Emerging-Markets-Trader Gerhard Heinrich

China-Crash - Rettung ist bisher nicht in Sicht

03.09.15 10:10 Uhr

China-Crash - Rettung ist bisher nicht in Sicht | finanzen.net

Ich will nicht behaupten, dass ich mich über den Crash an Chinas Börsen freue. Allerdings war ich teilweise durchaus erleichtert, als im Juni das Kursmassaker seinen Anfang nahm.

Denn einerseits war zwar klar, dass nun auch für die übrigen Weltbörsen schwere Zeiten anbrechen würden. Andererseits waren Chinas Inlandsbörsen aber längst überfällig. Die Rallye, die dort im ersten Halbjahr stattgefunden hatte, ließ sich durch nichts mehr begründen, und sie trug zunehmend beängstigende und bizarre Züge.

Viele Warnsignale

Hinzu kam, dass ich bereits seit Februar immer wieder eindringlich vor einer harten Landung in China gewarnt hatte. Damit stand ich angesichts der Hausse im ersten Halbjahr zunächst ziemlich dumm da. Ich war aber natürlich nicht der einzige Beobachter, der auf die enormen Risiken in China hingewiesen hatte. Und die Warnsignale waren wirklich zahlreich: Das sich abschwächende Wachstum, der niedrige Stromverbrauch, die Erzeugerpreise, die Lage am Immobilienmarkt, die Verschuldung der Unternehmen, Banken und der Provinzregierungen, die Daten zur Handelsbilanz, die Kapitalflucht, der Verfall der Rohstoffpreise - und so weiter!

Nun haben wir also den Schlamassel: Der Crash ist in vollem Gange und wirkt sich zunehmend auch auf die Realwirtschaft aus. Die letzte Hoffnung vieler Marktteilnehmer sind nun die Interventionen der chinesischen Regierung. Immerhin hat Peking zu Beginn der Korrektur vollmundig Maßnahmen zur Stützung der Börse angekündigt. Was läge also näher, als dass die Regierung den Markt nun mit aller Kraft wieder hochkauft? Schließlich wollen die chinesischen Wirtschaftslenker gegenüber ihrem Anlegervolk ja nicht das Gesicht verlieren.

Massive Interventionen

Inzwischen hat Peking schon fast alle Register gezogen, um den Kursverfall zu stoppen. Mehr als die Hälfte aller Aktien an den Börsen Shanghai und Shenzhen waren teilweise vom Handel ausgesetzt. Daneben wurden alle IPOs gestoppt, staatliche Fonds wurden zu Aktieninvestments angehalten, Short-Selling und Futures wurden teilweise verboten, und es wurden sogar vermeintliche Kurs-Manipulierer und fatalistische Finanzjournalisten festgenommen. Daneben wurden gewaltige Summen für Stützungskäufe mobilisiert und über verschiedene Kanäle in den Markt geleitet. Auf diese Weise hat Peking - Analystenschätzungen zufolge - bereits mehr als 200 Milliarden Dollar für Stützungskäufe verballert.

Die Erfolgsbilanz all dieser Maßnahmen fällt allerdings bisher mager aus. Allein in den acht Handelstagen vom 17. Bis zum 26 August brach der Shanghai Composite Index um weitere 25 Prozent ein. Dabei fielen in diesen Zeitraum unter anderem die letzte chinesische Leitzinssenkung und die neuerliche Absenkung der Mindestreservesätze. Von seinem Hoch im Juni hat Chinas Leitindex damit inzwischen fast 40 % abgegeben. Der Börsenwert, der dadurch - nur im Shanghai Composite Index - vernichtet wurde, liegt bei 4,1 Billionen Dollar. Angesichts solcher Volumina ist es kein Wunder, dass die Wirkung der staatlichen Stützungskäufe sehr überschaubar blieb.

Fatales Signal für die Anleger

Es liegt auf der Hand, welche Schlüsse Chinas Anleger aus diesen Entwicklungen gezogen haben. Sie haben gelernt, dass Peking nicht fähig - und zunehmend auch nicht mehr willens - ist, den Aktienmarkt wirkungsvoll zu stützen. Damit sind weitere Kursverluste aber vorprogrammiert. Denn Millionen chinesischer Investoren haben darauf gewettet, dass die Regierung die Kastanien schon aus dem Feuer holen wird. Diese Hoffnung wurde aber enttäuscht, und sie müssen jetzt zügig ihre Verluste begrenzen.

Mein Fazit: Peking hat auf den Crash so reagiert, wie es bisher immer in Krisen reagierte - es hat versucht, die Lage mit Staatsgeldern zu stabilisieren. Derzeit gibt das Land viele Milliarden Dollar zur Konjunkturbelebung aus, es interveniert mit Milliarden an seinen Börsen und es verbraucht Milliarden zur Stützung seiner Währung. Diese Politik wird aber früher oder später an ihre Grenzen stoßen. Der gescheiterte Versuch der Aktienmarkt-Stabilisierung hat aufgezeigt, dass auch der Einsatz gewaltiger öffentlicher Mittel in China nicht mehr alle Probleme lösen kann.

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Florian Schulz ist ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Emerging Markets und Chefredakteur des Emerging-Markets-Trader Börsenbriefs. Mehr Infos unter: www.emerging-markets-trader.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.