Brexit-Hürden beseitigt: Boris Johnsons Konservative mit absoluter Mehrheit - Trump gratuliert, EU zweifelt an Fahrplan
Der britische Premierminister Boris Johnson hat mit seinem haushohen Sieg bei der Parlamentswahl alle Erwartungen übertroffen und wird den EU-Austritt seines Landes nun vollziehen.
"Wir werden den Brexit bis zum 31. Januar vollenden, kein Wenn, kein Aber und kein Vielleicht", sagte Johnson am Freitag vor jubelnden Anhängern in London. Ein zweites Brexit-Referendum sei vom Tisch.
Er werde das Land einen, betonte Johnson. Er beendete seine Rede mit einem Wortspiel über die ähnlich klingenden Wörter Brexit und Breakfast (Frühstück): "Lasst uns den Brexit hinter uns bringen, aber lasst uns erstmal das Frühstück hinter uns bringen." Die Briten hatten im Sommer 2016 mit knapper Mehrheit für den Brexit gestimmt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte dem Premierminister: "Herzlichen Glückwunsch, Boris Johnson, zu diesem klaren Wahlsieg. Ich freue mich auf unsere weitere Zusammenarbeit für die Freundschaft und enge Partnerschaft unserer Länder", erklärte Merkel nach einem Tweet ihres Sprechers Steffen Seibert.
Der irische Ministerpräsident Leo Varadkar hat sich erleichtert über den klaren Wahlausgang in Großbritannien geäußert. Damit gebe es nun eine sichere Mehrheit für die Ratifizierung des britischen EU-Austrittsvertrags, sagte Varadkar am Freitag am Rande des EU-Gipfels in Brüssel. Dieser Vertrag garantiere, dass es keine harte Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland gebe.
Bis Freitagmorgen waren 649 der 650 Wahlkreise ausgezählt. 364 gingen davon an die Konservativen, die damit 47 Sitze hinzugewannen und die absolute Mehrheit erzielten. Labour verlor 59 und kam auf 203 Sitze, die SNP legte 13 Sitze auf 48 zu und die Liberaldemokraten verloren einen Sitz auf elf. Die anderen Sitze entfielen auf kleinere Parteien.
Nur das Ergebnis aus St. Ives im Südwesten Englands fehlte. Zu dem Wahlkreis gehören mehrere Inseln, von denen die Wahlzettel wegen schlechten Wetters zunächst nicht in die Auszählungszentrale gebracht werden konnten. Der Wahlkreis wurde bislang von einem Konservativen vertreten.
EU-Ratschef Charles Michel hofft im Ringen um den Brexit auf schnelle Klarheit. "Wir erwarten die Abstimmung des britischen Parlaments über das Austrittsabkommen so schnell wie möglich", sagte Michel vor dem zweiten Tag des EU-Gipfels in Brüssel.
Johnson wollte über das Brexit-Abkommen noch vor Weihnachten abstimmen lassen. Es wurde in London erwartet, dass dies am Samstag in einer Woche (21. Dezember) sein könnte. Einen offiziellen Termin dafür gibt es noch nicht, wie ein Unterhaussprecher der Deutschen Presse-Agentur sagte. Eine Zustimmung gilt als sicher.
US-Präsident Donald Trump gratulierte Johnson zu einem "großartigen Sieg". "Großbritannien und die Vereinigten Staaten werden nun nach dem Brexit frei sein, ein riesiges Handelsabkommen zu schließen", twitterte Trump. "Dieser Deal hat das Potenzial, weitaus größer und lukrativer zu sein als jeder Deal, der mit der EU geschlossen werden kann", schrieb Trump weiter. "Feiert Boris!" Kritiker befürchten, dass ein solches Abkommen auch als sinnvoll erachtete Regulierungen der EU - etwa in der Landwirtschaft - beeinträchtigen wird.
In Schottland räumte die Schottische Nationalpartei ab, was Spekulationen über ein möglicherweise neues Unabhängigkeitsreferendum befeuerte. SNP-Chefin Nicola Sturgeon kündigte an, für ein zweites Unabhängigkeits-Referendum zu kämpfen. "Boris Johnson hat erstens kein Recht, Schottland aus der EU zu nehmen, und zweitens kein Recht zu verhindern, dass das schottische Volk über seine eigene Zukunft bestimmt", sagte die schottische Regierungschefin.
Die Chefin der Liberaldemokraten, Jo Swinson, verlor in einer für ihre Partei enttäuschenden Wahlnacht ihr Mandat und trat zurück. Das Amt der 39-jährigen übernehmen zunächst ihr Stellvertreter Ed Davey und die Parteipräsidentin Sal Brinton, wie die Partei mitteilte. Neue Wahlen zum Parteivorsitz fänden im kommenden Jahr statt. Swinson hatte ihren Sitz in Dunbartonshire East in Schottland an die Kandidatin der SNP verloren. Die Liberaldemokraten wollten die Wahl mit dem Versprechen gewinnen, den Brexit abzublasen.
Dem Austrittsabkommen zufolge soll das Land bis Ende 2020 in einer Übergangsphase bleiben. Bis dahin will Johnson einen Vertrag über die künftigen Beziehungen mit der Staatengemeinschaft aushandeln. Die Zeit dafür gilt jedoch als denkbar knapp. Eine Verlängerungsoption um bis zu zwei Jahre, die noch bis Juli 2020 möglich ist, hat der Premier ausgeschlossen. Sollte kein Anschlussabkommen zustande kommen, droht Ende kommenden Jahres wieder ein No-Deal-Szenario.
Die SPD-Europapolitikerin Katarina Barley sieht kein rasches Ende des Brexit-Streits. Johnson habe mit "der leeren Versprechung" gepunktet, den Brexit schnell abhandeln zu können, erklärte die Vizepräsidentin des Europaparlaments am späten Donnerstagabend der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Zunächst müsse der Austrittsvertrag durch das britische und das Europäische Parlament. "Und danach geht es erst richtig los: Die zukünftige Beziehung des Vereinigten Königreiches mit der EU muss verhandelt werden", erklärte Barley. "Johnson will das in wenigen Monaten schaffen - das wird nicht funktionieren."
Der SPD-Europapolitiker Jens Geier pocht auf eine Verlängerung der Brexit-Übergangsfrist über Ende 2020 hinaus. Auch der deutsche EU-Abgeordnete David McAllister Zweifel äußerte Zweifel am Brexit-Zeitplan. Das Ziel, die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien bis Ende 2020 abzuschließen, sei "extrem ambitioniert, meines Erachtens ausgeschlossen", sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk.
Die Briten hatten 2016 in einem Referendum mit knapper Mehrheit für den EU-Austritt gestimmt. Nach zähen Verhandlungen konnte Johnsons Vorgängerin Theresa May im November 2018 ein Austrittsabkommen vorlegen. Doch die anschließende Ratifizierung im britischen Parlament scheiterte. Nicht zuletzt, weil ihre Regierung seit der vergangenen Wahl 2017 keine eigene Mehrheit mehr hatte. Der Brexit wurde mehrmals verschoben, May musste schließlich zurücktreten.
LONDON (dpa-AFX)
Weitere News
Bildquellen: Ben Pruchnie/Getty Images, Jack Taylor/Getty Images