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DWP-Bank - Die große Unbekannte aus Frankfurt

02.09.10 17:30 Uhr

Als Dienstleister für andere Geldinstitute führt die DWP-Bank die ­Depots der meisten Privatanleger. Dem Gros der Anleger sagt der Name Deutsche WertpapierService Bank (oder kurz: DWP-Bank) nichts.

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von Jens Castner, Euro am Sonntag

Sogar als Millionenfrage bei Günther Jauch wäre das fies: Die Bank mit den meisten Wertpapierdepots in Deutschland heißt …? Tja, hmm, ja wie denn eigentlich? Dem Gros der Anleger sagt der Name Deutsche WertpapierService Bank (oder kurz: DWP-Bank) nichts, obwohl die meisten über ihre Hausbank dort Kunden sind.

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Die 2000 Mitarbeiter der großen Unbekannten aus Frankfurt betreuen für andere Banken 7,8 Millionen Kundendepots, sechs Millionen davon sind Privatanlegern zuzurechnen. Da die Anzahl der Aktionäre im Land nach der jüngsten Erhebung des Deutschen Aktieninstituts gerade noch 8,6 Millionen beträgt, macht das 70 Prozent Marktanteil. Tja, hmm, ja doch nicht ganz.

Wegen der großen Zahl von Zweit- und Drittdepots könne man das so nicht rechnen, erklärt Unternehmenssprecher Thomas Strelow. Aber: „Zwei Drittel aller Banken in Deutschland haben die Wertpapierabwicklung zu uns outgesourct. Das sind immerhin über 1600 Institute. Und jeder Depotinhaber bekommt mindestens einmal im Jahr Post von uns, ohne es zu merken.“

Der jährliche Depotauszug, den Kunden der Volks- und Raiffeisenbanken, der meisten Sparkassen und von 35 privaten Geldinstituten er­halten, kommt in Wahrheit von der DWP-Bank. Zu erkennen ist das, wenn überhaupt, nur am Poststempel. Als Absender steht der Name der jeweiligen Endkundenbank auf dem Schreiben, kein DWP-Logo deutet darauf hin, dass nahezu alle Finanzhäuser die aufwendige Depotführung längst ausgelagert haben.

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Die DWP-Bank sei so etwas wie die graue Eminenz im Hintergrund, unterstreicht Vorstandschef Ralf Gissel. Eine Transaktionsbank, die sich als Full-Service-Anbieter um die Abwicklung von Wertpapiergeschäften jedweder Art kümmert, ein Infrastrukturdienstleister für den Finanzplatz Deutschland.


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Die meisten Depotinhaber bekommen deshalb sehr viel häufiger Post von einem der acht deutschen DWP-Standorte. Jeder Kauf, jeder Verkauf, jede Dividendenzahlung und jede Kapitalmaßnahme löst eine Mitteilung an die Anleger aus. Die DWP-Bank ist weltweit an alle relevanten Börseninformationssysteme angeschlossen, schließlich darf kein Aktiensplit einer afrikanischen Goldmine übersehen, keine Sonderausschüttung eines isländischen Nebenwerts vergessen werden. Über 400 IT-Mitarbeiter sind damit beschäftigt, die Technik auf dem aktuellen Stand zu halten – und zu vereinheitlichen. „Die DWP-Bank in ihrer heutigen Form ist das Ergebnis von 14 Fusionen und Teilfusionen“, erklärt Ralf Droz, der das Ressort Vertriebskommunikation verantwortet. „Deshalb laufen derzeit noch unterschiedliche Systeme parallel.“

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Die Zusammenführung zu einer einheitlichen IT-Architektur soll bis Jahresende abgeschlossen sein. Ohne Beschäftigung wird die IT-Mannschaft auch danach nicht sein. Zu tun gibt es schon wegen der ständigen Gesetzesänderungen genug, wie das Mammutprojekt Abgeltungsteuer zeigte, das im IT-Budget mit 18 Millionen Euro zu Buche schlug. Vor allem aber muss die Sicherheit gewährleistet sein. Selbst von einem kompletten Systemausfall würden Anleger nichts mitbekommen. Die Orders würde dann über eine Umleitung den Weg an die Börse finden. Redundantes Orderrouting heißt das in der Fachsprache.

Den Stresstest nach der Lehman-Pleite haben die DWP-Systeme bereits bestanden – keine Ausfaller­schei­nungen. „Wir könnten den kom­plet­ten Xetra-Handel auf unseren Systemen darstellen“, sagt Droz. „Wenn es, wie beispielsweise im Derivatehandel, zu Störungen kam, lag das bestimmt nicht an uns.“

Sechs Millionen Privatkunden­depots ermöglichen tiefe Einblicke in das Anlageverhalten der Deutschen. Aus diesem Grund stellte die DWP-Bank kürzlich eine Studie vor, die mit einem Vorurteil aufräumt: Privatinvestoren kaufen keineswegs zu Höchstkursen und verlieren am Tiefpunkt die Nerven. Im Gegenteil: „Die Daten belegen seit nunmehr 24 Monaten mit großer Konstanz, dass die Privatanleger sich konträr zur jeweiligen Börsenentwicklung verhalten. Schwächephasen werden weiterhin zum Kauf genutzt“, betont Vertriebsvorstand Karl-Martin im Brahm.

Da die Daten über das Verhalten der Privatanleger folglich einiges über die aktuelle Marktverfassung und die Einschätzung zu bestimmten Einzelaktien aussagen, werden sie künftig in jeder ersten Ausgabe eines Monats auf den Analyseseiten von €uro am Sonntag veröffentlicht. Dann wird sich auch langfristig zeigen, ob Institutionelle tatsächlich cleverer sind oder ob der eine oder andere hochbezahlte Profi auf die Frage nach dem Mehrwert seiner Strategie mit einem verschämten „Tja, hmm …“ antworten muss.

Investor-Info

Das Geschäftsmodell
Da der elektronische Börsenhandel anonym abläuft, muss jemand klären, welche Stücke welchem Depot zu­zuordnen und welche Geldströme mit den Transaktionen verbunden sind. Das nennt sich Clearing und Settlement und ist ein Teil des Transaction Bankings – dem Kerngeschäft der DWP-Bank. Zur Dienstleistungspalette der nicht börsennotierten Bank zählt neben der Depotführung auch die Verwahrung von Wertpapieren. „Zu jeder Aktie gibt es ein Dokument, deshalb werden immer noch in erheblichem Umfang Urkunden bewegt“, erklärt Vertriebsmann Ralf Droz. Auch wenn keine effektiven Stücke im Umlauf sind, existieren Globalurkunden, die Tausende oder auch Millionen von Aktien bündeln. Auch diese Masteraktien werden, getrennt nach Mantel und Bogen, im Tresor der DWP-Bank – einem der größten und bestgesicherten der Republik – aufbewahrt. Zwölf Mitarbeiter kümmern sich im Tresorraum um sechs Millionen Urkunden. Hinzu kommt ein Netzwerk von über 70 Lagerstellen in aller Welt. Insgesamt beläuft sich das Verwahrvolumen der betreuten Depots auf 1,8 Billionen Euro.

Die Daten
Die Statistiken der DWP-Bank stellen so ziemlich alles auf den Kopf, was vermeintliche Experten über das Anlegerverhalten zu wissen glauben: Die Mehrheit der Privatanleger handelt antizyklisch, wie die Auswertung von sechs Millionen Depots über 24 Monate ergab. Folglich muss das Wechselspiel von Euphorie und Panik von anderen Marktteilnehmern veranstaltet werden – und da bleiben nur die Institutionellen übrig. Demnach kann es auch um die Anlageberatung in Deutschland nicht so schlecht bestellt sein: Die DWP-Bank wickelt unter anderem die Depotführung für fast alle Genossenschaftsbanken, für 80 Prozent der Sparkassen und für die Postbank ab – Institute, die einen hohen Anteil an Beratungskunden haben.

Der Kaufquotient
Um aus den Transaktionen aussagekräftiges Datenmaterial zu erhalten, ermitteln die Experten der DWP-Bank zunächst das Handelsvolumen – getrennt nach Käufen und Verkäufen. Im zweiten Schritt wird das Kaufvolumen durch das Verkaufsvolumen geteilt. Das Ergebnis nennt sich Kaufquotient. Ist der Quotient größer als 1,0, bedeutet das, dass per saldo mehr ge- als verkauft wird. Umgekehrt sagt ein Wert unter 1,0, dass die Verkäufe überwiegen. Die unten stehende Auswertung der Kaufquotienten für die DAX-Familie (umfasst 160 Aktien aus DAX, MDAX, TecDAX und SDAX) zeigt, dass sich Privatanleger selbst von der Lehman-Pleite nicht ins Bockshorn jagen ließen: Die höchsten Kaufquotienten im Zweijahresrückblick waren von Oktober bis Dezember 2008 zu verzeichnen. In ausgeprägten Erholungsphasen dagegen nahmen Privatinvestoren konsequent Gewinne mit – am stärksten im Zeitraum zwischen Juli und Oktober 2009.

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