Eurogipfel, verhinderte Finanzmarktreform – und Ihre Anlagen
Die Umrisse der Einigung für Europa werden nun sichtbar:
Notenbanken und IFW sollen Nothilfen geben, der Stabilitätsfonds soll schon Mitte 2012 einsatzfähig sein. In den Verfassungen werden Schuldengrenzen verankert. Es gibt keine Eurobonds, und auch keine Beteiligung „privater Gläubiger“, also der Finanzbranche.
Letzteres ist der eigentliche Skandal: Nachdem Banken und Finanzdienstleister uns unter Umgehung der Marktwirtschaft die Finanzkrise eingebrockt hatten, wurden sie von der Allgemeinheit, dem Steuerzahler, gerettet, ohne selber größere Kosten tragen zu müssen. Als Folge stiegen die Staatsschulden. Deswegen, und weil im Staatsanleihensektor die Marktwirtschaft durch die Ratingagenturen ebenfalls außer Kraft gesetzt ist, haben wir nun eine Staatsschuldenkrise.
Wieder haben sich Banken und Finanzdienstleister verspekuliert, weil sie zu viele dieser Anleihen im Vertrauen auf die Ratingagenturen gekauft hatten. Und nun zahlt den Schaden – die Öffentlichkeit. Griechenland zahlt durch ein brutales Sparprogramm. Die Nordländer zahlen, indem ihr Kredit belastet wird.
Hier muss ich den Ausspruch des berühmten Künstlers Max Liebermann zitieren, als er im Januar 1933 die braunen Horden durch Berlin ziehen sah: „Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte.“
Die einzig richtige Möglichkeit wäre eine massive Beteiligung „privater Gläubiger“, also der Finanzdienstleister, gewesen. „Private Gläubiger“ sind ja nicht Sie und ich – es sind große Finanzmarktakteure mit eigenen Analysten. Im Falle Griechenlands sind die Hauptgläubiger die griechischen Banken, die wiederum griechischen Oligarchen gehören. DAS sind die Akteure, deren Vermögen Sie und ich schützen. Wir leben in einer Welt, in der die Finanzoligarchie zunehmend macht, was sie will.
Frau Merkel, wenn es stimmt, was durch die Agenturen geht, haben Sie uns verraten!
Dazu passt auch folgende Meldung: In den USA wurden nun nach dem Freedom of Information Act 27.000 Seiten Dokumente der Zentralbanken freigegeben. Die Banken hatten das bis zum Schluss bekämpft. In diesen Dokumenten steht Ungeheuerliches: Als es den Banken in den USA im Herbst 2008 am schlechtesten ging, haben sie nicht 700 Milliarden, sondern 7,7 Billionen Dollar als kurzfristige Liquiditätshilfen zu 0,01 Prozent Zinsen bekommen – das ist die Hälfte des US-Sozialprodukts. Allein am 5. Dezember waren es 1,2 Billionen Dollar.
Mit diesen Hilfen haben die Banken mal schnell 13 Milliarden Dollar verdient. Kein Wunder, dass sie das alles geheim halten wollten und bis jetzt geheim gehalten haben. Der Skandal daran ist, dass all dies nicht bekannt war, als 2009 und 2010 die Finanzbranche reguliert werden sollte. Stattdessen hat die Finanzlobby in den USA wie in Europa eine Armee von Rechtsanwälten und Lobbyisten auf die Abgeordneten losgelassen – in den USA waren es drei Lobbyisten je Abgeordneten.
Wir stehen alleine da! Die Politik wird nicht uns helfen, sondern den großen spekulativen Finanzmarktakteuren. Es ist viel schlimmer, als es sich Normalbürgerinnen und Normalbürger jemals erträumt haben.
In dieser Situation gibt es keine Sicherheiten mehr. Der Schutz des Eigentums von Bürgerinnen und Bürgern wird durch die rechtlose Gesellschaft zunehmen ausgehöhlt. Sie können sich nur an vernünftigen, langfristigen Anlagegrundsätzen orientieren und Ihr Vermögen streuen.
Zudem hilft es, wenn Sie nicht so agieren wie die breite Masse, die dann Aktien meidet, wenn diese „billig“ und langweilig sind. Aktien können derzeit nicht so verkehrt sein. Aber vergessen Sie nicht, auch etwas physisches Gold als Versicherung gegen den schlimmsten Fall zu halten.
Prof. Dr. Max Otte ist Herausgeber des PRIVATINVESTOR (www.privatinvestor.de) und Geschäftsführender Gesellschafter der IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH. Ziel des Instituts ist die Aktienanalyse und die Entwicklung von Aktienstrategien für Privatanleger.Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.