Kursgewinne für US-Börsen werden im neuen Jahr wohl schwieriger
Nach drei beeindruckenden Jahren könnte der geldpolitische Straffungskurs der US-Notenbank Fed die Rally des US-Aktienmarktes 2022 ins Stocken bringen.
Für Unruhe sorgen könnten aber auch die weiterhin nicht beendete Corona-Pandemie sowie politische Ereignisse wie die US-Senatswahlen im Herbst. Experten trauen dem Dow Jones 30 Industrial sowie dem S&P 500 zwar weitere Gewinne zu, allerdings könnte es holprig werden.
2021 legte der breit gefasste US-Index S&P 500 bis kurz vor Jahresultimo um etwa ein Viertel zu. Das ist - trotz der Corona-Krise, die die Börsen im Frühjahr 2020 hatte beben lassen - der dritte Jahresgewinn in Folge. Seit Ende 2018 summiert sich das Plus damit auf mehr als 90 Prozent. Eine längere Gewinnserie hatte es zuletzt im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gegeben, direkt vor der Weltfinanzkrise 2008/09.
Mit knapp 4800 Punkten notiert der S&P 500 aktuell auf Rekordniveau. Dabei ging es seit Mitte November aber etwas holpriger zu. Unklarheit über den geldpolitischen Kurs der US-Notenbank und das Auftauchen der Omikron-Variante des Coronavirus hatten Investoren verunsichert. Gegen Ende eines starken Jahres wollte keiner auf dem falschen Fuß erwischt werden, Anleger machten erst einmal Kasse.
Mittlerweile hat die Fed für mehr Klarheit gesorgt. Mitte Dezember reagierte sie auf die hohe Inflation: der Ausstieg aus der extrem lockeren Geldpolitik erfolgt schneller als noch wenige Wochen zuvor gemeinhin erwartet. Die milliardenschweren Käufe von Wertpapieren wie Staatsanleihen werden rasch zurückgefahren. Zudem zeichnen sich 2022 drei Leitzinserhöhungen ab.
Wenngleich Investoren klare Perspektiven mögen, könnte die Geldpolitik den Börsenboom zumindest dämpfen. Denn steigende Renditen an den Anleihemärkten lasten oftmals auf Aktienkursen hoch bewerteter Unternehmen. Und dabei handeln US-Aktien mit einem Aufschlag von rund 30 Prozent im Vergleich zum Kurs-Gewinn-Verhältnis der Vergangenheit, wie Ulrich Urbahn, Leiter Multi Asset Strategy & Research bei der Privatbank Berenberg, erklärt. Steigende Anleiherenditen dürften vor diesem Hintergrund tendenziell zu einer Normalisierung der Bewertungsniveaus führen.
Eine solche Normalisierung muss aber nicht Kurseinbußen bedeuten - vorausgesetzt die Unternehmensgewinne entwickeln sich ausreichend gut. Und die Aussichten hierfür scheinen gar nicht so schlecht. So rechnet der Chef-Marktstratege von der US-Bank JPMorgan, Marko Kolanovic, 2022 mit "einer vollständigen globalen Erholung, dem Ende der globalen Pandemie und einer Rückkehr zum normalen Vor-Corona-Umfeld." Eine zunehmende Corona-Immunität der Menschen und neue Behandlungsmöglichkeiten für Covid-19 machten das möglich. Das schaffe Platz für eine starke zyklische Wirtschaftserholung, eine Rückkehr der globalen Mobilität sowie hohes Wachstum der Ausgaben von Verbrauchern und Unternehmen.
Auch die Experten der französischen Großbank Societe Generale setzen auf eine weitere Konjunkturerholung. Daneben sehen auch sie in der Zinspolitik der Fed einen wesentlichen Börsentreiber im neuen Jahr. Da die Fed den Zins wohl erst im späteren Jahresverlauf anheben werde, seien die Perspektiven für die US-Börsen insbesondere für das erste Halbjahr positiv, erklären sie in einer aktuellen Studie. Anschließend dürften die Schwankungen zunehmen. So sei der S&P 500 um den Beginn eines jeden Zinserhöhungszyklus herum gefallen. Da aber der Auftakt eines solchen Zyklus in der Regel die Unternehmensgewinne noch nicht belaste, dürfte es nach einem möglichen ersten Rutsch wieder nach oben gehen.
Die Strategen der Societe Generale trauen dem S&P 500 in diesem Umfeld bis Ende 2022 einen Anstieg auf 5000 Punkte zu. Mit einem Plus von gut vier Prozent liegt die Erwartung damit ungefähr auf dem Niveau der Prognose von JMorgan in Höhe von 5050 Zählern.
Deutlich vorsichtiger ist die US-Aktienmarktstrategin Savita Subramanian von der Bank of America. In einem Ausblick Ende November kalkulierte sie mit einem S&P-500-Ziel von 4.600 Punkten für Ende 2022, also mit einem leichten Kursrückgang. Sie verweist auf hohe Aktienbewertungen und hohe Erwartungen der Investoren, während die Zinsen steigen dürften und es Gegenwind für die Konsumausgaben der US-Verbraucher gebe. So könnten höhere Zinsen das in den vergangenen Jahren viel beschworene Argument konterkarieren, dass es im Niedrigzinsumfeld kaum Alternativen zu Aktien gebe.
Neben der Geldpolitik und dem Wirtschaftswachstum gibt es weitere Themen, die Anleger nicht aus den Augen lassen sollten. JPMorgan-Stratege Kolanovic sieht in den geopolitischen Spannungen in Europa und Asien Risiken für die Finanzmärkte. So hatte China in den vergangenen Monaten gegenüber Taiwan, das es als Teil des Riesenreiches sieht, militärisch die Muskeln spielen lassen. Und auch der Ausgang des aktuellen Konflikts zwischen der Nato und Russland, in dessen Zentrum die Ukraine gerückt ist, bleibt offen.
Im Herbst werden sich dann alle Augen auf die US-Zwischenwahlen richten. Bei der Wahl im November werden das komplette Repräsentantenhaus und etwa ein Drittel der Sitze im Senat neu vergeben. Falls aktuelle Umfragen richtig liegen, könnten die Demokraten in beiden Kammern ihre knappe Mehrheit verlieren. Dann dürfte US-Präsident Joe Biden in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit kaum mehr etwas durch den Kongress bringen - die Republikaner könnten seine Vorhaben blockieren.
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NEW YORK (dpa-AFX)
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