Den Nagel auf den Kopf getroffen
„Das ist ein guter Tag für Deutschland und ein guter Tag für Europa.“ So kommentierte Bundeskanzlerin Angela Merkel...
... das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Euro- Rettungsschirm ESM. Ähnlich positiv äußerten sich auch die meisten anderen hochrangigen Politiker. Solange gewisse Auflagen nicht verletzt werden, hält das Karlsruher Gericht den ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) nicht für verfassungswidrig. So muss die Haftung Deutschlands auf 190 Milliarden Euro begrenzt bleiben. Darüber hinausgehende Zahlungen können nur mit Zustimmung des Bundestags erfolgen.
Mit Blick auf die überwiegend positive Resonanz auf die richterliche Entscheidung könnte man meinen, die Euro- Krise sei mit dem Urteilsspruch aus der Welt geschafft. Doch das ist ein Irrtum. Zwar verpflichten sich Länder, die unter den Rettungsschirm schlüpfen, zu strengen Auflagen. Doch bis diese Wirkung zeigen, könnten die ESM Mittel in Höhe von insgesamt 500 Milliarden Euro aufgebraucht sein. So geht selbst der Sachverständigenrat davon aus, dass das geplante Finanzvolumen des ESM bei weiteren Turbulenzen in Spanien und Italien nicht ausreichen wird. Da eine Erhöhung auch den deutschen Anteil betreffen würde, müsste der Bundestag über eine Aufstockung der Haftungssumme abstimmen. Ob hierfür jedoch eine Mehrheit gefunden wird, ist mit Blick auf die wachsende Euro-Skepsis der Wähler fraglich. Auf der anderen Seite: Können es sich die Parlamentarier tatsächlich erlauben, gegen eine Erhöhung zu votieren? Wären dann nicht die bereits gezahlten Gelder – im Fall von Deutschland immerhin 190 Milliarden Euro – verloren?
Die Abgeordneten könnten also in eine ernste Zwickmühle geraten. Aber zu deren Glück gibt es ja noch die Europäische Zentralbank (EZB). Die hat mit ihrem geldpolitischen Richtungswechsel dafür gesorgt, dass die Obergrenze für den ESM ohnehin nicht relevant werden könnte. Denn von Ländern, die unter dem ESM-Schirm stehen, kann die Notenbank – wenn nötig – unbegrenzt Staatsanleihen ankaufen. Doch damit taucht ein neues Problem auf. Denn in seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht auch deutlich gemacht, dass die Grundlage für die deutsche Beteiligung an der Europäischen Währungsunion ihre Ausgestaltung als Stabilitätsunion ist. Verstöße gegen diese Ausgestaltung seien als verfassungswidrig einzustufen.
Doch entspricht der Ankauf von Staatsanleihen noch diesem Stabilitätsgrundsatz, zumal Deutschland durch solche Maßnahmen indirekt zusätzliche Haftungsrisiken übernimmt? Die juristische Auseinandersetzung um die Euro- Rettung dürfte also noch nicht zu Ende sein, genauso wie die Euro-Krise selbst. Ob die Probleme in der Währungsunion nach dem Urteil des Verfassungsgerichts gelöst seien, wurde der Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) Christoph M. Schmidt gefragt. Seine unmissverständliche Antwort: „Nein, natürlich nicht.“ Die Entscheidung aus Karlsruhe hätte weder an den Krisenursachen noch an der Bewältigungsstrategie etwas Grundlegendes verändert*, so Schmidt, der übrigens auch zu den fünf Wirtschaftsweisen zählt. Damit hat er den Nagel wohl auf den Kopf getroffen.
* Interview in Euro am Sonntag, 13. September 2012
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