Zukunft des Bankenmarktes: Bankfilialen zum In-die-Tasche-stecken
Bankgeschäfte mittels Internet oder Mobiltelefon sind längst zur Alltäglichkeit geworden.
Viele Service-Dienstleistungen werden online abgewickelt. Dagegen finden Kundenansprachen in der Filiale zunehmend seltener statt. Der Trend ist klar: Die Mehrheit der Kunden wollen inzwischen ihre Bankfiliale "in die Tasche stecken", nämlich in Form ihres Smartphones.
Verschwindet die Bankfiliale in Deutschland?
Die Banken scheinen ihre Infrastruktur noch nicht ausreichend an die mobilen Bedürfnisse der Kunden angepasst zu haben. Insbesondere beim Kostenblock "Filiale" hat sich in den letzten 20 Jahren nicht viel getan. So werden finanzielle Mittel in einer überholten Infrastruktur gebunden, die den Banken bei der Erweiterung alternativer Vertriebswege fehlen. Schließlich wird im deutschen Privatkundengeschäft bei niedrigen Margen und zu hohen Kosten ein im europäischen Vergleich sehr bescheidener Ertrag erwirtschaftet. Dies macht die Banken anfällig für eine Vielzahl von Risiken, wie beispielsweise ein kontinuierlicher Rückgang von Marktanteilen durch kosteneffizientere oder rein internetbasierte Wettbewerber.
Obwohl sich die Anzahl der Bankstellen seit 1995 bereits um 47% reduziert hat, ist künftig mit weiteren Filialschließungen zu rechnen. Allerdings wird es weiterhin Bankkunden geben, die persönlich beraten werden wollen. Banken werden das persönliche Angebot noch stärker an zentraler Stelle konzentrieren und weniger, dafür hochqualifiziertes Verkaufspersonal zur Verfügung stellen müssen.
Weniger Filialen, mehr hochqualifizierte Bankberater
Deutsche Finanzinstitute nehmen den veränderten Kundenbedarf sehr ernst und investieren insbesondere mehr in den Online-Vertrieb. Ein Mix des Angebotes wird hier der entscheidende Erfolgsfaktor sein. Großbanken wie Deutsche Bank und Commerzbank haben bereits Zweitmarken aufgebaut (Norisbank, ComDirect), um Kunden kostengünstig Dienstleistungen bei gleichzeitig weniger persönlichem Service anbieten zu können.
Aus unserer Sicht könnte sich das Wettbewerbsrisiko einer Bank in Deutschland erhöhen, sollten die Banken die massiven strukturellen Änderungen des Bankenmarktes nicht wesentlich proaktiver angehen. Kostenmanagement ist hier nur eine Seite der Medaille - das Kundengeschäft nachhaltig profitabel und weniger volatil zu gestalten ist ebenso wichtig. Diese Aspekte sind auch wesentliche Bestandteile unserer Ratinganalyse bei Banken.
Fazit: Die Banken müssen sich darauf einstellen, dass sich das Tempo des Bankstrukturwandels in Deutschland in den nächsten Jahren nochmals merklich steigern wird. Denn entweder kann man die Bankfiliale der Zukunft (auch) "in die Tasche stecken", oder etablierte Banken werden vom bestehenden oder neuen Wettbewerb aus dem Netz in dieselbe gesteckt werden. Von Markus Schmaus, Senior Director, Analytical Manager Financial Institutions bei Standard & Poor’s Ratings Services Frankfurt
Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Credit Rating Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de
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