Commerzbank-Experte: Konsum wird wichtigste deutsche Wachstumsstütze
Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen erwartet, dass der private Konsum in den nächsten Monaten die wichtigste Stütze des Wirtschaftswachstums in Deutschland sein wird.
"Zum einen werden andere Nachfragekomponenten wie die Exporte und die Ausrüstungsinvestitionen noch einige Zeit durch die weltweiten Materialengpässe in der Industrie gebremst, zum anderen hat der private Verbrauch im Vergleich zu der Situation vor Ausbruch der Pandemie am meisten aufzuholen", schreibt Commerzbank-Experte Solveen in einem Kommentar. Eine Auflösung unfreiwilliger Ersparnisse braucht es dazu seiner Meinung nach nicht.
Während sich Investitionen und Exporte im Winterhalbjahr robust zeigten, brach der private Konsum aufgrund der coronabedingten Kontaktbeschränkungen erneut ein und war im ersten Quartal preisbereinigt um 11 Prozent niedriger als Ende 2019, also vor der Pandemie. Zugleich lagen die real verfügbaren Einkommen im ersten Quartal aber nur um 2 Prozent unter dem Niveau von Ende 2019, und die nominalen Einkommen waren sogar etwas höher, wie Solveen vorrechnet. "Der Rückgang bei den Nettolöhnen sowie den Einkommen aus Betriebsüberschüssen, selbständigen Tätigkeiten und Vermögen wurde durch zusätzliche Transfers des Staates wie das Kurzarbeitergeld zwischenzeitlich mehr als ausgeglichen", schreibt er.
In der Folge stieg die Sparquote der privaten Haushalte teilweise auf über 20 Prozent und war damit fast doppelt so hoch wie der langfristige Durchschnitt. "Zwischen Anfang 2020 und dem Ende des ersten Quartals dieses Jahres haben die privaten Haushalte damit - in den meisten Fällen unfreiwillig - mehr als 160 Milliarden Euro mehr auf die hohe Kante gelegt, als sie es bei einer Sparquote auf dem Niveau von deren langfristigen Durchschnitt getan hätten", kalkuliert Solveen. Das entspreche fast 8 Prozent des jährlichen verfügbaren Einkommens, und im zweiten Quartal dürften diese "Corona-Ersparnisse" noch einmal deutlich zugenommen haben.
Solveen glaubt nicht, dass die Haushalte diese Ersparnisse demnächst ausgeben werden. "Natürlich wird mancher Haushalt, dessen Kasse am Ende des Monats normalerweise leer ist und in der nun noch Geld vorhanden ist, sich einen lange gehegten Wunsch erfüllen. Der größte Teil dieser Ersparnisse dürfte aber von Haushalten gebildet worden sein, die solche Budgetbeschränkungen in normalen Zeiten zumindest nicht spüren", gibt er zu bedenken.
Trotzdem wird der private Verbrauch seiner Einschätzung nach in den kommenden Quartalen voraussichtlich in einem Ausmaß zunehmen, wie er es in den vergangenen 50 Jahren nicht getan habe. "So lange die Delta-Variante des Virus nicht weitere Lockerungen verhindert oder die Politik sogar zu neuerlichen Einschränkungen veranlasst, spricht nichts dagegen, dass die privaten Haushalte ihr Ausgabeverhalten normalisieren, also die Sparquote wieder auf ihr normales Niveau von knapp 11 Prozent absenken", prognostiziert Solveen. Schon das alleine würde den privaten Verbrauch bei unverändertem Einkommen um mehr als 11 Prozent steigen lassen.
DJG/hab/kla
FRANKFURT (Dow Jones)
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