Deutsche Bank: US-Notenbank unterschätzt Inflationsrisiken
Die US-Notenbank unterschätzt nach Meinung von Analysten der Deutschen Bank die Inflationsrisiken, die sich aus der Kombination einer sehr expansiven Geld- und Fiskalpolitik sowie dem sinkenden Arbeitsangebot und der rückläufigen Globalisierung ergeben.
Chefvolkswirt David Folkerts-Landau, Peter Hooper und Jim Reid kommen in einer Analyse zu dem Ergebnis, dass die Fed deshalb zu spät mit einer Straffung ihrer Geldpolitik reagieren und die Kontrolle über die Inflationserwartungen verlieren wird. Damit gehe die 1980 begonnene Periode sinkender Inflationsraten und Zinsen zu Ende. Die Wirtschaftspolitik werde bald vor den gleichen Herausforderungen stehen wie einst das Duo Paul Volcker/Ronald Reagan.
"Die Geschichte hat gezeigt, dass es die sozialen Kosten einer deutlich höheren Inflation und stark steigender Schuldendienstverpflichtungen es schwer, wenn nicht gar unmöglich machen, die sozialen Ziele, die die neue US-Regierung anstrebt, zu erreichen", schreiben die Analysten. Sie befürchten, dass die Schwachen und Benachteiligten als erste und am stärksten von Fehlern in der Politik betroffen sein werden.
Die Argumentation der Volkswirte sieht so aus:
1. Die Angst vor steigender Inflation und Staatsverschuldung ist in der Wirtschaftspolitik geschwunden. Die Politik konzentriert sich auf breitere gesellschaftliche Themen wie Soziales und Umweltschutz.
2. Diese Neigung zeigt sich in der Größe der aktuellen Covid-19-Fiskalpakete, die (ohne Infrastrukturprogramme) ein Volumen von 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) haben und mit Haushaltsdefiziten von 14 bis 15 Prozent 2021 und 2022 einhergehen werden. "Die Politik hat damit die 2008 gemachten Fehler 'überkorrigiert'", schreiben die Volkswirte.
3. Zusammen mit der Verdopplung der Fed-Bilanzsumme auf 8.000 Milliarden US-Dollar ist die Wirtschaftspolitik so expansiv wie zuletzt nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals lag das Haushaltsdefizit für vier Jahre zwischen 15 und 30 Prozent. Die Inflation bewegte sich in den Jahren 1946 bis 1948 bei 8,4, 14,6 und 7,7 Prozent.
4. Der daraus resultierende Geldmengenanstieg (knapp 30 Prozent) ist von einer Größenordnung, die in den vergangenen 200 Jahren stets zu einem Anstieg des nominalen BIP in gleicher Höhe geführt hat.
5. Im Gegensatz zur Finanzkrise befinden sich die verfügbaren Einkommen der US-Amerikaner auf einem Allzeithoch. 2020 stiegen sie um 5 Prozent, während sie 2009 um 1 Prozent sanken. Die Analysten beziffern die "überschüssigen Ersparnisse" der Haushalte auf über 10 Prozent des BIP. Eine auch nur teilweise Auflösung dieses Sparüberhangs würde zusammen mit den Ausgabenplänen der Regierung dazu führen, dass das BIP in der zweiten Hälfte 2022 das Potenzial um 5 Prozent übersteigt.
6. Dieser Impuls ließe die Arbeitslosenquote auf 2 bis 3 Prozent fallen, die Inflation würde stark steigen. "Wir glauben, dass es möglich oder sogar wahrscheinlich ist, dass diese Überhitzung ein ähnlich starkes und anhaltendes Überschießen der Inflation über die nächsten Jahre auslösen wird."
7. Nach Aussage der Analysten geht die Fed weiterhin davon aus, dass es sich derzeit um einen vorübergehenden Inflationsanstieg handelt. Wegen ihrer neuen geldpolitischen Strategie, zu niedrige Inflationsraten über höhere Raten auszugleichen, habe die Fed einen zusätzlichen Anreiz, zu spät zu reagieren. Letzteres sei für sich genommen der wichtigste Faktor dieses Szenarios.
8. Höhere Inflationsraten werden die Inflationserwartungen steigen lassen. An diesem Punkt wird die Fed nach Einschätzung der Analysten handeln, und zwar so, dass Märkte und Wirtschaft stark in Mitleidenschaft gezogen werden. "Die Fed ist in der Vergangenheit noch nie in der Lage gewesen, einen anhaltenden Inflationsanstieg zu verhindern, ohne eine Rezession auszulösen", merken sie an.
DJG/hab/apo
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)
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