereinigt stark voneinander abhängig, weil beide Märkte Anlegern in Krisenzeiten als sichere Häfen gedient haben. Dies hatte zur Folge, dass europäische Anleger durch Beimischung von US-Aktien keine signifikante Risikoreduktion in ihren Portfolios erreichen konnten.
In den vergangenen fünf Jahren hat sich dies grundlegend verändert: Durch die Verschuldungskrise wurde die Eurozone nicht nur immer mehr zum Krisenzentrum der Weltwirtschaft, sie wurde auch generell deutlich anfälliger für makroökonomische Turbulenzen. Selbst kleinere wirtschaftliche Probleme befeuerten die Angst der Investoren vor einem erneuten Aufflackern der Krise. Diese erhöhte Anfälligkeit der Eurozone hat auch Auswirkungen auf das Zusammenspiel des europäischen und des US-Aktienmarktes. Im Zuge dessen übernimmt der US-Markt die Rolle des sicheren Hafens für Anleger mehr und mehr allein.
Vor diesem Hintergrund hat sich auch der Einfluss des Euro-Dollar-Wechselkurses auf die relative Wertentwicklung europäischer und US-Aktien geändert: Vor der Finanzkrise liefen US-Werte tendenziell schlechter als europäische, wenn der Dollar gegenüber dem Euro aufwertete. Denn der Markt nahm die stärkere Währung mehr oder weniger einseitig als Belastung für das Geschäft von US-Unternehmen auf. Seit 2009 hat sich dieser Zusammenhang umgekehrt. Auch ein stärkerer Dollar geht seitdem mit einer Überrendite der US-Aktien einher, weil mögliche Währungsbelastungen für US-Unternehmen - verglichen mit den Herausforderungen in Europa - am Markt weniger stark wiegen.
Risiko in US-Aktien ist um ein Drittel
geringer als in Europa
Diese Entwicklungen haben erhebliche Auswirkungen auf die währungsbereinigten Aktienrenditen aus Sicht eines Anlegers, der in Euro rechnet. Bis zur Finanzkrise 2008 haben europäische und US-Werte sich weitgehend im Gleichschritt bewegt. In den vergangenen Jahren haben beide Märkte sich jedoch zunehmend entkoppelt. Die Zahlen belegen diesen Trend: Auf einer Skala von null bis eins, auf der null eine komplett voneinander unabhängige Entwicklung und eins einen perfekten Gleichlauf bedeutet, lag der Zusammenhang von europäischen (gemessen am Index Euro Stoxx) und US-Aktien (gemessen am S & P 500 und berechnet in Euro) zwischen den Jahren 2000 und 2008 bei 0,84. Zwischen 2009 und 2014 lag der Wert mit 0,57 deutlich niedriger (Stichtag: 30.09.).
Auch ein Blick auf die Schwankungsanfälligkeit beider Märkte belegt die stärkere Unabhängigkeit von europäischen und US-Aktien in den vergangenen Jahren: Die Volatilität der Quartalsrenditen betrug seit Anfang 2009 im Euro Stoxx rund 19,6 Prozent im Jahr, aber nur 13,2 Prozent im US-Index S & P 500, wenn man in Euro rechnet. Das heißt, aus der Sicht eines Euroinvestors ist das Risiko des US-Aktienmarktes um ein Drittel niedriger als am europäischen Markt. Anhand der maximalen Verluste wird der Unterschied noch deutlicher: Der sogenannte Maximum Drawdown betrug beim S & P 500 aus Sicht eines Euroinvestors nur 10,0 Prozent, während der Euro Stoxx im Jahr 2011 bis zu 24,5 Prozent verlor.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Situation auf absehbare Zeit Bestand haben wird. Denn die andauernde Eurokrise und geopolitische Konflikte, die den Euro belasten, dürften nicht so schnell zu lösen sein. Beispielsweise sind europäische Firmen von den Auswirkungen der Ukraine-Krise aufgrund der größeren wirtschaftlichen Verflechtung mit Russland tendenziell stärker betroffen als amerikanische Firmen. Daraus folgen ungünstigere Konjunkturaussichten, insbesondere für Deutschland. Somit dürfte die Funktion des US-Marktes und des Dollar als sicherer Hafen bestehen bleiben.
Angesichts dieses Umfelds ist anzunehmen, dass der risikoreduzierende Charakter des US-Aktienmarktes für europäische Anleger noch mehrere Jahre Bestand haben dürfte. Anleger sollten dies in die Überlegungen zu ihren Anlagestrategien einbeziehen. Sie sollten prüfen, inwiefern ein signifikanter Anteil an US-Aktien helfen kann, die Chance-Risiko-Profile ihrer Gesamtportfolios zu optimieren.
Kurzvita
Christian Funke,
Vorstand bei
Source For Alpha
Dr. Christian Funke ist Vorstand des Frankfurter Asset Managers Source For Alpha und Manager der Fonds S4A US Long, S4A EU Pure Equity und S4A Pure Equity Germany. Zuvor war Funke als Berater und Gutachter für verschiedene internationale Banken und Asset Manager tätig. Funke hat mehr als zehn Jahre Erfahrung in der empirischen Kapitalmarktforschung und dem Management von
systematischen Aktienstrategien.
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