Aufgetaucht

Florian Homm: Ich war angewidert von mir selbst

aktualisiert 09.11.12 09:43 Uhr

Einst mischte er die Bremer Vulkan auf, den BVB und WCM: Doch am 18. September 2007 tauchte der Hedgefondsmanager Florian Homm plötzlich unter. Jetzt meldet sich das einstige Enfant Terrible der Finanzbranche mit einer Autobiographie zurück und gibt sich geläutert und lammfrom. Alles nur Show?


von Thomas Schmidtutz, Euro am Sonntag

München. Keine Namen am Telefon, ein geheimer Treffpunkt, dazu Bodyguards, Leibesvisitation und geschlossene Vorhänge im Hotelzimmer, damit mögliche Attentäter erst gar kein Ziel haben: Wenn Florian Homm nach fünf Jahren unvermittelt auftaucht, gelten ein paar Sicherheitshinweise und die Umstände für ein Gespräch sind entsprechend abenteuerlich. Aber Homm geht lieber auf Nummer sicher. Kein Wunder: Die US-Börsenaufsicht SEC fahndet seit gut zwei Jahren nach ihm, die Rockergruppe Hells Angels soll noch eine Rechnung mit ihm offen haben. Und bis vor ein paar Wochen war auch noch ein Kopfgeld von 1,5 Millionen Euro auf ihn ausgesetzt.
€uro am Sonntag sprach mit Homm über sein Leben im Untergrund, seine gerade erschienene Autobiographie und den anstrengenden Weg vom Saulus zum Paulus.

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Herr Homm, Sie sind im September 2007 Hals über Kopf verschwunden. Jetzt melden Sie sich überraschend zurück und haben auch gleich noch eine Autobiographie dabei. Was ist passiert: Haben Sie Ihr Eremitendasein satt?
Ich habe in den vergangenen fünf Jahren meinen Augiasstall ausgemistet und bin mir klar darüber geworden, was ich mit meinem restlichen Leben anfangen will. Da ist ein Eremitendasein ja nicht so schlecht.

Auf viele wirkte Ihr plötzlicher Abgang damals aber eher wie eine Flucht?
Das war keine Flucht.
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Sondern?
Natürlich musste man sich etwas Mühe geben, um mit mir in Kontakt zu treten. Aber ich war lokalisierbar. Ich war sehr häufig in Frankreich, und als Liberianischer Kulturattache und UNESCO Delegierter tätig. Ich war wie jeder akkreditierte Diplomat offiziell in Frankreich gemeldet. Meine offizielle Presserklärung vom September 2007 hat alle relevanten Kontaktdaten meines Anwalts aufgeführt. Ich war kontaktierbar.

Und jetzt tauchen Sie einfach so wieder auf?
Ich musste viele Dinge mit mir klären. Zum Zeitpunkt meines Abgangs war ich im dritten Jahrzehnt der Geldvermehrung und hatte fest die Milliarde Euro im Visier. Ich habe geglaubt, dadurch würde ich das Glück finden, durch einen dritten noch besseren Flieger, ein noch schnelleres Speedboot und ein noch größeres Haus. Aber dann musste ich mir eingestehen, dass die nach noch mehr Kohle und noch mehr Spielzeugen mir absolut nichts gebracht hat – außer einem persönlichen Desaster. Es war schrecklich und ich war angewidert von mir selbst.
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Aber was war der Auslöser, dass Sie sich jetzt wieder zurückmelden?
Es gab drei Beweggründe: die Lügen über meinen Abgang bei ACMH, falsche Beschuldigungen durch die SEC und zuletzt dieses grauenhafte Youtube-Video...

...Sie meinen den Wild-West-Fahndungsaufruf eines Privatdetektivs auf Youtube, der 1,5 Millionen Euro Kopfgeld auf Sie ausgesetzt hat....
...und die grauenhafte Berichterstattung in der Presse dazu. Dadurch hat sich mein Bewegungsfreiraum weiter eingeschränkt. Das ist an sich nicht schlimm. Aber es wurden Familienmitglieder, enge Freunde und Bekannte schikaniert und bedroht. In einer Wohnung von mir wurde eingebrochen und nur Dokumente geklaut.

Der Fahndungsdruck ist durch das Kopfgeld ja stark gestiegen. Was haben Sie gedacht, als Sie es sich das erste Mal angeschaut haben?
Ich habe das Video offen gestanden noch nie gesehen.

Bitte?
Nein. Ich kenne natürlich den Inhalt durch Gespräche mit Leuten, die mir nahe stehen. Aber es gibt ja schon ein paar Leute, die nicht so gut auf mich zu sprechen sind. Da ist man vorsichtiger – auch beim Surfen im Internet.

Sie haben keinen sicheren Internetzugang?
Natürlich, aber ich bin trotzdem vorsichtig. Wenn dann irgendjemand in Asien so ein Video ins Netz stellt, was soll’s? Ich habe mich mit vielen Themen in den vergangenen Jahren bewusst gar nicht so groß beschäftigt.

Der Privatdetektiv behauptet, Sie in der Nähe von Caracas in Venezuela lokalisiert zu haben.
Na, ist doch toll. Jeder erstklassige Ermittler hat eine Top-Kamera und macht Spitzenbilder. Komischerweise hab ich bisher noch kein Foto oder eine Filmaufnahme gesehen.

Sie hatten niemals den Eindruck, dass Sie jemand ausfindig gemacht hätte?
Dieser Privatdetektiv hat alles auf eine Karte gesetzt: Irrsinnig viel Geld in die Welt blasen in der Hoffnung, irgendein Familienmitglied wird schwach. Aber Gott sei Dank gibt es auf diesem Planeten Leute, die nicht für 1,5 Millionen Euro oder irgend einen anderen Betrag durch ein Seil springen.

Wie viele Leute wissen denn überhaupt, wo Sie sich gerade aufhalten?
Ich weiß es ja selbst oft nicht. Wissen Sie: Ich bin schon viel unterwegs und häufig auf dem Wasser. 80 Prozent der Erdoberfläche ist Wasser.

Man könnte auch auf die Idee kommen, dass Sie ein Comeback planen?
Ich habe in den letzten fünf Jahren meine ehemalige Arbeitstätigkeit nicht an einem einzigen Tag vermisst.

Ihr Abgang ist ja inzwischen ziemlich genau fünf Jahre her. Mit Verjährungsfristen hat Ihr überraschendes Auftauchen nicht zufälligerweise etwas zu tun?
Gehen Sie prinzipiell einfach mal davon aus, dass ich mir über viele Dinge Gedanken mache.

Ist das Ihre Art, Ja zu sagen?
Das ist ein generelles Statement. Aber sicherlich freut es mich, diese ganzen Lügen demnächst widerlegt zu sehen. Wenn die Lüge klein ist, reizt mich das nicht. Aber wenn sie so groß ist und solche Konsequenzen hat, ist das was anderes.

Dann bleiben wir mal bei diesem Thema: Immerhin ermittelt die SEC weiter gegen Sie und weitere Personen wegen angeblicher Vergehen beim von ihnen kontrollierten US-Unternehmen Hunter World Markets. Dort sollen Sie die Kurse praktisch wertloser Pennystocks manipuliert haben und insgesamt 63,7 Millionen Dollar zusammengezockt haben. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?
Ich habe Hunter nicht kontrolliert. Ich wurde offen von der US-Aufsichtbehöde als passiver Investor namentlich aufgeführt. Im HWM Büro war ich noch nie in meinem Leben. Alles Bullshit und deswegen werde ich diese Dinge noch im laufenden Jahr anfechten. Jeder, der die Unterlagen kennt oder einigermaßen im Netz surft, weiß dass ich bei HMW maximal 20 Millionen Dollar. verdient habe. Sechs Monate vor meinem ausscheiden habe ich für rund 50 Millionen Dollar ACMH-Aktien kostenlos auf die Fonds übertragen. Das blödsinnige HWM-Engagement hat mich mindestens 20 Millionen Dollar gekostet. Das werde ich alles aufklären.

Notfalls auch persönlich im Gerichtssaal?
Das hängt davon ab, wie sicher ich dahin reisen kann. Wenn Sie unter Florian Homm reisen, kriegt ein vernünftiger Detektiv das in ungefähr 30 Nanosekunden raus. Und ich habe ja nicht nur Freunde.

Auch bei dem von Ihnen gegründeten börsennotierten Hedgefonds Absolute Capital Management Holding (ACMH) hat’s nach ihrem Abgang richtig gekracht. In der Presse war von Schlammschlacht die Rede. Auf viele wirkte der überstürzte Abschied wie eine Flucht. Die Aktie ist binnen zwei Tagen um 90 Prozent abgestürzt.
Pech. Ich hatte angeboten, weiter für ACM zu agieren. Die Direktoren haben die Panik bekommen und stattdessen bösartige Lügen verbreitet.

Die meisten Investoren sehen das ein bisschen anders. Es gibt Leute, die vermuten als Motiv hinter dem plötzlichen Abgang Rache an Ihrer Ex-Frau. Sie war mit 10 Prozent an ACMH beteiligt. Sie hielten als Unternehmensgründer immer noch mit 20 Prozent.
Das ist doch totaler Unfug. Ich bin schon ein harter Junge, aber nicht ganz so dämlich, denn letztlich geht es auch um das Vermögen der Kids, ihre Ausbildung und andere Themen. Außerdem respektiere ich einen guten Fight. Meine Frau ist eigentlich ein Sechser Im Lotto für mich gewesen, eine Seelenverwandte. Aber ich hab’s nicht gerafft und sie wegen einer klassischen Midlife-Crisis in die Wüste geschickt und war mit einer 20 Jahre jüngeren, komplett überarbeiteten Russin zusammen. Dass die nicht nur auf meinen jugendlichen Charme stand, hätte ich ahnen können.

Dafür hat sich Ihre Frau ordentlich revanchiert?
Das kann man so sagen. Meine Frau hat in unserer gemeinsamen Zeit mit bekommen, wie man einen Angriff startet. Im Jahr 2007 hat mich das Manager-Magazin auf circa 350 Millionen Euro geschätzt, und sie hat nachgerechnet und hatte davon gerade 35 Millionen. Daraufhin hat sie ihre Brüder eingesetzt, einer ist Wirtschaftsprüfer, der andere Finanzvorstand. Die sind topfit. Am Ende musste ich ihr weitere 20 Millionen Euro überweisen, zusätzlich zu den 15 Millionen Euro, die ich ihr schon nach dem ersten Scheidungsvertrag überwiesen habe. Aber soll ich ihr böse sein? Wenn die Liebe weg ist, kommen die scharfen Messer raus, um sich auch was vom Kuchen zu sichern.

Sie wollen sich verteidigen. Was heißt das konkret?
Ich fahre da das volle Programm. Das fängt damit an, dass ich die ursprüngliche Bullshit-Geschichte, die ACMH und die ACMH-Direktoren in die Welt gesetzt haben, entlarve als das, was sie ist: Absolut leere Luft. Zweitens will ich betonen, dass ich keinen Prospekt verletzt habe. In den Prospekten stand ausdrücklich, dass ich In-Sich-Geschäfte...

...also Geschäfte, bei denen Sie gleichzeitig Verkäufer und Käufer waren...
...abschließen durfte. Ich durfte sogar Kommissionen verdienen. Die Hunter-World-Markets Beteiligung war öffentlich nachzulesen. Ich war transparent wie eine Klarsichtfolie. Ich muss mir vorwerfen, dass ich mich nicht früher dagegen gewehrt habe. Aber wenn Sie in einem solchen mentalen und emotionalen Schlamassel stecken wie ich und eine dringende Generalüberholung benötigen, achten Sie weniger auf so einen Firlefanz. Ich war auch ein bisschen schockiert, dass die Journalisten alles so übernommen haben. Natürlich war ich der Bad Guy, aber man sollte trotzdem mal eine Frage stellen oder eine Prämisse prüfen und die rechte Hirnhälfte aktivieren, wenigstens für 30 Sekunden.

Früher waren Sie in der Öffentlichkeit der Plattmacher, der Inbegriff der Heuschrecke, der hemmungslos Unternehmen ausplündert. In ihrer Autobiographie geht es auf 360 Seiten um die Läuterung vom rücksichtslosen Finanzhai zum Gutmenschen. Können Sie mit Ihrem Image des Finanzaggressors nicht mehr leben?
Man darf sich nicht zu stark prostituieren, um irgendeine positive Meinung zu erreichen.

Über den Verdacht waren Sie ja stets erhaben.
Stimmt (lacht). Ich habe nie behauptet, an einem Beliebtheitswettbewerb teilzunehmen. Deshalb ist das Image kein so riesiges Problem für mich.

Florian Homms Autobiographie: „Kopf, Geld, Jagd“, FinanzBuch Verlag München
Und jetzt wollen Sie die Welt von Ihrer Wandlung vom Saulus zum Paulus überzeugen?
Der Wandel ist nur so nachhaltig wie die entsprechenden Aktionen.

Taten sprechen also mehr als Worte?
Wenn ich für das Buch Geld bekäme, würde das zum Himmel stinken.

Sie kriegen ja kein Geld.
Null. Mein Nettohonorar geht komplett in die Liberia Renaissance Fundation in der Schweiz. Ich kann doch nicht ernsthaft gemeinnützige Themen angehen oder eine charakterliche Entwicklung - ich möchte gar nicht Verbesserung sagen - für mich in Anspruch nehmen und bei dem Buch abkassieren und weiter Schattenmann spielen. Natürlich hätte ich das auch schon vor zehn Jahren checken können, aber ich bin halt ein Langsamer.

Aber wie ist es möglich, dass ein Mann Ihres Intellekts 20, 30 Jahre braucht, bis er erkennt, dass Geld nicht alles ist?
Tja, das ist die Frage aller Fragen. Die kurze Antwort ist: Ich bin ein Narr. Das hat schon gewisse Volldepp-Züge. Die etwas längere Antwort ist: Es gab eine Leistungsbesessenheit, ob das im Sport war, an der Uni oder in der Wirtschaft. Necko...

...Ihr legendärer Großonkel und Kaufhaus-Magnat Josef Neckermann...
...hat diese Erkenntnis erst im Alter von weit über 70 gehabt. Und es gibt viele Leute, die nie lernen, dass es eine andere Dimension auf der Erde gibt jenseits der essbaren, bewertbaren Dimension. Ich bin dankbar, dass ich überhaupt auf diesen Trichter gekommen bin. Gleichzeitig ist es mir aber auch peinlich, wie lange ich dafür gebraucht habe. Ich tue mich sonst eigentlich nicht so schwer mit komplexen Themen.

Gab es dafür einen Auslöser?
Es gab mehrere Sachen. Ich war eines Tages ganz verblüfft, dass meine Kinder ein tolles Verhältnis mit meinem Fahrer hatten. Ich war oft ein Nebenprodukt.

Wie viel Zeit haben Sie denn mit ihren Kindern verbracht?
Ich habe mein Arbeitsleben so strukturiert, dass ich 16 Stunden am Tag gearbeitet habe von Montag bis Samstag plus vier Stunden am Sonntag. Das waren dann 100 Stunden. Natürlich habe ich versucht, Ferien zu machen, doch 80 Prozent davon sind abgesagt worden wegen irgendwelcher Marktaktionen. Wenn wir doch mal im Urlaub waren, habe ich mir drei oder vier Termine pro Tag im Urlaub gelegt auf Sardinen oder in St. Moritz. Ich war eigentlich als Vater und Ehemann nicht anwesend.

Wieso haben sie sich nicht für Ihre Kinder interessiert?
Ich habe mich schon für die Kinder interessiert, für ihre Leistungen. Ich war dem Neckermann-Ethos verpflichtet: Leistung eher als Menschlichkeit.

Wenn man Sie für den ersten Abschnitt ihres Lebens charakterisieren würde, müsste man sagen: Sie waren ein Psychopath des Kapitals.
Aber ein gut funktionierender Psychopath (lacht).

Wie würden Sie sich heute charakterisieren?
Ich bin fokussiert auf Humankapital und emotionale Renditen. Ich muss meine Schätze im Himmel aufbauen.

Sie reden über Freundschaften und Beziehungen zu anderen Menschen in der Terminologie eines Finanzhais.
Mag sein. Aber es ist doch besser nachhaltige Werte zu schaffen ohne Kollateralschäden als Gewinnmaximierung mit Kollateralschäden.

Man könnte auch sagen: Geben ist seliger als Nehmen.
Perfekt. Schreiben Sie’s.

So neu ist diese Erkenntnis ja nun auch wieder nicht. Sie sind jetzt 53. Hätte Ihnen auch diese Einsicht nicht früher dämmern können?
Wenn jemand ein Profi in seinem Geschäft ist und ein guter Denker, bedeutet das noch lange nicht, dass er Distanz zu sich entwickelt hat. Manchmal braucht man dafür externe Schocks oder geographische Veränderungen. Man kann sich nicht ewig belügen. Das war bei mir auch so. Irgendwann kam dieser Punkt, wo ich mich nicht mehr selbst belügen wollte. Ich war einfach absolut unglücklich. Ich bin halt ein Typ, den muss man mit dem Brecheisen von seinem Weg abbringen.

Immer blind drauf los?
Ja. Ich setze mir ein Ziel und marschiere dann wie ein Gehirnamputierter auf dieses Ziel los, völlig zwanghaft, aber mit einem hohen Leistungsgrad. Ich muss mich auch bei den karitativen Projekten jetzt zurücknehmen, damit ich den Typen nicht die Nase abbeisse, wenn sie in einem Monat nicht 100000 Euro für karitative Zwecke eingesammelt haben.

Das Buch: Florian Homm, „Kopf, Geld, Jagd“, FinanzBuch Verlag, München, 2012, 19,99 Euro, 362 Seiten