Halvers Kapitalmarkt-Monitor Robert Halver

Die Verbal-Akrobatik der US-Notenbank - Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass

10.06.13 15:02 Uhr

Die Verbal-Akrobatik der US-Notenbank - Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass | finanzen.net

Die Stimmung in der Weltwirtschaft bleibt verhalten.

In China bewegt sich der offizielle Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe mit einem Wert von 50,8 zwar weiter im expansiven Terrain. Gleichzeitig fällt jedoch der entsprechende Einkaufsmanagerindex der HSBC Bank mit einem Wert von 49,6 unter die Expansionsschwelle von 50.

Die nachlassende Konjunkturdynamik der Weltwirtschaft gepaart mit den zunehmend deutlicher werdenden Auswirkungen der Zwangskürzungen im US-Staatshaushalt gehen auch an der amerikanischen Wirtschaft nicht spurlos vorüber. So rutscht der ISM Index für das Verarbeitende US-Gewerbe mit einem Wert von 49 - ein Vier-Jahres-Tief - unter die Expansion anzeigende Schwelle von 50 und signalisiert leichten Gegenwind für die US-Konjunkturerholung. Deutlich hat sich dabei die Neuauftragskomponente des ISM Index von 57,8 im Februar auf zuletzt 48,8 eingetrübt. Und auch der Konjunkturbericht der US-Notenbank bescheinigt der US-Wirtschaft zuletzt nur eine bescheidene Entwicklung.

Noch nicht einmal der Einstieg in den Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik

Angesichts dieser noch nicht befriedigenden Konjunkturerholung bleibt der US-Notenbank keine andere Wahl, als das geldpolitische Gaspedal weiter durchzudrücken.

Worauf zielt dann also die aktuell intensiv geführte Diskussion der Fed über eine Abschwächung des Anleiheaufkaufprogramms (QE3) ab? Notenbankchef-Chef Bernanke ist nicht entgangen, dass der US-Aktienmarkt - getrieben von der beispiellosen Liquiditätsoffensive - der Realwirtschaft weit vorgelaufen ist. So notierte der US-Aktienindex S&P 500 zwischenzeitlich auf einem Rekordhoch, während die amerikanische Konjunktur - gemessen am Index der US-Frühindikatoren - noch lange nicht an ihre robuste Verfassung von vor der Lehman-Pleite 2008 anschließen konnte. Angesichts dieser Lethargie bedarf es noch auf unabsehbare Zeit der deutlichen Unterstützung der US-Geldpolitik.

Damit es im Zuge der wirtschaftlich gebotenen, üppigen Liquiditätspolitik aber nicht zu einer dramatischen Blasenbildung an den US-Finanzmärkten kommt - deren Platzen auch zu dramatischen konjunkturellen Kollateralschäden führen würde - sorgt die Fed mit der breiten geldpolitisch restriktiven Diskussion sozusagen verbal-erotisch für Korrekturbewegungen am Aktienmarkt. Grundsätzlich ändert sie an ihrer expansiven geldpolitischen Ausrichtung jedoch nichts.

Dieses sehr positive Liquiditätsbild würde auch dann nicht getrübt, wenn es de facto zu einer Abschwächung der monatlichen Anleiheaufkäufe kommen sollte. Laut Konsensschätzungen des Datenanbieters Bloomberg könnte die Fed tatsächlich ab Oktober 2013 ihr monatliches Aufkaufvolumen von 85 auf 65 Mrd. US-Dollar, also um 25 Prozent senken. Anstatt auf fünf Billionen US-Dollar würde sich die Bilanzsumme der US-Notenbank immer noch auf gut 4,7 von aktuell 3,4 Billionen erhöhen. Geldpolitische Restriktion sieht anders aus. Der Nettoeffekt in punkto Liquidität bleibt immer noch sehr positiv. Ein Ende der Liquiditätshausse am US-Aktienmarkt droht nicht.

Aus Schaden wird man klug

Der Einstieg in den geldpolitischen Ausstieg findet erst dann statt, wenn der Nettoeffekt der Liquiditätspolitik negativ wird. Und der wirkliche Ausstieg aus der lockeren US-Notenbankpolitik ergibt sich erst bei steigenden US-Notenbankzinsen. Daran ist vor dem Hintergrund eines noch fragilen Konjunkturumfelds überhaupt nicht zu denken.

Denn dann würde sich ein Double Dip der US-Konjunktur - ein nochmaliges Abrutschen in die Rezession - zeigen. Als Gegenmaßnahme müsste die Fed eine noch freizügigere Notenbankpolitik betreiben, als die, die vorher herrschte.

Genau diese bittere Erfahrung musste die US-Notenbank bereits machen. Die zwischen 2004 und 2006 wenn auch nur in Trippelschritten sich erhöhenden US-Notenbankzinsen haben zum Einbruch der amerikanischen Konjunktur durch das Platzen der Immobilienblase und steigende Refinanzierungskosten für US-Unternehmen geführt. Anschließend waren zwischen Ende 2007 und 2008 drastische Zinssenkungen auf ein Rekordtief von 0,25 Prozent (vorher 1 Prozent) nötig, um die Konjunktur erneut anzukurbeln. Dieser seit 2009 anhaltende Niedrigzins hat zwar unbestritten die Unternehmensfinanzierungen über den Kapitalmarkt verbilligt, bislang bei den Konjunkturperspektiven aber noch keine breitseitige Erholung gezeigt. Offensichtlich brauchen die aktuell niedrigen Notenbankzinsen deutlich mehr Zeit als in früheren Aufschwungzyklen, um realwirtschaftliche Wirkung zu erzielen. Diesen langsamen Erholungsprozess wird die Fed nicht im Entferntesten mit Zinssteigerungen riskieren, da diese konjunkturell einen deutlich schnelleren restriktiven Eindruck hinterlassen würden.

Bei einem erneuten konjunkturellen Einbruch hätte die Fed ihr zinspolitisches Pulver endgültig verschossen. So weit wird sie es niemals kommen lassen.

Die EZB bleibt am Ball

Auch die EZB treibt ihre geldpolitische Blankoscheck-Politik voran. Zwar nimmt sie nach der Zinssenkung im vergangenen Monat zunächst eine abwartende Haltung ein. Ihr geht es darum, nicht noch mehr in Vorleistung zu treten, damit ein Mindestmaß an Druck auf die Euro-Politik aufrecht erhalten bleibt. Der Eindruck einer bedingungslosen Politikhörigkeit soll vermieden werden.

Dabei signalisiert EZB-Chef Draghi für den Ernstfall dennoch weiterhin seine klare Unterstützung für die euroländische Konjunktur. Eine auf -0,6 Prozent in diesem Jahr zurückgestutzte Wachstumsprognose darf als Anhaltspunkt für eine weitere mögliche Zinssenkung in den kommenden Monaten gewertet werden.

Und angesichts der Kreditklemme bei mittelständischen euroländischen Unternehmen bleibt auch der direkte Kauf von mit Mittelstandskrediten abgesicherten Anleihen ein grundsätzlich mögliches Instrument. Geldpolitische Restriktion oder Zinswende werden noch auf lange Zeit aus dem Vokabular der EZB gestrichen.

Und das passiert in der 24. Kalenderwoche

In Japan wird mit Spannung erwartet, inwieweit die Bank of Japan auf ihrer Zinssitzung Maßnahmen zur Eindämmung der Volatilität an den Anleihemärkten beschließt, um den Finanzmärkten ihre nachhaltige Liquiditätsoffensive glaubhaft zu versichern. Eine transparentere Kommunikation in Sachen wann und wie viel an Staatsanleihen aufgekauft wird, wäre ein erster Schritt.

In den USA führen die „harten“ Konjunkturdaten vor Augen, dass sich die US-Konjunkturerholung in verhaltenem Tempo fortsetzt. So dürfte die Industrieproduktion im Mai leicht zugelegt haben und auch die Einzelhandelsumsätze sind erneut gestiegen. Diese positive konsumseitige Entwicklung dürfte sich in einem stärkeren US-Verbrauchervertrauen der Universität von Michigan niederschlagen.

Aus charttechnischer Sicht bewähren sich im Rahmen der aktuellen Korrektur im DAX die Unterstützungen bei 7953 und 7872 Punkten als solide Haltelinien.

Chancen auf eine Wiederaufnahme der Rallye ergeben sich, wenn die Widerstände bei 8074, 8151 und an der oberen Begrenzung des Anfang Mai überwundenen Aufwärtstrendkanals bei aktuell 8327 Punkten durchstoßen werden. Darüber tritt das bisherige Jahreshoch bei 8557 Zählern in den Vordergrund.

Mit dem anhaltenden Grundrauschen über das „ob“, „wann“ und „wie viel“ einer möglichen Abschwächung der Liquiditätsoffensive der US-Notenbank ist unterdessen weiterhin mit einer erhöhten Volatilität an den Aktienmärkten zu rechnen.

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Der Vorsitzende des Aufsichtsrats ist Dr. Horst Schiessl. Die Mitglieder des Vorstands sind Uto Baader (Vorsitzender), Nico Baader, Dieter Brichmann und Dieter Silmen.

Nach Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums begann Robert Halver seinen beruflichen Werdegang zunächst als Wertpapieranalyst bei der Sparkasse Essen. Anschließend arbeitete er als Analyst und Aktienstratege bei der Privatbank Delbrück & Co in Frankfurt.

2001 wechselte Robert Halver zur Schweizer Privatbank Vontobel. Sein Aufgabenschwerpunkt war die Formulierung der Anlagestrategie der Vontobel Gruppe in Deutschland.

Seit 2008 leitet Herr Halver die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG in Frankfurt. In dieser Funktion ist er auch für die Außendarstellung der Baader Bank tätig.
Robert Halver ist durch regelmäßige Medienauftritte, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen und als Kolumnist präsent.