Mark Mobius: "Für Investoren kein Grund zur Panik"
Hongkong: Die Proteste in Chinas Sonderzone verunsichern viele Anleger. Schwellenländer-Pionier Mark Mobius über die Hintergründe, die Folgen - und aktuelle Kaufgelegenheiten.
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von B. Fischer und P. Schweizer, Euro am Sonntag
Regenschirmrevolution" werden die seit Wochen andauernden Proteste in Hongkong genannt - weil sich die Demonstranten mit Schirmen gegen Wasserwerfer und Pfefferspray zu schützen versuchen. Auch in den vergangenen Tagen kam es wieder zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Proteste richten sich gegen die Regelungen, die China für die 2017 anstehende Wahl des Chefs der Sonderverwaltungszone beschlossen hat. Dieser wurde in den ersten Jahren nach der Übergabe des Gebiets von Großbritannien an China durch ein Peking nahestehendes Wahlkomitee bestimmt, ab 2017 soll er gemäß der mit den Briten getroffenen Vereinbarung von den Bürgern direkt gewählt werden.
Frei werden diese Wahlen allerdings nicht sein: Das Komitee sucht die Kandidaten aus, der Sieger muss von der chinesischen Regierung bestätigt werden. Die Proteste in Hongkong verunsichern zusammen mit den zuletzt durchwachsenen Zahlen zur Konjunktur Chinas (siehe Investor-Info) viele Anleger. Mark Mobius gilt als exzellenter Kenner der asiatischen Finanzmärkte. Im Interview mit €uro am Sonntag erläutert der Fondsmanager von Franklin Templeton die Hintergründe der derzeitigen Proteste und verrät, wo er aktuell Kaufgelegenheiten sieht.
€uro am Sonntag: Herr Mobius, wie erklären Sie Anlegern die aktuelle Lage in Hongkong - sollten diese angesichts der Unsicherheit ihr Geld in Sicherheit bringen?
Mark Mobius: Hongkong war früher eine britische Kolonie. Aber der Metropole ist es gelungen, demokratische Strukturen zu entwickeln. Die Menschen sind die Autonomie längst gewohnt. Die brennende Frage wird also bleiben, wer Generalsekretär von Hongkong werden soll. Auf dem chinesischen Festland haben die Menschen diese Wahl nicht. Die Regierung hätte die Demonstranten gern so rasch wie möglich von der Straße weg, und zwar langfristig. Für Investoren sind diese Spannungen aber kein Grund zur Panik. Einen großen Einfluss haben die Ereignisse nicht unmittelbar.
Die Aktienkurse zeigen aber doch etwas anderes.
Natürlich bekommen das einzelne Aktien aus China, die in Hongkong notieren, zu spüren.
Wie groß ist das Risiko, dass Hongkong völlig von China aufgesogen wird?
Ich würde sagen, das ist längst der Fall. Die Idee eines unabhängigen Hongkong ist out, das steht außer Zweifel. Wie rasch Hongkong in das chinesische System integriert wird, bleibt abzuwarten. Wobei sich Chinas Wirtschaft immer mehr öffnet. Die Ein- und Ausreise ist kein Problem, und es gibt keinen Bürgerkrieg. Freilich ist China mit Problemen wie der Umweltverschmutzung konfrontiert. Aber der öffentliche Widerstand in der Bevölkerung konzentriert sich derzeit ausschließlich auf Hongkong, nicht auf China.
Welche Auswirkungen hat das aufs Wirtschaftsleben in Hongkong?
Hongkong wird mit den chinesischen Methoden und Vorstellungen konform gehen müssen. Die Frage ist, ob es für China von Vorteil ist, die Unabhängigkeit Hongkongs zu bewahren. Das birgt nämlich auch Vorteile, weil bestimmte Handelsmöglichkeiten, die Hongkong hat, in weiten Teilen Chinas nicht gegeben sind.
Was heißt das für Anleger?
Dass sie einen weitaus besseren Zugang zu chinesischen Unternehmen und Anlagemöglichkeiten erhalten. Allein in diesem Monat erleben wir einen starken Anstieg gehandelter Papiere von chinesischen Unternehmen in Hongkong infolge der Integration und der gleichzeitigen Öffnung des chinesischen Marktes für Investoren aus Hongkong.
Wenn die Metropole so boomt, wird sie das bisherige Investorenzentrum Singapur verdrängen?
Beide Finanzplätze werden sich zunehmend ergänzen. Singapurs Fokus liegt auf dem südostasiatischen Raum, der Fokus auf den chinesischen Markt geht zunehmend von Hongkong aus. Genau aus diesem Grund haben viele Investoren an beiden Orten die volle Infrastruktur, vom Research bis zum Frontoffice.
Institutionelle Investoren können sich das leisten. Aber was ist mit Privatanlegern - werden die aus Vorsicht Aktien verkaufen und Geld abziehen?
Einige Anleger werden das bestimmt tun. Das führt natürlich zu sinkenden Kursen auf den Aktienmärkten. Aber genau deshalb sehe ich die Lage anders. Weil die Kurse niedriger sind, ist ebendies der beste Zeitpunkt, um Aktien günstig zu kaufen. Aufgrund der Unruhen geraten die Papiere an der Börse in Hongkong unter Druck. Entspannt sich die Lage nachhaltig, steigen die Preise wieder. Insbesondere chinesische Titel, die in Hongkong notieren, könnten für Anleger interessant sein.
Welche Investments empfehlen Sie?
Ich interessiere mich am meisten für den Ölsektor. Denn die Chinesen brauchen viel Energie. Das ist langfristig. Unterhaltungselektronik ist der zweite vielversprechende Bereich in China. In Hongkong liegen die größten Gelegenheiten für Investitionen, weil man dort einen Zugang zu den Geschäftsaktivitäten in China bekommt.
Auf dem chinesischen Festland macht Shanghai dem Finanzplatz Hongkong Konkurrenz. Fällt das weg, wenn China Hongkong vollständig absorbiert hat?
Es ist eher so, dass die Anleger von der Öffnung beider Handelsplätze profitieren. Dadurch steigt die Durchlässigkeit, der Handel wird vereinfacht. Dann können in beide Richtungen mehr Geschäfte als früher abgeschlossen werden, und das auch in der jeweiligen Lokalwährung und nicht nur in Renminbi. Das Abkommen zwischen China und Hongkong, Aktien chinesischer Unternehmen an der Hongkonger Börse zu listen, hilft.
Welche Rolle spielt dabei die Innensicht Chinas?
In China sind klar Reformbemühungen erkennbar. Die Regierung versucht die Volkswirtschaft wieder ins Gleichgewicht zu bringen: weg von den hohen Exporten und Investitionen, hin zum Binnenkonsum. Die Gehälter sind über die letzten Jahre um rund 20 Prozent gestiegen, das sollte zusätzlich helfen. Mehr verfügbares Einkommen führt über den steigenden Konsum zu steigenden Unternehmensgewinnen und Aktienkursen. Und das höhere Einkommen kann auch vermehrt für Aktienkäufe verwendet werden.
Investor-Info
Chinas Wirtschaft
Weniger Wachstum
7,5 Prozent lautet das offizielle Wachstumsziel für die Wirtschaft der Volksrepublik im laufenden Jahr. Dieses wird aber kaum noch erreicht werden können. Darauf deuten die diese Woche veröffentlichten Zahlen fürs dritte Quartal hin: Aufs Jahr hochgerechnet legt das BIP demnach um 7,3 Prozent zu. Daher prognostizieren Experten eine leichte Unterschreitung des ursprünglichen Ziels. Mit 7,3 Prozent würde Chinas Wirtschaft im Gesamtjahr so wenig zulegen wie seit 1990 nicht mehr. Ein langsameres Wachstum ist politisch gewollt: Die Regierung will die Wirtschaft reformieren, das BIP soll nicht mehr so stark wegen staatlicher Geldspritzen steigen und stattdessen durch Binnenkonsum und Privatinvestitionen angetrieben werden. Einknicken lassen wird der Staat die Konjunktur aber nicht - und im Zweifel mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen stützen.
Comstage HSCEI ETF
Über Hongkong nach China
Der Hang Seng China Enterprises Index (HSCE) enthält Aktien von Firmen, die in Hongkong gelistet sind, ihren Sitz aber auf dem chinesischen Festland haben. Zuletzt sanken die Kurse, auch wegen der Unsicherheit infolge der Proteste. Für risikobereite Anleger kann das eine Einstiegsgelegenheit sein.
GAM Star China Equity
Bewährte Selektion
Während im HSCE-Index Banken einen Anteil von rund 60 Prozent haben, enthält der GAM-Fonds nicht einmal halb so viele Finanztitel. Dafür sind die Branchen IT und Gebrauchsgüter wesentlich höher gewichtet als im Index. Der Fonds gehört sowohl auf Sicht von drei als auch von fünf Jahren zu den besten Aktienfonds mit Schwerpunkt China.
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Bildquellen: Franklin Templeton Investments