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Ehrgeizig, aber machbar: Der Juncker-Plan mit über 315 Milliarden Euro für strategische Investitionen

03.02.15 12:26 Uhr

Ehrgeizig, aber machbar: Der Juncker-Plan mit über 315 Milliarden Euro für strategische Investitionen | finanzen.net

Nach Meinung von Standard & Poor’s Ratings Services ist das neue Investitionsprogramm der Europäischen Kommission - der sogenannte Juncker-Plan - ehrgeizig, aber machbar.

Der nach dem neuen Kommissionspräsidenten benannte Plan sieht vor, dass mit Hilfe von Investitionen in Höhe von 315 Milliarden Euro, überwiegend aus den Kapitalmärkten, eine Pipeline von 2.000 Infrastrukturprojekten in den nächsten drei Jahren finanziert wird. Nach dem aktuellen Bericht von S&P "Europe's Investment Plan: How To Spend €315 Billion In Three Years" wird der Gesamtwert der Infrastrukturprojekte auf 1,3 Billionen Euro geschätzt.

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Sofern der Plan ab Juni in Kraft tritt, wird die Kommission einen Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) mit einem Volumen von 21 Milliarden Euro gründen. Die EU wird sich daran mit Garantien in Höhe von 16 Milliarden Euro beteiligen, die Europäische Investitionsbank (EIB) wird fünf Milliarden Euro in Form von aktienähnlichen Investitionen und Darlehensgarantien bereitstellen. Der EFSI soll in riskantere Projekte oder in nachgeordnete Positionen bei weniger riskanten Projekten investieren, um das 15-fache der anfänglich von EU und EIB bereitgestellten 21 Milliarden Euro an privatem Kapital anzulocken.

Drei zentrale Herausforderungen für das Gelingen des Plans

1. In einem relativ kurzen Zeitraum müssen die Investoren aus dem Privatsektor ausreichend langfristiges Kapital zur Verfügung stellen.

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2. Die Öffentlichkeit muss davon überzeugt werden, dass Investitionen in die Infrastruktur das Wirtschaftswachstum der EU wieder ankurbeln und

3. die "Projekt-Wunschliste" mit einem Volumen von 1,3 Billionen Euro muss in eine glaubwürdige und investierbare Pipeline umgesetzt werden.

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Unserer Meinung nach wird die größte zu überwindende Hürde sein, die Kapitalmärkte zu öffnen, um eine Finanzierung für Junckers Investitionsplan zu ermöglichen - vor allem angesichts des relativ kurzen Zeitfensters von drei Jahren. Obwohl wir der Ansicht sind, dass das Interesse privater Investitionen an Infrastruktur und anderen Schlüsselbereichen wächst, sind weitere Maßnahmen erforderlich, um grundlegende Veränderungen in der Finanzierung des privaten Sektors voranzutreiben.

Investitionen in Infrastruktur schafft Wachstum

Unsere makroökonomische Analyse zeigt, dass Investitionen in die Infrastruktur das Wachstum kurzfristig durch die Nachfrage und langfristig durch das Angebot stärken. Wir sind der Auffassung, dass ohne Wachstum die Einhaltung der haushaltspolitischen Vorschriften durch die Mehrheit der 28 Mitgliedstaaten kaum möglich ist. Das gesamtwirtschaftliche Umfeld in der Eurozone mit stockendem Wachstum und der erhöhten Disinflation würde schwach bleiben.

EFSI-Fonds auch für mittelständische Unternehmen

Das Investitionsprogramm sollte den Geschäftsbanken einen deutlichen Anreiz bieten, die Finanzierung der EIB zu nutzen, um ihre eigenen bestehenden risikoärmeren Kunden zu unterstützen, statt die Kredite an Hochrisiko-Start-up-Unternehmen zu vergeben. Sollten die EU-Mittel in der Tat in risikoreichere Start-up Unternehmen fließen, wäre die Frage, ob ein 20-prozentiges "First Loss" Polster von der EIB und des EIF ausreichen würde, um weitere 80 Prozent des vorrangigen Kapitals zu gewinnen, um den Gesamtbetrag, den der Plan anvisiert, zu erzielen.

Wenn die EIB und der EIF diese potenziellen Schwachstellen erfolgreich adressieren, kann der Juncker-Investitionsplan auch in Bezug auf den Mittelstand einen gangbaren Weg zu Wachstum und Beschäftigung in Europa ermöglichen.

Klare Zielsetzung und Struktur auf allen Ebenen führen zum Erfolg

Wir sind der Ansicht, dass der EFSI mit einer klareren Zielsetzung und Struktur privates Kapital aus anderen Quellen anziehen kann. Klar ist, dass ein Bedarf an höheren Infrastrukturausgaben besteht und dass gezielte Investitionen in diesem Bereich einen positiven Einfluss auf die Wirtschaft haben können. Für die erfolgreiche Umsetzung des Investitionsplans wird es von großer Bedeutung sein, durch eine verstärkte Kapitalmarktfinanzierung den privaten Sektor einzubinden. Dies ist aus unserer Sicht auch umsetzbar, solange Europas Geldgeber, Politiker und politische Entscheidungsträger genügend Unterstützung bieten und Anreize schaffen.

Von Michael Wilkins, Primary Analyst, Standard & Poor’s Ratings Services London

Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Credit Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de

Grafik: Investitionen in Schlüsselsektoren 2015-2017 (geschätzt)



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