George Soros: Spekulant mit Mission
Deutschland soll mehr für den Euro zahlen, fordert der US-Starinvestor unermüdlich. Auch in Frankfurt ruft er zum Umdenken auf - und gibt unerwartete Einblicke in Merkels Krisenmanagement.
von Alexander Sturm, Euro am Sonntag
Der Mann, der 1992 die Bank of England in die Knie zwang, steckt die Hände in die Taschen wie ein Schuljunge. All den Menschen, die einen Blick auf den größten Spekulanten aller Zeiten zu erhaschen versuchen, wendet er den Rücken zu. Wer ist dieser Mann, der noch mit 83 Jahren mit Milliarden spekuliert und sich ständig in die Politik einmischt? Noch zeigt sich George Soros nicht, locker plaudernd steht er im Kreis seiner Gesprächspartner. Dann betritt er gebeugt die Bühne, nimmt Platz, lehnt sich im Sessel zurück, legt den Kopf in den Nacken und blickt auf die Menge hinab - eine typische Soros-Pose: ein Haudegen, dessen Worte auch nach 40 Jahren als Spekulant noch Gewicht haben.
George Soros, der erfolgreichste Hedgefondsmanager, den die Welt je gesehen hat, ist nach Frankfurt gekommen. Auf einer Podiumsdiskussion im Festsaal der Goethe-Universität diskutiert er über den richtigen Ausweg aus der Eurokrise. Für Soros ist das nur ein Termin von vielen. Seit Wochen reist er unermüdlich durch Deutschland, um sein neuestes Buch vorzustellen: "Wetten auf Europa" heißt das Werk, das er erst am Vorabend in Berlin präsentiert hat. Schon am nächsten Tag fliegt er wieder zurück in die Hauptstadt, diesmal zu einer Diskussion mit Joschka Fischer über die Krim-Krise. Soros spricht mit zittriger Stimme, doch lange still sitzen kann er nicht.
Abrechnung mit Deutschland
Was ihn antreibt, ist mehr als nur PR für sein Buch, George Soros hat eine Mission: Kurz vor den Europawahlen im Mai wolle er Deutschland wachrütteln, sagt er. Die Bundesrepublik müsse endlich ihre ökonomische und politische Macht akzeptieren und Verantwortung übernehmen. Soros meint damit Transferzahlungen. "Deutschland muss ein großzügiger Hegemon werden und sich um die kranken Mitglieder der Währungsunion kümmern."
Die Deutschen aber täten gerade so viel wie nötig, um den Euro zu erhalten. Mit ihrem strikten Sparkurs überfordere Angela Merkel die Krisenländer. Deutschland scheine es nur um Sanktionen und Strafen zu gehen, Südeuropa aber werde von Arbeitslosigkeit, Schulden und Wirtschaftsschwäche erdrückt. Die Eurozone brauche einen Marshall-Plan, sonst, glaubt Soros, werde sie zerbrechen. Er warnt vor einer langen Krise wie in Japan: "Europa steht vor einer 25-jährigen Stagnation, die es nicht überleben dürfte."
Ruheloses Werben für Europa
Dass die Eurozone gerade die Rezession verlässt, ficht ihn ebenso wenig an wie die Tatsache, dass die Hilfen für Griechenland den Umfang des Marshall-Plans längst übersteigen. Stattdessen wird Soros nicht müde, seine Sorgen um den Kontinent zu betonen. Als Sohn eines jüdischen Schriftstellers aus Budapest sei er im Herzen Europäer, trotz seines amerikanischen Passes.
"Für mich ist die Europäische Union das ideale Modell einer freien Gesellschaft", schreibt er im Buch, "deswegen berührt mich die Krise so persönlich." Er habe die Diktatur der Nazis ebenso wie die der Kommunisten erleben müssen und wünsche sich, dass nie wieder so dunkle Zeiten in Europa anbrechen. Aus seinem Umfeld heißt es, diese Sorge sei echt. Warum sonst sollte ein 83-jähriger Multimilliardär all die Reisen, all die Appelle auf sich nehmen?
Für Deutschland hat Soros ungeachtet seiner harten Kritik eine gewisse Schwäche - trotz seiner Flucht vor den Nazis, damals im besetzten Ungarn. Der Deportation entkam der junge Soros 1944 nur, weil seine Eltern untertauchten und ihren jüdischen Geburtsnamen Schwartz ablegten. "Deutschland soll führen", sagt er in Frankfurt auf Deutsch - nein, das klinge nicht gut. Und dennoch: Nur die Deutschen könnten den Zusammenbruch des größten Friedensprojekts aller Zeiten verhindern. "Wenn ich die deutsche Öffentlichkeit wachrütteln könnte, wäre das der krönende Abschluss meines Lebenswerks."
Umstrittene Milliardenwetten
Ob Soros indes nur edle Motive leiten, diese Frage spaltet Bewunderer und Kritiker seit Jahren. Denn oft zeigt er sich als Mann, der zwei Persönlichkeiten in sich vereint: die eines Mäzens, der bodenständig auftritt und seit 1979 über acht Milliarden Dollar gespendet hat, um Demokratie, Meinungsfreiheit und Bildung in 70 Ländern rund um den Erdball zu fördern. Und die eines Spekulanten, der scheinbar skrupellos mit Milliarden gegen Länder und Währungen wettet und seine Angriffe aggressiv ankündigt.
So warnte er im vergangenen Jahr auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vor Währungskriegen - und setzte zugleich auf die Abwertung des japanischen Yen, was ihm knapp eine Milliarde Dollar einbrachte. 2012 erzählte er in einem Interview, er habe für zwei Milliarden Dollar italienische Staatsanleihen gekauft, weil sie trotz sechs Prozent Zins faktisch risikolos seien: Schließlich werde die EU Italien nie pleitegehen lassen. Kurz darauf rief er Angela Merkel dazu auf, alle Schulden in der Eurozone zu vergemeinschaften. Auch gegen Deutschland wettete er schon. "Down with the D-Mark!", forderte er 1993, als die Bundesrepublik unter einer Rezession und den Kosten der Einheit litt.
Heute setzt er auf die Erholung
des europäischen Finanzsektors, er kauft Aktien der spanischen Krisenbank Bankia - und sieht sich dabei auch als Wohltäter: "Mein Anlageteam freut sich, bald jede Menge Geld in Europa zu verdienen, indem wir Geld in Banken pumpen, die dringend Kapital benötigen." Genau diese Art von privatem Engagement brauche die Eurozone jetzt. Auch in Griechenland schaue man sich nach Investmentgelegenheiten um.
Eurobonds oder Austritt
Für seine Kritiker ist Soros nicht nur ein gieriger Spekulant, sondern ein Heuchler obendrein. Soros wiederum rechtfertigt seine Wetten mit einem ökonomischen Nutzen: Spekulanten wie er deckten nur Mängel im System auf. Und überhaupt sei er kein Marktfundamentalist. "Die Finanzmärkte sind nicht perfekt, sie schaffen kein Gleichgewicht", sagt er in Frankfurt. Und Soros weiß seit jeher genau diese Schwächen des Systems für sich auszunutzen.
Seine Kritiker ein wenig besänftigen könnte, dass er inzwischen von einer aufsehenerregenden Äußerung abgerückt ist: Deutschland müsse entweder Eurobonds zulassen oder die Eurozone verlassen, forderte Soros vor knapp einem Jahr. Mittlerweile aber brächten gemeinsame Anleihen weniger Erleichterung, da sich die Zinsaufschläge für Staatsanleihen innerhalb der Währungsunion einander wieder angenähert hätten. Nun, sagt Soros, brauche es Wachstumsimpulse, um eine Spirale aus schwacher Wirtschaft und sinkenden Preisen abzuwenden. Womit er Geld aus Deutschland meint.
Die Regeln des Maastricht-Vertrags, die die Neuverschuldung der Eurostaaten begrenzen und die Rettung von Ländern verbieten, hält er für überholt und ungeeignet: "Die Eurokrise war im Maastricht-Vertrag gar nicht vorgesehen."
Dafür hat Soros einen eigenen Vorschlag parat: Die Eurozone solle eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung in Höhe von vier Prozent ihrer Wirtschaftsleistung schaffen. Finanziert aus Unternehmenssteuern, könnte sie Krisenländern zugutekommen. Deutschland müsste dann für ein höheres Arbeitslosengeld für Italiener, Spanier und Griechen bezahlen - doch eines Tages könnte es ja auch andersherum sein.
Merkel und Draghi
Angela Merkel dürften solche Vorschläge gar nicht gefallen, schließlich fiel sie in der Eurokrise nicht gerade als Verfechterin üppiger Transferzahlungen auf. Doch zu einem bestimmten Zeitpunkt hat die als zögerlich verschriene Kanzlerin offenbar zu unorthodoxen Mitteln gegriffen - so behauptet es zumindest Soros an diesem Abend: In einer der heikelsten Stunden der Eurokrise im Juli 2012 habe sich Merkel an EZB-Chef Mario Draghi gewandt und ihn gebeten, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die Märkte zu beruhigen. "Daraufhin hat Draghi seine berühmte Londoner Rede gehalten und versprochen, alles Nötige zu tun, um den Euro zu retten." Angela Merkel - die Frau, die Mario Draghi zum entscheidenden Satz in der Eurokrise erst ermunterte? Soros erzählt das beinahe beiläufig.
Draghis Worte führten zur Zusage der EZB, notfalls unbegrenzt Anleihen von Krisenländern zu kaufen. Für Kritiker ist das ein Fall von Staatsfinanzierung per Notenpresse, womit die Zentralbank ihr Mandat überschreite. Über das umstrittene Programm muss nun der Europäische Gerichtshof urteilen - die Bundesregierung indes hat sich noch nie kritisch dazu geäußert.
Für Soros sind solche Debatten juristische Details. Von seinem Vater habe er gelernt, dass in Zeiten großer Umbrüche manche Regeln schlicht nicht mehr gälten. Und George Soros hat nicht vor, sich auf seiner letzten Mission noch mit Regeln herumzuschlagen. Diesen Luxus gönnt er sich.
zur Person:
Investmentveteran
Mit einem Vermögen von rund 26,5 Milliarden Dollar zählt George Soros zu den reichsten Menschen der Welt. Seit der Gründung fuhr sein Hedgefonds Quantum Endowment fast 40 Milliarden Dollar Gewinn ein - so viel wie kein anderer. Spezialisiert ist Soros auf Währungswetten: 1992 wurde er zur Legende, als er mit zehn Milliarden Dollar auf eine Abwertung des Britischen Pfund setzte und die Bank of England zum Einlenken zwang. In die USA kam Soros auf Umwegen. 1930 als György Schwartz, Sohn eines jüdischen Schriftstellers, in Budapest geboren, entging er nur knapp dem Holocaust. Später studierte er Philosophie an der London School of Economics und heuerte als Aktienhändler in New York an. Dort legte er 1973 mit zwölf Millionen Dollar seinen eigenen Hedgefonds auf, der 25 Jahre später 22 Milliarden erreichte. 2009 erzielte er 29 Prozent Rendite, indem er die Wende in der Finanzkrise vorhersah. Soros ist in dritter Ehe verheiratet und hat fünf Kinder.
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