Trotz Bankenunion trägt der Steuerzahler ein Restrisiko
Kommt es in Zukunft zu Insolvenzen von europäischen Banken, sollen die Gläubiger von Banken stärker und dafür die jeweils betroffenen Staaten und deren Steuerzahler weniger in Haftung genommen.
So sieht es zumindest die im April 2014 vom EU-Parlament verabschiedete neue Bankenabwicklungsrichtlinie (BRRD, Bank Resolution and Recovery Directive) vor. Doch wirkt sich diese Entlastung auch positiv auf die Bonität des Staates selbst aus?
Finanzkrisen erhöhen staatliche Verschuldungsquoten
Die Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit zeigen deutlich, dass die direkten Kosten der Rekapitalisierung von Banken in Notlagen nur einen kleinen Teil der gesamten ökonomischen und fiskalischen Kosten einer aus Bankenkrisen entstehenden Finanzkrise ausmachen. Die Kosten der oft auf eine solche Finanzkrise folgenden Rezession oder Deflation, beispielsweise durch sinkende Steuereinnahmen und höhere Arbeitslosigkeit, sind ungleich höher. Sie stellen den weit größeren Teil der in der Folge einer Finanzkrise ansteigenden Staatsverschuldung dar.
So beliefen sich 2008 bis 2013 die durchschnittlichen Nettokosten der Rekapitalisierung von Banken in Spanien auf rund fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Die USA konnten aus der Rekapitalisierung sogar einen kleinen Gewinn von 0,3 Prozent des BIP ziehen, indem sie die in der Krise erworbenen Bankenanteile wieder veräußerten. Gleichzeitig aber stiegen im betreffenden Zeitraum die Bruttoverschuldungsquoten dieser Länder zwischen 30 (USA) und 50 Prozent (Spanien) des BIP.
Indirekte Kosten beeinflussen Kreditwürdigkeit eines Staates stärker
Hieraus ist ersichtlich, dass die indirekten Kosten einer Bankenkrise weit schwerer wiegen als die direkten. Damit sind sie viel entscheidender für die Ratings bzw. die Kreditwürdigkeit einzelner Länder. Diese indirekten wirtschaftlichen Kosten dürften auch in Zukunft anfallen, selbst wenn die direkten Kosten von den Steuerzahlern auf Bankengläubiger verlagert werden sollten. Dies gilt auch dann, wenn künftig durch eine verbesserte Bankenaufsicht die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Krise reduziert würde.
Die in der EU-Abwicklungsrichtlinie beschriebenen Vorhaben verringern zwar die momentane Verzahnung der Kreditwürdigkeit von systemrelevanten Banken und Regierungen. Im Umkehrschluss profitieren die Bonität und damit die Ratings der europäischen Staaten davon aber nicht. Denn die indirekten - und oftmals weitaus höheren - Kosten infolge von Bankenkrisen trägt weiterhin der Staat. Von Moritz Kraemer, Chief Rating Officer Sovereign Ratings und Nicolas Hengstebeck, Rating Analyst Financial Institutions Ratings, Standard & Poor’s Ratings Services Frankfurt
Quelle: IMF (2014) und Standard & Poor‘s
Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Credit Rating Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de
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