Angst vor dem Grexit

Wahlen in Griechenland: Wählt sich Athen aus dem Euro?

25.01.15 16:05 Uhr

Wahlen in Griechenland: Wählt sich Athen aus dem Euro? | finanzen.net

Griechenland steht vor einem Schicksalswochenende. Das Ergebnis der Parlamentswahlen wird nicht nur den politischen Kurs in Athen bestimmen, sondern könnte auch die Eurozone grundlegend verändern. Die möglichen Wahlausgänge und ihre Folgen.

Am 25. Januar werden die Griechen dazu aufgerufen ein neues Parlament zu wählen, nachdem sich die Regierungsparteien im Dezember 2014 nicht auf ein neues Staatsoberhaupt einigen konnten. Die Parteien der griechischen Regierung sind tief zerstritten. Während die aktuelle Regierungspartei Nea Dimokratia den von der EU auferlegten Reformkurs fortsetzen will, fordert das Links-Bündnis Syriza ein Ende des Sparkurses. Nun müssen die griechischen Bürger am Sonntag entscheiden, in welche Richtung es für Griechenland gehen soll.

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Syriza in Umfragen vor Nea Dimokratia

In den letzten Umfragen vor der Wahl liegt die linke Syriza-Partei um Alexis Tsipras mit knapp einem Drittel der Stimmen vorn. Die Regierungspartei Nea Dimokratia des bisherigen Ministerpräsidenten Antonis Samaras landet mit rund 27 Prozent der Stimmen auf Platz zwei. Der Abstand zwischen den beiden Parteien vergrößerte sich in den Umfragen immer mehr, je näher die Wahl rückte. Ein Sieg von Syriza erscheint daher immer wahrscheinlicher.

Die übrigen zur Wahl zugelassenen Parteien wie die Sozialisten von Pasok, die pro-europäische Partei To Potami oder die Rechtsextremisten der Partei Goldene Morgenröte werden in den Umfragen bei 5 bis 7 Prozent gesehen. Die neue Partei Kidiso des ehemaligen Regierungschefs Giorgos Papandreou dürfte dagegen an der 3-Prozent-Hürde scheitern. Doch auch wenn Kidiso nicht ins Parlament einzieht, nimmt die Partei indirekt Einfluss auf den Wahlausgang: Denn sie dürfte vor allem der Pasok, von der sie sich im Januar 2015 abgespaltet hat, wertvolle Stimmen entziehen und somit Syriza ungewollt zu einem größeren Vorsprung verhelfen.

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Syriza fordert Schuldenschnitt und lehnt Euro-Austritt ab

In der Bevölkerung scheint sich Syriza vor allem deshalb großer Beliebtheit zu erfreuen, weil die Partei ein Ende des von der EU auferlegten Sparkurses fordert und damit auch den harten sozialen Einschnitten, unter denen vor allem die Bürger leiden, ein Ende setzen will. Konkret fordert Syriza einen Schuldenschnitt, bei dem Griechenland rund 80 Prozent der Schulden erlassen werden sollen, und möchte die Reformvorgaben von IWF, EU und EZB noch einmal komplett neu verhandeln. Den sogenannten Grexit, einen Euro-Austritt Griechenlands, lehnt jedoch auch Syriza-Chef Tsipras strikt ab.

Sollte am Sonntag jedoch tatsächlich das passieren, wovor die EU-Partner zittern, und das Linksbündnis Syriza die Wahl für sich entscheiden, so sind die Folgen für Griechenland und die Eurozone dennoch unabsehbar. Die deutsche Bundesregierung hat daher in den vergangenen Wochen bereits mehrere Szenarien für den Ausgang und die Folgen der Wahl in Griechenland durchgespielt und auch die EU bereitet sich auf das Schlimmste vor. Verhandlungen mit der Troika um eine neue Kreditlinie für Griechenland, die nach dem Auslaufen des Rettungspakets im Februar zum Einsatz kommen sollte, wurden auf Eis gelegt, bis das Land eine neue und stabile Regierung vorweisen kann. Auch eine noch ausstehende Rate eines Hilfskredits in Höhe von 10 Milliarden Euro dürfte wohl gar nicht erst überwiesen werden, wenn Syriza in Athen an die Macht kommt. Doch welche weiteren Folgen könnte ein Machtwechsel in Griechenland haben?

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Was passiert, wenn Syriza die Wahl in Griechenland gewinnt?

Sollte das Linksbündnis Syriza am Sonntag tatsächlich als Sieger aus der griechischen Parlamentswahl hervorgehen, so gibt es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: Entweder die Partei pocht auf ihre Forderungen oder sie zeigt sich kompromissbereit und findet zusammen mit den EU-Partnern eine Lösung für das Land. Letzteres wird vor allem dann wahrscheinlicher, wenn Syriza im griechischen Parlament nicht die absolute Mehrheit erreicht, sondern sich einen Koalitionspartner suchen muss, der möglicherweise mäßigend auf den Kurs der Partei einwirkt.

Auch Brüssel hat gegenüber den Forderungen von Syriza bereits eine gewisse Kompromissbereitschaft signalisiert. Während der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble einen Schuldenschnitt für Griechenland weiter kategorisch ablehnt, zeigte sich Brüssel in den vergangenen Tagen bereit, über einen Schuldenerlass in Höhe von 30 bis 50 Prozent zu sprechen. Auch Alexis Tsipras könnte ein Stück von seinen Forderungen abrücken, da er ohne einen Schuldenschnitt oder die Hilfe der EU-Partner nicht über das Geld verfügt, das er benötigt um seine Wahlversprechen einzuhalten. Darüber hinaus könnte ein starres Beharren auf seinen Forderungen zu unschönen Folgen für Griechenland führen, die auch Tsipras vermeiden will.

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Besteht nach der Wahl die Gefahr eines Grexit?

Verglichen mit den letzten Parlamentswahlen in Griechenland im Juni 2012 sind die Aussagen der Syriza-Partei deutlich moderater geworden. Nur noch der linke Flügel der Partei droht explizit damit, ohne einen Schuldenschnitt auch die Reform- und Sparzusagen nicht mehr einzuhalten. Denn ein solches Vorgehen hätte schwerwiegende Folgen. Wenn sich Griechenland nicht mehr an die Verträge zum EU-Hilfsprogramm halten würde, könnte die Troika dem Land den Geldhahn zudrehen. In der Folge würden griechische Staatsanleihen von der EZB nicht mehr als Sicherheit akzeptiert werden, da fraglich wäre, ob das Land diese noch bedienen könnte oder würde. Die griechischen Banken wären damit von billigem Zentralbankgeld abgeschnitten und dem Land würde über kurz oder lang kein anderer Ausweg bleiben, als eine eigene Währung einzuführen, also aus dem Euro auszutreten und zur Drachme zurückzukehren.

Syriza-Chef Tsipras bekannte sich jedoch vor der Wahl klar zum Euro und stellte sich gegen einen Euro-Austritt Griechenlands. Denn während viele andere Euro-Länder einen Austritt Griechenlands aus dem Euro mittlerweile für verkraftbar für den Rest der Eurozone halten, hätte der Grexit für Griechenland selbst gravierende Folgen. Die Drachme würde gegenüber dem Euro stark abwerten, so dass es zu einer Hyperinflation und einer Abwertung der Einkommen in Griechenland kommen würde. Soziale Unruhen wären die Folge. Auch die Wirtschaft des Landes würde extrem geschwächt werden, da importierte Güter sehr teuer werden würden während die Einnahmen aus dem Export von Waren sinken würden. Griechenland würde keine Kredite von anderen Ländern mehr erhalten, da das Land diese aufgrund der Drachmen-Abwertung nicht bedienen könnte. Auch schon bestehende Kredite könnten voraussichtlich nicht mehr zurückgezahlt werden. Ein Grexit würde Deutschland daher nach Expertenmeinung rund 30 Milliarden Euro kosten. Insgesamt müssten IWF, EZB und die EU-Länder wohl auf 250 Milliarden Euro aus bereits geleisteten Krediten verzichten. Ein gutes hätte der Grexit jedoch für die Menschen in den übrigen Euroländern: Der Griechenlandurlaub würde deutlich günstiger werden und auch im Supermarkt dürften die Preise für Olivenöl und andere griechische Produkte fallen.

Hat Nea Dimokratia eine Chance auf den Wahlsieg?

Die oben beschriebenen Szenarien wären natürlich hinfällig, wenn nicht Syriza sondern die bisherige Regierungspartei Nea Dimokratia die Parlamentswahlen gewinnen würde. Denn dann ist damit zu rechnen, dass Griechenland seinen Sparkurs wie mit den EU-Partner beschlossen fortsetzen wird. Laut den aktuellen Wahlumfragen liegt die Nea Dimokratia von Antonis Samaras zwar hinter Syriza, doch auch bei den Parlamentswahlen im Juni 2012 hatten die Mehrzahl der Umfragen einen Sieg von Syriza prognostiziert - gewonnen hatte letztendlich dennoch Nea Dimokratia, wenn auch nur knapp.

Eine Hängepartie bei der Regierungsbildung, die eintreten könnte, wenn die Wahl auch dieses Mal sehr knapp ausgeht, dürfte sich jedoch niemand wünschen. Denn dann bestünde die Gefahr, dass Griechenland noch während der Regierungsbildung das Geld ausgeht, da die EU keine Hilfsgelder freigeben will, solang keine handlungsfähige Regierung im Amt ist.

Wie werden die Märkte auf den Wahlausgang reagieren?

Auch der Aktienmarkt dürfte auf eine langwierige Regierungsbildung mit Verlusten reagieren, da die Ungewissheit über den künftigen Kurs Athens dann weiter den Markt beherrschen wird. Das Gleiche dürfte auch gelten, wenn das Linksbündnis Syriza die Wahl gewinnt und noch nicht klar ist, wie sich die Partei nach der Wahl verhalten wird. Zusätzlich könnte es dann auch zu einem Run auf griechische Banken kommen, weil viele Griechen aus Angst vor einer Rückkehr zur Drachme ihre Euros in Sicherheit bringen wollen. Aus Angst vor einem solchen Szenario haben bereits zwei griechische Banken gut eine Woche vor der Wahl vorsorglich Liquiditätshilfen beantragt. Sollte sich in den kommenden Wochen tatsächlich ein griechischer Austritt aus der Eurozone abzeichnen, könnte der zu erwartende massive Geldabfluss zum Zusammenbruch des griechischen Bankensystems führen. Auch die griechische Börse würde aufgrund der sich verschlechternden Aussichten für griechische Unternehmen voraussichtlich massiv einbrechen. An anderen europäischen Börsen und beim Euro dürften sich die Kursrückgänge jedoch in Grenzen halten.

Im Falle eines klaren Siegs der Nea Dimokratia rechnen Analysten dagegen mit einer kleinen Erleichterungsrallye an den europäischen Märkten und vor allem an der Börse in Athen. In diesem Fall wäre die nächste Krise in der Eurozone erst einmal abgewendet.

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C. Ludwig / Redaktion finanzen.net

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