DAX: Über 6.000 Punkte zurück – nur ein Strohfeuer?
Die Börsen waren am Mittwoch präpariert für einen Rückschlag:
Die Sitzung der EU-Finanzminister brachte nicht das gewünschte Ergebnis und Standard & Poor´s stufte das Rating zahlreicher Banken herab. Doch dann kam alles ganz anders. Die großen Notenbanken erhöhten in einer abgestimmten Intervention die Liquidität im Finanzsystem. Ein Einfrieren des Finanzmarktes wie 2008 wurde dadurch erst einmal verhindert. Der DAX sprang über 6.000 Punkte und konnte sich bir zum Wochenschluss über dieser Marke behaupten. Auch bei vielen DAX-Werten verbesserte sich die Charttechnik wieder deutlich.
Halbvoll oder halbleer, das ist hier die Frage
Doch zurück zur Geldpolitik: Für den europäischen Bankensektor ist es besonders wichtig, dass sich die Notenbanken gegenseitig ohne Einschränkung ihre jeweiligen Währungen zur Verfügung stellen. Vor allem die französischen Banken kamen zuletzt immer schwerer oder gar nicht an Dollarkredite. Ein Pessimist würde sagen, die Notenbanken sind die einzigen, die noch Handlungsfähigkeit beweisen, doch das wird nicht reichen. Ein Optimist wird argumentieren, dass die Notenbanken den Finanzpolitikern in Europa mehr Zeit verschaffen, um die notwendigen strukturellen Reformen umzusetzen. Sie kennen das: Die Geschichte vom halbvollen oder halbleeren Glas…
Wall Street sogar mit Jahresplus
Es ist klar: Die Krise kann nur über ihre Ursache gelöst werden, nämlich durch eine Reduzierung der Schulden. Das wird ein holpriger Weg und für die Kursentwicklung an den Börsen gilt das Gleiche. Aus diesem Grund haben sich viele langfristige Anleger vom Aktienmarkt verabschiedet; zumindest halten sie die Füße still, bis ein echter Weg aus dem Schlamassel aufgezeigt worden ist. Die Börsen bleiben daher die Spielwiese der kurzfristigen Trader und der der Hedgefonds. Die letzten Tage waren dafür erneut ein Paradebeispiel: Erst gab es an der Wall Street die schlechteste Thanksgiving-Woche seit den 1930er Jahren, dann stieg der Dow Jones in drei Tagen um mehr als acht Prozent. Reibt man sich einmal die Augen, dann zeigt sich, dass der „Weltleitindex“ trotz allem Auf und Ab aktuell ein paar hundert Punkte über seinem Stand zu Jahresbeginn liegt. Aus Sicht eines Langfrist-Investors gar nicht mal so schlecht. Beim DAX sieht es allerdings trüber aus: Er notiert etwa auf dem Niveau von Anfang 2010.
China schwenkt um auf Wachstumspolitik
Doch es gab noch etwas Wichtiges: Auch China lockerte die Geldpolitik und das wurde an den Börsen, vor allem in Asien, gefeiert. Der Hang-Seng in Hongkong machte einen regelrechten Satz nach oben. Erstmals seit 2008 wurde der Mindestreservesatz für die Banken gesenkt. Doch sogleich gab es auch skeptische Stimmen. Steht Chinas Wirtschaft etwa schlechter da, als bislang angenommen? Werden Regierung und Notenbank in Peking nervös? Tatsächlich zeigen einige Konjunkturindikatoren Schwächetendenzen. Doch die entscheidende Frage ist, wie stark und inwieweit der Wirtschaftsabschwung in den Aktienkursen schon eingepreist ist. Beispiel China: Die Börsen in Shanghai und Shenzhen liegen auf dem tiefsten Stand seit Anfang 2009, die in Hongkong steht nicht viel besser da. Viel Negatives ist da schon eingepreist und deswegen dürfte die geldpolitische Lockerung den Börsen – zumindest für einige Zeit – Auftrieb geben. Zumal Peking insgesamt auf eine Politik der Wachstumsförderung umschwenken dürfte, also weitere Maßnahmen zu erwarten sind.
DAX: Unterstützung bei 5.800 Punkten entscheidend
Wachstum in China ist auch gut für die deutschen Unternehmen. Aber auch aus den USA kommen wie in den letzten Wochen schon überwiegend robuste Wirtschaftszahlen. Das gilt auch für die am Freitag veröffentlichten Arbeitsmarktdaten. Unser am Montag genanntes Kursziel von 6.000 Punkten für den DAX wurde schneller erreicht als gedacht. Auch wenn der Anstieg über den Widerstand bei 6.000 Punkten ein positives Zeichen ist, dürfte jetzt erst einmal eine Konsolidierung anstehen. Wichtig ist, dass sich der Index über der Unterstützung bei 5.800 Punkten behauptet. Die weitere Kursrichtung wird vor allem davon abhängen, welche Ergebnisse der EU-Gipfel in der nächsten Woche bringt.
Stefan Böhm (Diplom-Volkswirt) ist Chef-Redakteur des DaxVestor Börsenbriefs. Weitere Informationen finden Sie unter: www.dax-vestor.deDer obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.