Aufhellung

Energiepreise sinken: IfW erwartet 2023 BIP-Wachstum von 0,3 Prozent

15.12.22 10:23 Uhr

Energiepreise sinken: IfW erwartet 2023 BIP-Wachstum von 0,3 Prozent | finanzen.net

Die Aussichten für die deutsche Konjunktur haben sich nach der Analyse des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) "infolge gesunkener Energiepreise etwas aufgehellt".

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte laut IfW in diesem Jahr um 1,9 Prozent zulegen, 0,5 Prozentpunkte mehr als in der Herbstprognose erwartet, wie das Institut mitteilte. Im Jahr 2023 könne die Wirtschaft mit einem leichten Plus von 0,3 Prozent rechnen, statt einem Minus von 0,7 Prozent. Gleichwohl belaste die Energiekrise die Wirtschaftskraft stark. Im Jahr 2024 soll das BIP dann laut der Prognose um 1,3 Prozent steigen.

Die Inflation dürfte 2022 bei 8,0 Prozent und 2023 bei 5,4 Prozent liegen anstatt bislang erwarteter 8,7 Prozent. Für 2024 wird eine Teuerung von 2,2 Prozent erwartet.

"Die deutsche Wirtschaft kann zwar etwas aufatmen, allerdings sollte sich angesichts massiver Risiken niemand zurücklehnen, am allerwenigsten die Wirtschaftspolitik", sagte IfW-Vizepräsident Stefan Kooths. Für das Winterhalbjahr erwarte das Institut noch einen leichten Rückgang der Wirtschaftsleistung, für die folgenden Quartale zeichne sich im Gegensatz zur Prognose aus dem Herbst aber eine positive Entwicklung ab. Grund für die nun leicht verbesserten Aussichten seien die weniger stark als erwartet gestiegenen Energiepreise für Unternehmen und Verbraucher, auch infolge staatlicher Eingriffe mittels Preisbremsen für Gas und Strom.

Verglichen mit den Konjunkturerwartungen vom Winter 2021 vor dem Ukraine-Krieg reduziere sich die Wirtschaftsleistung allein in den Jahren 2022 und 2023 um 180 Milliarden Euro und liege am Ende dieses Zeitraums 4 Prozent niedriger. Die hohen Großhandelspreise für Gas und Strom, die sich ausgehend von den Rekordständen im August und September beim bis zu Zehnfachen der vor 2021 üblichen Niveaus eingependelt hätten, verteuerten Deutschlands Energieimporte erheblich. Im Jahr 2022 fließen dafür laut den Kieler Berechnungen im Vergleich zum Vorjahr knapp 80 Milliarden Euro zusätzlich ins Ausland, 2023 sind es demnach nochmals 45 Milliarden Euro mehr.

Entsprechend deutlich belasteten die Strom- und Gaspreisbremse die öffentlichen Haushalte, die dadurch in den kommenden beiden Jahren Mehrausgaben von insgesamt über 100 Milliarden Euro hätten. Das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit steige nach gut 60 Milliarden Euro oder 1,7 Prozent vom BIP in diesem Jahr auf 160 Milliarden Euro oder 4 BIP-Prozent im Jahr 2023. Im Jahr 2024 gehe das Defizit wieder auf rund 90 Milliarden Euro respektive 2,2 Prozent zurück, der Bruttoschuldenstand liege dann bei knapp 68 Prozent.

IfW will keine Dauersubventionen gegen Krise

Die staatlichen Subventionen für Gas- und Stromkunden drücken die Inflationsrate im kommenden Jahr laut dem Institut für sich genommen um 2,4 Prozentpunkte. Der Wegfall ab April 2024 hebe sie im selben Jahr um 1,1 Prozentpunkte. "Die niedrigere Inflationsrate im kommenden Jahr wird über massive Subventionen teuer erkauft, die die Energiekrise nur vordergründig mildern. Die Hilfen sind viel zu breit angelegt und erhöhten so an anderer Stelle den Inflationsdruck. Das ist weder markt- noch stabilitätsgerecht", kritisierte Kooths. "Die Krise lässt sich nicht durch Dauersubventionen überbrücken, sondern muss an der Wurzel gepackt werden." Nötig sei eine neue energiepolitische Strategie, die fundamental das Energieangebot stärke.

Der Arbeitsmarkt zeige sich trotz der wirtschaftlichen Abkühlung robust, auch weil die Unternehmen nach wie vor händeringend nach Fachkräften suchten. Die Arbeitslosenquote dürfte nur leicht steigen, von 5,3 Prozent in diesem Jahr auf 5,5 Prozent im nächsten. 2024 soll sie laut der Prognose bei 5,4 Prozent liegen. Die Industrie werde durch die Energiekrise zwar schwer getroffen, gleichwohl profitiere sie von einem auch als Folge der weltweiten Lieferengpässe ungewöhnlich hohen Auftragsbestand, der alleine fast 8 Monate die Produktion sichere.

Die Bruttowertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe dürfte daher trotz schwierigem wirtschaftlichem Umfeld im In- und Ausland in den beiden kommenden Jahren um jeweils rund 3 Prozent steigen. Die Exporte dürften in diesem Jahr um 2,8 Prozent zulegen, 2023 um 1,9 Prozent und 2024 um 3,6 Prozent. "Deutschlands wirtschaftliche Aussichten stehen auf sehr unsicherem Grund, denn die Risiken in der Energieversorgung sind weiterhin enorm", warnte Kooths aber. Eine Gasmangellage im nächsten Winter sei keineswegs vom Tisch, Mengen und Preise der Flüssiggasversorgung im kommenden Jahr seien noch unklar. "Das Konjunkturbild hat sich nun leicht aufgehellt, aber für Entwarnung ist es noch zu früh", so Kooths.

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)

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