ifo-Index steigt überraschend auf neues Allzeithoch
Das Ifo-Geschäftsklima, der wichtigste deutsche Konjunkturfrühindikator, hat im Juli zum dritten Mal in Folge ein neues Allzeithoch erreicht.
Aber die Begeisterung unter Marktteilnehmern und Kommentatoren hält sich sehr in Grenzen. Nach Mitteilung des Ifo-Instituts stieg der Geschäftsklimaindex auf 116,0 (Vormonat: 115,2) Punkte und entfernte sich damit weiter von den 2006 und 2010 erreichten Höchstwerten. Volkswirte hatten dagegen einen Rückgang auf 114,9 Punkte prognostiziert.
Der Index der Lagebeurteilung verzeichnete ein Allzeithoch von 125,4 (124,2) Punkten, der Index der Geschäftserwartungen stieg auf 107,3 (106,8) Punkte. "Die deutsche Wirtschaft steht unter Volldampf" konstatierten die Konjunkturforscher. Aber weder Aktien- oder Anleihemärkte, noch Volkswirte reagierten euphorisch.
VP Bank: ifo entfernt sich weiter von der Realität
"Die Unternehmen blicken optimistischer denn je in die Zukunft. Der ifo-Geschäftsklimaindex entfernt sich damit aber weiter von der Realität, denn das Wirtschaftswachstum wird im laufenden Jahr keinen Rekordzuwachs verbuchen", schrieb Thomas Gitzel, der Chefvolkswirt der liechtensteinischen VP Bank in einem Kommentar. Gitzel rechnet für 2017 mit 2 Prozent Wachstum, was er als "guten Wert" bezeichnet. 2006 und 2010/2011 war das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) aber um 3,9, 3,9 und 3,7 Prozent gestiegen.
Commerzbank-Analyst Marco Wagner geht davon aus, "dass es mit den Höhenflügen des Ifo wohl auf Dauer nicht so weitergehen" wird, weil die "Euphorie der vom Ifo-Institut befragten Unternehmen nicht durch die harten Daten gedeckt" sei. "Die Industrieproduktion steigt nur moderat und der Trend bei den Auftragseingängen in der Industrie läuft seit einigen Monaten seitwärts", schrieb Wagner in einem Kommentar. Ein Blick auf die regionale Herkunft der Orders zeige, dass gerade einmal die Bestellungen aus dem Euroraum zulegten, die inländischen Aufträge stagnierten und diejenigen aus Drittländern eher nach unten tendierten.
KfW: Euphorie beginnt sich auch in harten Daten zu zeigen Etwas positiver sieht KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner die Aussichten, auch wenn er das nicht am Höhenflug des Ifo-Index festmacht. "Noch wichtiger ist, dass sich die von den Unternehmen wahrgenommene Beschleunigung des Aufschwungs nun in harten Daten wie der Industrieproduktion widerzuspiegeln beginnt", konstatierte er.
Tatsächlich ist die Produktion im produzierenden Sektor Deutschlands in diesem Jahr bereits fünfmal in Folge gestiegen, im Mai um 1,2 Prozent. Zuletzt hatte es eine solche Serie 2010/11, nach dem Ende der Großen Rezession, gegeben. Zeuner zufolge profitiert Deutschland nicht zuletzt von der wirtschaftlichen Aufhellung bei seinen europäischen Partnern. "Wenn die positiven Signale aus der europäischen Politik in greifbare Ergebnisse münden, sind die Aussichten gut, dass die stärkere Dynamik keine Eintagsfliege bleibt", kalkulierte der KfW-Chefvolkswirt.
Rekordhochs bei Geschäftsklima in Industrie und am Bau
Nach Angaben des Ifo-Instituts erreichte auch das Geschäftsklima im verarbeitenden Gewerbe ein Allzeithoch. Der Indikator der Geschäftslage erklomm noch nie erreichte Höhen, und der Optimismus für das kommende halbe Jahr nahm nochmals zu. Die Kapazitätsauslastung stieg um 0,7 Prozentpunkte auf 86,7 Prozent. Im Bauhauptgewerbe stieg der Index ebenfalls auf ein neues Rekordniveau. Die Unternehmen beurteilten die aktuelle Lage unverändert als sehr gut und erwarteten eine weitere Verbesserung ihrer Geschäfte für die kommenden Monate.
An den Aktien- und Anleihemärkten blieben Reaktionen auf den Ifo-Index ebenso aus wie am Devisenmarkt. Händler hatten mehrfach darauf hingewiesen, dass nur noch harte Fakten wie Daten zur Industrieproduktion von Anlegern wahrgenommen würden. Auch der deutliche Rückgang der Einkaufsmanagerindizes am Vortag hatte kaum Reaktionen ausgelöst.
FRANKFURT (Dow Jones)
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