Gesundheitsmarkt

Biotech-Aktien: Voll mit teuren Überraschungen

24.01.15 08:00 Uhr

Biotech-Aktien: Voll mit teuren Überraschungen | finanzen.net

Rabattverträge lassen Anleger an der Fortsetzung des Höhenflugs der Biotechaktien zweifeln. Die Angst ist zwar übertrieben, dennoch steigt das Risiko.

von Julia Groß, Euro am Sonntag

Den Winterschlussverkauf gibt es offiziell nicht mehr, gewöhnlich beginnen dafür nach Weihnachten die Preise zu purzeln. George Paz sorgte im vergangenen Jahr bereits zwei Tage vor dem Fest für einen Paukenschlag. Und das in einem Segment, das traditionell nicht gerade bekannt für Sonderangebote ist: dem US-Arzneimittelmarkt, wo die Preise keinerlei Regulierung unterliegen.

Paz’ Firma Express Scripts, die für Krankenkassen die Medikamentenversorgung von 25 Millionen Versicherten übernimmt, handelte einen spektakulären Vertrag mit dem Pharmakonzern AbbVie aus: Express Scripts bietet seinen Kunden ausschließlich AbbVies neues Hepatitis-C-Medikament an und erhält dafür vom Hersteller einen ungenannten Rabatt auf den Listenpreis von knapp 83.000 US-Dollar pro Zwölf-Wochen-Therapie. Verlierer dabei ist das Biotechunternehmen Gilead, dessen noch etwas teurere Hepatitis-Pillen Sovaldi und Harvoni auch in Deutschland für Schlagzeilen gesorgt haben.

Erhebliche Einsparungen
"Das war eine große Überraschung. So etwas hat es vorher noch nicht gegeben, dass gleich nach der Zulassung ein Nachlass gewährt wurde", sagt Andrej Hrovat, Portfoliomanager des RH & F Global Life Sciences-Fonds. Gilead konterte in der ersten Januarwoche mit zwei ähnlich gestrickten Vereinbarungen mit anderen Kostenträgern. Um etwa 30 Prozent sollen beide Firmen mit dem Preis heruntergegangen sein. Bei 1.000 und mehr US-Dollar pro Pille kommen da erhebliche Summen zusammen. Allein Gileads Umsatz mit Sovaldi betrug 2014 mehr als neun Milliarden US-Dollar.

Jetzt befürchten Investoren, dass die Rabattpraxis bald auf andere Arzneimittel übergreift. Express-Scripts-Chef George Paz macht keinen Hehl daraus, dass er ähnliche Deals beispielsweise für neuartige Cholesterinsenker und längerfristig auch für die hochpreisigen Krebsmedikamente anstrebt. Wettbewerber wie CVS und Molina wollen seinem Beispiel folgen.

Manche Analysten zweifeln deshalb daran, dass der Biotechsektor seine beeindruckende Durchsetzungskraft, was hohe Preise betrifft, beihalten kann. Branchenpublikationen sprechen bereits von einem "Pharmageddon", die abgeschlossenen Rabattverträge hätten einen Damm gebrochen, sie wären ein Zeichen für eine deutliche Verschiebung der Machtverhältnisse. Dazu kommt: Der Boom der Gesundheitstitel an der Börse hält bereits seit 2010 an, mancher empfindet die Aktien mittlerweile als teuer. Eine Konsolidierung wird seit Monaten erwartet.

Ganz so dramatisch stellt sich die Lage bei genauerer Analyse jedoch nicht dar. "Die Rabattverträge bedeuten keine komplette Neubewertung. Dass über Preise diskutiert wird, ist normal", sagt Rudi Van den Eynde, Manager des Candriam Biotechnology-Fonds. Unmittelbar betroffen ist zunächst vor allem Gilead. Analysten haben ihre Gewinnerwartungen für 2015 im Durchschnitt um fünf Prozent gesenkt. Der Aktienkurs hat sich nach dem anfänglichen Absturz um 18 Prozent wieder erholt. Panik sieht anders aus.

In Zukunft mehr Rabatte
Dass das Preisnachlassmodell sehr schnell Schule macht, davon ist Andrej Hrovat überzeugt. "Aber nur dort, wo es gleichwertige Konkurrenzprodukte gibt", erklärt er. Das ist aber längst nicht in allen Therapiegebieten der Fall. Die vom Express-Scripts-Chef angesprochenen neuen Cholesterinsenker, die von Amgen und Regeneron entwickelt werden, zählen dazu. Auch im Diabetesmarkt gibt es viele Medikamente mit einem sehr ähnlichen Wirkungsprofil - die Probleme des französischen Pharmakonzerns Sanofi sind unter anderem auf diese Konkurrenzsituation zurückzuführen und könnten sich in Zukunft noch verschärfen. Unter den Arthritis-Arzneien gibt es ebenfalls eine Reihe von Rabattkandidaten.

Dagegen dürfte der Bereich Krebs, für die Biotechbranche die wichtigste Indikation, kaum betroffen sein. Zu individuell fällt hier die Reaktion von Patienten auf unterschiedliche Medikamente aus. Zudem verbieten es ethische Gründe, todkranken Menschen bestimmte Therapien vorzuenthalten. "Das Feld der Orphan Drugs, Medikamente gegen seltene Krankheiten, die häufig extrem teuer sind, steht ebenfalls nicht zur Debatte", sagt Rudi Van den Eynde.

Was bei der Rabattdiskussion leicht in Vergessenheit gerät, ist zudem die bisher niemals ernsthaft angegriffene Preiserhöhungspraxis der Arzneimittelhersteller auf dem US-Markt. Egal, ob alt oder brandneu: Die Produzenten haben in der Vergangenheit die Listenpreise für die am häufigsten nachgefragten Produkte stets um deutlich mehr als die Inflationsrate angehoben. Zwischen 2011 und 2013 - die Zahlen für 2014 sind noch nicht verfügbar - betrugen die Preissteigerungen zwischen 11,5 und 12,9 Prozent pro Jahr. Drei Viertel dieser Medikamente sind heute mindestens doppelt so teuer wie 2006. Sogar bei vielen Generika, den eigentlich billigen Nachahmermedikamenten, mussten die Amerikaner exorbitante Preiserhöhungen hinnehmen. Es ist also keineswegs so, als wäre der Branche plötzlich der Geldhahn abgedreht worden.

Die etablierten Unternehmen generieren zwischen 3,5 und acht Prozent freien Cashflow, bei Gilead summiert sich das beispielsweise jedes Jahr auf etwa 15 Milliarden US-Dollar. Diese Mengen an Kapital sollten dem Sektor auch 2015 zu einer überdurchschnittlichen Entwicklung verhelfen, erwarten Investmentbanken. Sie rechnen mit einer Welle von Übernahmen und Kooperationsdeals, wie sie 2014 auch schon bei den großen Pharmakonzernen zu beobachten waren.

Allerdings müssen Biotechanleger ein höheres Risikoprofil als in den vergangenen Jahren in Kauf nehmen. Als Folge der positiven Entwicklung des Sektors setzen viele Investoren und damit auch Fonds vermehrt auf jüngere, kleinere Unternehmen, deren Medikamentenkandidaten sich noch in frühen Entwicklungsphasen befinden. "Zum einen weil die Bewertungen der etablierten Firmen gestiegen sind, zum anderen weil sie ein größeres Vertrauen in eine erfolgreiche Medikamentenentwicklung haben als früher", erklärt Candriam-Manager Van den Eynde.

Für risikoaverse Anleger war der Sektor zwar noch nie das Richtige. Wer investiert ist, tut jedoch gut daran, die Entwicklung noch regelmäßiger zu verfolgen - und durchaus auch einen Teil der Gewinne der vergangenen Jahre zu realisieren.

Investor-Info

US-Gesundheitsmarkt
Überfällige Maßnahme

Die Kosten des US-Gesundheitssystems sind gigantisch, insofern begrüßen mit Ausnahme der Hersteller alle Seiten die Rabatte. Zum Vergleich: 2013 gaben deutsche Krankenkassen 29 Milliarden Euro für Arzneimittel aus, umgerechnet auf die Einwohnerzahl der USA entspräche das 116 Milliarden Euro.

Passive Investments
Zwei ETFs zur Auswahl

Seit Kurzem bietet Source einen Indexfonds auf den über 150 Firmen umfassenden Nasdaq-Biotech-Index. (ISIN: IE 00B Q70 R69 6, Gebühr: 0,4 %) Gegenüber dem nur 25 Titel abbildenden ETF von Market Vectors (US 570 60U 183 3) die bessere Alternative.

Gilead Sciences
Kein Beinbruch

Die Preisnachlässe für Sovaldi und Harvoni schlagen sich direkt nieder: Analysten haben ihre Gewinnschätzungen im Durchschnitt um fünf Prozent nach unten korrigiert. Die Aktie ist billig, aber Anleger sollten abwarten, ob Gilead ihre hohen Cash-Reserven für sinnvolle Zukäufe für die Pipeline nutzt.

Aktiv verwaltete Investments
Breiteres Sektorinvestment

Biotech-Einzelwerte gelten als riskant. Breit gestreut sind etwa die Portfolios der seit Langem erfolgreichen Fonds von Candriam sowie RH & F mit Jahresgebühren von 1,77 beziehungsweise 2,95 Prozent.
Alternative: die Aktie der Beteiligungsgesellschaft BB Biotech, die auch eine Dividende ausschüttet.

Name ISIN Perform. 3 Jahre
BB Biotech CH0038389992 330%
Candriam Eq. Biotechn. LU0108459040 190%
RH&F Gl. Life Sciences LU0115986761 170%
Quelle: Finanzen.net

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Bildquellen: PhotoStock10 / Shutterstock.com, Javier Correa / Shutterstock.com

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15.06.2020Gilead Sciences kaufenDZ BANK
15.03.2019Gilead Sciences OutperformBMO Capital Markets
03.01.2019Gilead Sciences OutperformOppenheimer & Co. Inc.
26.10.2018Gilead Sciences OverweightBarclays Capital
01.10.2018Gilead Sciences OverweightCantor Fitzgerald
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01.10.2018Gilead Sciences OverweightCantor Fitzgerald
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26.07.2018Gilead Sciences NeutralRobert W. Baird & Co. Incorporated
05.10.2017Gilead Sciences PerformOppenheimer & Co. Inc.
09.03.2017Gilead Sciences NeutralUBS AG
29.04.2016Gilead Sciences HoldMaxim Group
14.12.2012Gilead Sciences neutralGoldman Sachs Group Inc.
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25.06.2010Gilead Sciences ausgestopptDer Aktionär
22.10.2009Gilead Sciences underperformWedbush Morgan Securities Inc.
10.02.2006Gilead Sciences underweightPrudential Financial
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