Die Wahl, die Politik und die Aktienmärkte
„Nach der Wahl kracht´s“ titelt ein Finanzmagazin. Die Vermögen sollen in Gefahr sein.
Panikmache zur Steigerung der Auflage, die ihre Wirkung nicht verfehlt: Deutsche Anleger blicken der Bundestagswahl am 22. September besorgt entgegen. Die bisherigen Umfrageergebnisse lassen kein klares Ergebnis vermuten - die Ungewissheit und die „politische Unsicherheit“ ängstigen die Investoren.
Die Opposition rückt das Thema Eurokrise und diverse Horrorszenarien immer wieder in den Fokus. So läuft das Spiel eben: Politiker wollen an die Macht. An dieser Stelle ist es wichtig, die Stimmung in der heißen Phase des Wahlkampfs richtig zu deuten: Eine gemäßigte und diplomatischere Haltung stellt sich automatisch wieder ein, wenn der „Wahlkämpfer“ zum „Amtsinhaber“ wird. Mit dem Ende des Wahlkampfes endet auch die Konfrontation und das Tagesgeschäft beginnt wieder.
Parallelen im Ausland
Die Angst, dass die Parteipolitik die Märkte nachhaltig beeinflussen kann, ist ein internationales Phänomen. Im Vorfeld der US-Wahl im vergangenen Jahr fürchteten Anleger eine weitere „demokratische“ Amtszeit unter Präsident Obama – gilt der Demokrat doch traditionell nicht als bedingungsloser Förderer der Wirtschaft. Ebenso ging im Vorjahr die Angst um, die französische Wahl könnte ein endgültiges Zerbrechen der Eurozone provozieren – hatte Präsident Hollande doch im Vorfeld verkündet, die Zusammenarbeit mit Deutschland einschneidend zu verändern. Und im Vorfeld der italienischen Wahl wurde befürchtet, Berlusconi könnte das Land und die gesamte Eurozone in den Abgrund stürzen – einfach weil er der berüchtigte Silvio Berlusconi ist.
Eines haben diese Beispiele gemeinsam: Sie haben negative Szenarien für die Aktienmärkte befürchten lassen, welche allesamt nicht eingetreten sind. Wenn sich unbegründete Ängste auflösen, ist das positive Überraschungspotential der Märkte stets enorm. Dies sollte man auch für die Bundestagswahl im Hinterkopf behalten.
Politische Börsen haben kurze Beine
Auch wenn dieses Sprichwort grundsätzlich zutrifft: Die kurzfristigen Auswirkungen auf die Märkte sind nicht zu unterschätzen. Viele Anleger fürchten den politischen Stillstand – dabei ist es gerade das, was die Märkte lieben. In den USA beispielsweise hat die seit Jahren anhaltende politische Pattsituation zu einem bemerkenswerten Kursanstieg an den Aktienmärkten beigetragen. Unternehmen benötigen Planungssicherheit und die Gewissheit, dass seitens der Politik nicht in die Unternehmensprozesse eingegriffen wird. Gefahr droht den Märkten vor allem durch zahlreiche Gesetzesänderungen, nicht durch politischen Stillstand.
Bei der Bundestagswahl ist deshalb die besondere Konstellation zu beachten, dass Rot/Grün im Bundesrat auf absehbare Zeit die Mehrheit innehat. Sollte Rot/Grün tatsächlich die Bundestagswahl gewinnen, wäre die politische Patt-Situation aufgehoben. Diese Besorgnis ist zweifellos gerechtfertigt und würde die deutschen Aktienmärkte wohl auch kurzfristig irritieren. Die viel größere Welt würde sich jedoch nahezu unverändert weiterdrehen.
Fazit
Aktienmärkte lieben politische Blockaden und fürchten die Unsicherheit neuer Gesetzesvorhaben. Bis „Klarheit“ herrscht, könnte der deutsche Aktienmarkt noch einige unruhige Tage erleben. Für Anleger ist es wichtig, jetzt nicht emotional zu reagieren sondern rational abzuwägen. Langfristig vermag es die Politik kaum, grundlegende wirtschaftliche Trends umzukehren. Auch diese Wahlen werden den Bullenmarkt nicht stoppen. Zudem gilt immer: Nach der Wahl ist vor der Wahl.
Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen/Disclaimer unter www.gruener-fisher.de.
Thomas Grüner ist Firmengründer und Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments GmbH. Seine oft dem allgemeinen Marktkonsens entgegen stehenden Prognosen sorgten schon mehrfach für großes Aufsehen. Weitere Informationen unter http://www.gruener-fisher.de.
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.