Schwellenländer

Warum die Erfolgsstory der BRICs weitergeht

aktualisiert 13.12.11 14:50 Uhr

Vor zehn Jahren wurden vier Schwellenländer zur eigenen Investmentklasse erkoren – und zum Erfolgsmodell für Anleger. Welche Chancen die BRICs weiter bieten.

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von Jörg Billina, €uro am Sonntag

Die Gewichte in der Weltwirtschaft verschieben sich – gerade dieser Tage tritt die Schwäche der Industriestaaten und die Stärke der Schwellenländer deutlich hervor: In den USA leben aktuell so viele Menschen in Armut wie seit den 90er-Jahren nicht mehr. Auch in der Eurozone sehen viele Bürger ihren Lebensstandard bedroht. Dagegen wächst in Brasilien, Russland, Indien und China die Zuversicht. Die Löhne ziehen an. Immer mehr Menschen steigen auf in die Mittelschicht. Und sie konsumieren kräftig.

Jim O’Neill hat den rasanten Aufschwung des dynamischen Quartetts und seine zunehmende Bedeutung für die globale Konjunktur schon im November 2001 kommen sehen. In ­einer seinerzeit nur wenig beachteten Studie prognostizierte der heutige Chef von Goldman Sachs Asset Management, dass der Anteil dieser Staaten am Welt­sozialprodukt bis 2011 von acht auf 14 Prozent steigen werde.

Seine Vorhersage, die er damals selbst als optimistisch bezeichnete, wurde von der Wirklichkeit übertroffen. Die vier Staaten, aus deren Anfangsbuchstaben er den Begriff „BRIC“ prägte, erwirtschaften aktuell 20 Prozent der globalen Wertschöpfung, das sind rund 9,6 Billionen Euro. China rangiert heute in der vom IWF erstellten Rangliste der Wirtschaftsmächte mit einem Bruttoinlandsprodukt von etwa vier Billionen Euro auf Platz 2 – vor Japan. Brasilien belegt den siebten Platz und wird demnächst Großbritannien überholen. Auf den Plätzen zehn und elf finden sich Indien und Russland. Ein weiterer Beleg für den Boom: Die Zahl der Milliardäre in den BRIC-Staaten ist in den vergangenen zehn Jahren um das 15-Fache gestiegen.

O’Neill prophezeite auch, dass die BRIC-Länder politisch an Einfluss gewinnen würden. Heute sind sie eine selbstbewusste Staatengruppe, die von der EU bekniet wird, sich an der Rettung der Eurozone zu beteiligen. Das Geld dazu hätten sie. Die Devi­senreserven des Reichs der Mitte werden auf über 3,2 Billionen Dollar geschätzt, Russland bringt es etwa auf 525 Milliarden Dollar.

Doch die BRIC-Staaten wollen nicht helfen – zumindest nicht ohne Gegenleistung. Selbstbewusst attestieren sie den Europäern mangelnde Leidensfähigkeit, verweisen auf eigene harte Anpassungsmaßnahmen und fordern ihrerseits die Industriestaaten zu Reformen und Sparanstrengungen auf. Unmissverständlich geben sie zu verstehen, dass sie finanzielle Hilfe in größerem Stil nur dann zu ­geben bereit sind, wenn ihnen unten anderem größeres Mitspracherecht im Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie Handelserleichterungen eingeräumt werden.

Keine Abkopplung
Der Boom in den BRIC-Staaten – Chinas Wirtschaft wuchs 2009 um fast 14 Prozent – spiegelte sich an den Börsen wider. Der MSCI Brazil legte in den vergangenen zehn Jahren um 267 Prozent, der MSCI Russia um 180, der MSCI India um 219 und der MSCI China um 170 Prozent zu. Zum Vergleich: Der DAX bringt es im selben Zeitraum auf ein Plus von 24 Prozent.

Allerdings: Subprime-Debakel, Finanzkrise und die Rezession in den Industriestaaten gingen an den BRIC-Börsen nicht spurlos vorüber. Vor allem ausländische Investoren zogen 2008 massenweise ihr Geld ab. „Brechen die Heimatmärkte ein, neigen Anleger dazu, Gewinne an den Auslandsbörsen mitzunehmen“, erklärt Dilek Capanoglu, Schwellenländer­expertin bei Allianz Global Investors. „Zudem stuften viele Anleger aus Europa und den USA die BRIC-Staaten – trotz Aufschwungs und politischer Stabilität – als zu riskant ein.“

Auch in diesem Jahr sind die Börsen der vier Schwellenländer nicht immun gegen die erneute Schwäche der Finanzmärkte in den Industriestaaten. Indiens Leitindex, der Sensex 30, weist seit Jahresanfang auf ­Eurobasis ein Minus von rund 28 Prozent auf und ist damit das Börsenschlusslicht Asiens. Das brasilianische Börsenbarometer, der Bovespa, notiert 21 Prozentpunkte tiefer. Auch mit russischen und chinesischen Aktien verdienten Anleger kein Geld.
„Die Kurse sind nicht nur wegen der EU-Schuldenkrise unter Druck“, sagt Capanoglu. „Belastend wirkten sich für die vier Börsen auch der arabische Frühling, der Anstieg des Ölpreises, die Inflation bei Lebensmitteln und die Sorge um eine harte Landung in China aus.“

Mittlerweile ist jedoch Capanoglus Meinung nach ein großer Teil der schlechten Nachrichten und Entwicklungen in den Notierungen enthalten. Für langfristig orientierte Anleger, die zwischenzeitliche Verlustphasen verkraften können, dürfte sich der Einstieg zum aktuellen Zeitpunkt lohnen. Die BRIC-Märkte sind günstig bewertet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis chinesischer Aktien liegt derzeit mit 8,9 rund 40 Prozent unter dem his­torischen Durchschnitt. „Auch die anderen Börsen weisen deutliche Abschläge auf“, sagt Capanoglu.

Vor allem aber: Die BRIC-Staaten haben ihr ökonomisches Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. „Sie bleiben auch in den kommenden ­Jahren die globalen Konjunktur­motoren“, meint O’Neill. Der weitsichtige Ökonom schätzt, dass sie in den nächsten zehn Jahren bei jährlichen Wachstumsraten von sieben bis acht Prozent Güter und Dienstleistungen zwischen neun und 14 Billionen Euro produzieren werden.


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Die Politik bremst
Insbesondere Indien traut O’Neill viel zu und hofft, dass der Reformstau in Delhi endlich aufgelöst wird. Doch diese Woche scheiterte Ministerpräsident Manmohan Singh mit seinem Vorhaben, den Einzelhandel zu liberalisieren und ausländische Unternehmen wie Walmart oder Carrefour ins Land zu lassen. Sie hätten mit ­ihrer Logistik und Kühlsystemen dafür gesorgt, dass nicht jedes Jahr rund 40 Prozent der Agrarprodukte verrotten, bevor sie den Endverbraucher erreichen. Auch die Lebensmittelpreisinflation wäre voraussichtlich deutlich nach unten gegangen.

Ebenso sieht O’Neill für Russland eine verheißungsvolle Zukunft. „Gelingt es, eine Krise vermeiden, wird Russland in 20 Jahren Deutschland als stärkste Wirtschaftsmacht in Europa überholen.“ Aber auch in Russland blockiert die Politik den Fortschritt. Der immer wieder angekündigte Umbau der Wirtschaft stockt, die Abhängigkeit von Öl und Gas ist weiterhin hoch. Nun sehen sich die Machthaber in Moskau auch nochmit Vorwürfen konfrontiert, die jüngsten Parlamentswahlen massiv gefälscht zu haben.

Positivere Nachrichten kommen derzeit dagegen aus China und Bra­silien. Zwar war der Einkaufsmanager­index im Reich der Mitte zuletzt rückläufig, doch die Regierung in ­Peking lockerte erneut die Kreditvergabemöglichkeiten. Die Gefahr von Überhitzung und steilem Absturz scheint nun gebannt zu sein. Die brasilianische Zentralbank wiederum senkte die Zinsen, auch wurden die Steuern für Investoren aufgehoben.

Beim Abwägen der Chancen und Risiken eines Engagements in den BRIC-Staaten spricht trotz der Schattenseiten viel für den Kauf. Der bislang stets konservativ anlegende ­Japanese Government Fund will jedenfalls ab 2012 erstmals einen Teil seiner Anlagesumme von rund einer Billion Euro in den vier Emerging Markets investieren.

Investor-Info

Allianz RCM BRIC Equity
BRIC und mehr

Manager Michael Konstantinov konzentriert sich auf die Börsen in den BRIC-Staaten. Er kann zudem bis zu einem Drittel des Fondsvolumens in Aktien außerhalb der vier größten Schwellenländer investieren. Die Unternehmen müssen aber in Beziehung zu den BRIC-Staaten stehen. Mit rund 23 Prozent ist derzeit Russland hoch gewichtet. In den vergangenen drei Jahren erzielte der Fonds über 80 Prozent.

Vontobel Emerging Markets
Breit aufgestellt

Aktuell sieht Fondsmanager Rajiv Jain die besten Chancen bei Aktien aus Brasilien und Indien. Darüber hinaus engagiert er sich in Mexiko, Malaysia und Südafrika. Auch in diesen Staaten wächst die Binnennachfrage. Bei den Branchen setzt Jain daher vor allem auf die Konsumunternehmen, wie den Getränkehersteller Ambev. Seit Jahresanfang verlor der Fonds aber knapp fünf Prozent.

First State India
Erholung möglich

In Mumbai sind die Kurse 2011 eingebrochen. Vor allem mehrfache Zinserhöhungen und Korruptionsvorfälle drückten auf die Stimmung der Anleger. ­Inzwischen sind viele Aktien günstig bewertet. Eine Erholung im kommenden Jahr ist drin. Konsequent gute Ergebnisse erzielt der First-State-Indian-Fonds. In den vergangenen drei Jahren legte er rund 130 Prozent zu. Nur risikobereite Anleger steigen ein.

East Capital Russian Fund
Politische Risiken

Das Fondsmanagement spürt unterbewertete Titel auf, die von langfristigen Trends profitieren. Zwei Drittel der Mittel verteilen sich auf Unternehmen mit hoher Marktkapitalisierung wie Lukoil oder Gazprom. Die sind derzeit günstig. Anleger warten aber besser noch. Die aktuellen politischen Spannungen könnten die Kurse noch einmal nach unten ziehen.

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