Von Sommerflaute keine Spur
Von Sommerflaute an den Kapitalmärkten ist derzeit keine Spur in Sicht.
Vielmehr bestimmt der Handelskonflikt zwischen Washington, Peking und Brüssel unverändert die Schlagzeilen. Doch Augen auf! Es gibt sie noch, die guten Nachrichten, wie etwa die jüngste US-Berichtssaison zeigt: Unternehmen zwischen Los Angeles und New York machten im zweiten Quartal durchschnittlich erheblich mehr Gewinn als im Vorjahr. Denn die robuste US-Konjunktur bietet ausgezeichnete Absatzperspektiven, während die Trump‘sche Steuerreform die Gewinne zusätzlich sprudeln lässt.
Gerade in Zeiten teils nur schwer verdaulicher Nachrichten von der (geo-) politischen Front sind es positive Fundamentaldaten, nach denen sich die Anleger sehnen. So stachen die USA auch bei der Aktienkursentwicklung zuletzt positiv hervor, wenngleich nicht allein angesichts der erfreulichen Gewinnzuwächse. Vielmehr verdeutlichen die vergangenen Wochen, dass die Sorge um eine Eskalation des Handelsstreits - sei es rhetorisch oder in Form tatsächlicher Maßnahmen - Aktien aus den exportorientierten und stark in globale Wertschöpfungsketten eingebundenen europäischen und asiatischen Volkswirtschaften in der Tendenz stärker belastet als US-amerikanische.
Wie geht es im zweiten Halbjahr weiter?
Die Vermutung liegt nahe, dass die handelspolitische Rhetorik im Vorfeld der im November stattfindenden US-Zwischenwahlen weiterhin erratisch zwischen Vergebung und Vergeltung schwanken wird. Für die Kapitalanlage dürfte dabei die zunehmende Verquickung von (Handels-) Politik und Fundamentaldaten im Fokus stehen. In der ersten Jahreshälfte haben sich zwar die Stimmungsindikatoren eingetrübt, die potenziell negativen Auswirkungen der protektionistischen Maßnahmen schlugen sich jedoch bislang (noch) nicht in den breiteren Konjunkturdaten nieder.
Werden im Laufe des zweiten Halbjahres nach und nach realwirtschaftliche Bremsspuren erkennbar? Schließlich hat die Implementierung von Importzöllen erst im dritten Quartal Fahrt aufgenommen. Auch wenn sich die Zölle materiell bisher nur auf einen Bruchteil des Welthandels beziehen, könnte die durch den Handelskonflikt entstehende Unsicherheit die Investitionsneigung der Unternehmen abbremsen. Zur Einordnung: In den USA und in Europa machen Investitionen immerhin ein Fünftel der Wirtschaftsleistung aus. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat kürzlich berechnet, dass in einem ungünstigen Handelskriegsszenario die globale Wachstumsdynamik bis zum Jahr 2020 um 0,5 % unter den bisherigen Annahmen liegen könnte.
Das große Ganze sollte dabei jedoch im Blick bleiben. Denn trotz der zu erwartenden Bremsspuren dürfte das globale Wachstum wohl noch eine ganze Weile oberhalb der Potenzialrate liegen. Eine kräftige Abkühlung der Weltkonjunktur oder gar eine Rezession sind derzeit nicht in Sicht.
Was lässt all dies für die Finanzmärkte erwarten?
Weltweit dürften die Wachstumskräfte vorerst die Oberhand behalten, doch nehmen trotz des positiven Grundszenarios die Unterschiede zwischen den Ländern und Regionen zu. Allein ein Blick auf die globalen Wertschöpfungsketten zeigt, wie unterschiedlich die Auswirkungen der Handelsstreitigkeiten je nach Region, Sektor und Unternehmen ausfallen dürften. Kurzum: Die weltweite Streuung bei der Kursentwicklung sollte künftig zunehmen.
Diese Handelspolitik dürfte die großen Zentralbanken der Welt nicht kalt lassen. Dennoch ist aus heutiger Sicht kaum davon auszugehen, dass sich etwa die Europäische Zentralbank (EZB) von einem Ende ihres Wertpapierkaufprogramms (QE) oder die US-Notenbank Fed von weiteren Leitzinserhöhungen abbringen lassen. Der geldpolitische Normalisierungskurs sollte ebenfalls zu einer stärkeren Spreizung bei den Assetklassen bzw. den Regionen beitragen.
Es bleibt dabei: In diesem Umfeld ist das Fingerspitzengefühl aktiver Fondsmanager gefragt. Sie können die sich bei Schwankungen und durch Länderunterschiede ergebenden Gelegenheiten beim Schopfe packen.
Ann-Katrin Petersen, Vice President, Global Economics & Strategy
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