Russland vor Unruhen - droht am Montag der Börsensturz?
Die erstaunlich knapp ausgefallene Duma-Wahl hat in Moskau nicht nur zu Protesten ...
... auf der Straße geführt, sondern auch zu starken Kursverlusten an der Börse. Die Anleger befürchten, dass sich das Land in den kommenden Monaten weiter destabilisiert.
Ist die Furcht berechtigt oder sehen wir aktuell eine Kaufgelegenheit erster Güteklasse?
Achtung: Es droht Kapitalflucht!
Zwar hat die Regierungspartei "Einiges Russland" mit 238 Sitzen wieder die absolute Mehrheit in der Duma, in der vorherigen Legislaturperiode wurden allerdings 315 Sitze an die Putin-Partei vergeben und zahlreiche Berichte über Wahlfälschungen nähren die Furcht, dass es ihr nur mit Manipulation gelang die absolute Mehrheit zu sichern. Die Sorge einiger Anleger, dass die Demonstrationen der vergangenen Tage nur ein Vorgeschmack auf eine regelrechte Protestwelle waren und schon bei der für den 10. Dezember angekündigten Demonstration Zehntausende in Moskau auf die Straße gehen werden, ist entsprechend nicht unberechtigt. Im schlimmsten Fall drohen gar blutige Unruhen, die schon am Montag zu einem Kurssturz an der Börse in Moskau führen.
Eine noch größere Gefahr ist aus Anlegersicht, dass Wladimir Putin das knappe Wahlergebnis zu Recht als Misstrauensvotum versteht und versucht die Stimmung im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen am 6. März 2012 durch populistische Politik zu drehen. So könnten neue Sozialausgaben trotz der sehr niedrige Staatsverschuldung (nur 17 % des BIPs!) im aktuellen Marktumfeld zu verstärkter Unsicherheit an der russischen Börse führen und eine Steuererhöhung für Reiche oder die ohnehin immer stärker zur Kasse gebeten Energiekonzerne kann nicht ausgeschlossen werden. Beide Maßnahmen würden die ohnehin sehr hohe Kapitalflucht (schon 64 Mrd. USD in diesem Jahr!) verstärken.
Extrem günstige Bewertungen!
Trotz dieser hohen politischen Risiken erscheint es mir übereilt jetzt alle russischen Aktien zu verkaufen, denn keine größere Börse weltweit ist so günstig bewertet wie die russische. Mit einem durchschnittlichen KGV11e von unter 5 und einem KBV von deutlich unter 1 notieren russische Aktien selbst für russische Verhältnisse auf einem ausgesprochen günstigen Niveau und es wird in diesem Jahr ein überdurchschnittlich hohes Gewinnwachstum von über 40% erwartet!
Mein Fazit: Zwar spricht die zunehmende politische Instabilität und die drohende Massendemonstration am Wochenende dafür die russische Börse kurzfristig zu meiden, sie ist aber so günstig bewertet, dass an ihr für langfristig orientierte Value-Anleger kein Weg vorbei führt.
Florian Schulz ist ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Emerging Markets und Chefredakteur des Emerging-Markets-Trader Börsenbriefs. Mehr Infos unter: www.emerging-markets-trader.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.